Kündigung wegen Schlechtleistung endet fast immer mit Abfindung

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Wenn Beschäftigte plötzlich mit Vorwürfen konfrontiert werden, ihre Arbeitsleistung genüge nicht mehr, obwohl sie gesundheitlich eingeschränkt sind, löst das große Unsicherheit aus. Eine Kündigung wegen angeblicher Schlechtleistung ist jedoch ein rechtlich schwaches Mittel und scheitert häufig vor Gericht. Denn Arbeitgeber müssen Minderleistung konkret beweisen – und genau das gelingt ihnen selten.

Gerade Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen sollten ihre Rechte kennen. Ihr Schutz ist stärker, als viele glauben. Die Leistungsfähigkeit wird rechtlich immer individuell betrachtet.

Wie Gerichte Schlechtleistung-Kündigungen regelmäßig kippen

Das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 25. August 2017, Az. 3 Ca 1305/17) erklärte die Kündigung eines KFZ-Mechanikers für unwirksam, weil der Arbeitgeber keine konkreten Fehler nachweisen konnte. Der Werkstatttest war nicht aussagekräftig genug und blieb ohne Beweiskraft. Die Kündigung wurde deshalb aufgehoben bzw. eine Abfindung gezahlt.

Auch das Arbeitsgericht Magdeburg (Urteil vom 25. Januar 2012, Az. 3 Ca 1917/11) sah in einer Kündigung wegen Minderleistung keinen zulässigen Grund. Entscheidend war, dass gesundheitliche Einflüsse nicht berücksichtigt worden waren. Ohne Vorwerfbarkeit liegt keine kündigungsrelevante Schlechtleistung vor.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16. April 2015, Az. 5 Sa 638/14) betonte außerdem, dass Durchschnittsvergleiche nur zulässig sind, wenn klare Leistungsstandards vertraglich festgelegt sind. Fehlt ein solcher Maßstab, ist stets das individuelle Leistungsvermögen entscheidend. Pauschale Vergleiche reichen nicht.

Diese Urteile zeigen: Schlechtleistung lässt sich selten beweisen. Besonders bei gesundheitlichen Einschränkungen scheitern Arbeitgeber regelmäßig.

Warum Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen besonders geschützt sind

Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen, Behinderung oder altersbedingten Einschränkungen geraten oft stärker in den Fokus der Leistungsbeurteilung. Doch das Gesetz schützt sie klar und konsequent. Die Leistungspflicht bemisst sich immer nach ihren persönlichen Möglichkeiten.

Arbeitgeber müssen prüfen, ob eine Anpassung des Arbeitsplatzes, eine Umverteilung der Aufgaben oder eine Entlastung möglich ist. Auch eine Abmahnung ist in der Regel zwingend erforderlich, bevor eine Kündigung überhaupt in Betracht kommt. Bei schwerbehinderten Beschäftigten ist zudem die Zustimmung des Integrationsamts erforderlich.

Gesundheitliche Gründe erklären Leistungsschwankungen – sie begründen jedoch keine Schlechtleistung. Daraus ergibt sich ein starker Schutz vor voreiligen Kündigungen.

Kündigung wegen Krankheit: Diese Regeln gelten wirklich

Eine Kündigung wegen Krankheit wird häufig mit einer Schlechtleistungskündigung verwechselt, folgt jedoch völlig eigenen Regeln. Sie ist nur zulässig, wenn eine negative Gesundheitsprognose besteht, der Betrieb spürbar beeinträchtigt wird und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Alle drei Voraussetzungen müssen gleichzeitig vorliegen.

Der Arbeitgeber muss Wege suchen, um eine Kündigung zu verhindern

Eine negative Prognose liegt nur vor, wenn weitere Ausfälle wahrscheinlich sind. Betriebliche Belastungen müssen erheblich sein, etwa durch dauerhafte Ausfallkosten oder organisatorische Probleme. Erst wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass weder ein BEM noch eine Arbeitsplatzanpassung Erfolg versprechen, darf er überhaupt über Kündigung nachdenken.

Besonderer Schutz für Menschen mit Schwerbehinderung

Besonders streng sind die Anforderungen bei schwerbehinderten Menschen. Ohne Zustimmung des Integrationsamts ist eine solche Kündigung automatisch unwirksam. Das zeigt, dass krankheitsbedingte Kündigungen rechtliche Ausnahmefälle sind.

Wenn Schlechtleistung tatsächlich zur Kündigung führt – ein seltenes, aber deutliches Urteil

Trotz der hohen Anforderungen gibt es einzelne Fälle, in denen Gerichte eine Schlechtleistungskündigung bestätigt haben. Ein besonders markantes Beispiel ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2011 (Az. 9 Sa 593/11). Dort hielt das Gericht eine Kündigung wegen Schlechtleistung ausnahmsweise für wirksam.

Wenig Leistung und keine Verhaltensänderung

Der betroffene Sachbearbeiter erbrachte über Jahre hinweg zwischen 30 Prozent und 50 Prozent weniger Leistung als vergleichbare Kolleginnen und Kollegen. Der Arbeitgeber hatte diese Minderleistung detailliert dokumentiert, statistisch ausgewertet und mehrfach Gespräche sowie Schulungen angeboten. Trotz klarer Hinweise änderte sich sein Verhalten nicht.

