Wer heute eine Erwerbsminderungsrente bezieht, steht früher oder später vor der Frage, wie der Übergang in die Altersrente konkret abläuft – und welche finanziellen Folgen das hat.
Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt erklärt verständlich und Schritt für Schritt, wann automatisch umgestellt