Objektive Minderleistung und subjektive Verantwortung

Das Gericht sah darin eine objektiv und subjektiv vorwerfbare Minderleistung. Der Arbeitnehmer hielt sich nicht an Arbeitsabläufe, überzog Pausen und missachtete Vorgaben, ohne gesundheitliche Gründe geltend machen zu können. Weil die Minderleistung schuldhaft war, war die Kündigung in diesem Einzelfall rechtmäßig.

Es gab keine gesundheitlichen Einschränkungen

Bemerkenswert ist, dass das Gericht ausdrücklich betonte: Hätte es gesundheitliche Einschränkungen gegeben, wäre die Kündigung unwirksam gewesen. Das Urteil bestätigt damit die Schutzwirkung des Arbeitsrechts.

FAQ: Die drei wichtigsten Fragen zum wirksamen Schlechtleistungsurteil

1. Warum war die Kündigung in diesem Fall wirksam?
Weil die Minderleistung klar messbar, langfristig dokumentiert und dem Beschäftigten vorwerfbar war. Es lagen keine gesundheitlichen Einschränkungen vor, die das Verhalten hätten erklären können.

2. Was unterscheidet diesen Fall von typischen, unwirksamen Schlechtleistungskündigungen?
In den meisten Fällen fehlen Arbeitgebern präzise Beweise, oder es bestehen gesundheitliche Gründe, die Leistungsdefizite erklären. Hier jedoch war die Pflichtverletzung eindeutig und selbst verschuldet.

3. Lässt sich dieses Urteil auf andere Fälle übertragen?
Nur sehr eingeschränkt. Es setzt eine außergewöhnlich klare Beweisführung und subjektive Vorwerfbarkeit voraus. Bei gesundheitlichen Einflüssen oder unklaren Leistungsmaßstäben wäre die Kündigung gescheitert.

Praxisbeispiele: Drei typische Fälle, in denen Arbeitgeber Schlechtleistung konstruieren

Frau M., Lagerarbeiterin mit chronischem Rückenleiden, arbeitet langsamer als ihre Kolleginnen. Der Arbeitgeber kündigt wegen unterdurchschnittlicher Leistung. Eine solche Kündigung wäre mangels Arbeitsplatzanpassung und aufgrund der gesundheitlichen Einschränkung kaum haltbar.

Herr K., Pflegekraft mit altersbedingten Einschränkungen, erledigt Aufgaben langsamer. Der Arbeitgeber sieht darin Minderleistung. Ohne Hilfsmittel oder Umstrukturierungsversuche geprüft zu haben, ist eine Kündigung rechtlich nicht vertretbar.

Frau S., Sachbearbeiterin nach langer Reha, schafft weniger Fälle als früher, arbeitet aber sorgfältig. Der Arbeitgeber kündigt dennoch. Da ihre Leistung medizinisch erklärbar eingeschränkt ist, hätte eine solche Kündigung vor Gericht kaum Bestand.

FAQ: Die fünf wichtigsten Fragen zur Kündigung wegen Schlechtleistung

1. Kann der Arbeitgeber mich kündigen, wenn ich krankheitsbedingt weniger schaffe?
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist zwar möglich, die Hürden dafür sind jedoch hoch. Entscheidend ist, ob eine negative Gesundheitsprognose besteht, der Betrieb erheblich beeinträchtigt wird und mildere Mittel ausgeschlossen sind.

2. Muss der Arbeitgeber vorher ein BEM anbieten?
Ja, bei längeren oder wiederholten Erkrankungen ist ein BEM erforderlich. Fehlt es, wirkt sich das stark zugunsten der Beschäftigten aus.

3. Reichen Fehler oder langsames Arbeiten für eine Kündigung?
Nur wenn sie erheblich, dauerhaft und vorwerfbar sind. Bei gesundheitlichen Gründen ist das selten der Fall.

4. Ist eine Abmahnung notwendig?
Ja, fast immer. Ohne Abmahnung scheitern Schlechtleistungskündigungen regelmäßig vor Gericht.

5. Was sollte ich tun, wenn mir Schlechtleistung vorgeworfen wird?
Dokumentieren Sie alles, holen Sie ärztliche Nachweise ein und ziehen Sie den Betriebsrat hinzu. Wenn der Arbeitgeber Ihnen kündigt, dann setzen Sie sich juristisch zur Wehr. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen erfolgen.

Abfindung wenn Kündigung nach dem Arbeitsrecht rechtswirdrig waren

Abfindungen greifen in der Praxis häufig genau dann, wenn eine Kündigung arbeitsrechtlich angreifbar ist oder voraussichtlich nicht „hält“ oder eine Gericht feststellt, dass die Kündigung nicht rechtens war. Vor oder auch nach einer Kündigungsschutz ist das Arbeitsklima vergiftet, weshalb nur die Wenigstens zum Arbeitsplatz zurückkehren.

Es wird dann oft eine einvernehmliche Lösung gesucht: Gegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder nach der Klage wird eine Abfindung angeboten. In diesem Sinne ist die Abfindung häufig weniger „Belohnung“, sondern ein wirtschaftlicher Ausgleich dafür, dass die Kündigung rechtlich wackelig ist und man den Konflikt sauber vom Tisch bekommen will.

Fazit

Eine Kündigung wegen Schlechtleistung ist für Arbeitgeber ein juristisches Wagnis und für Beschäftigte mit gesundheitlichen Einschränkungen meist unwirksam. Das Arbeitsrecht verlangt klare, nachvollziehbare und verhältnismäßige Beweise, die in der Praxis selten erbracht werden können. Wer seine Rechte kennt und frühzeitig handelt, kann sich erfolgreich gegen unfaire Kündigungen schützen.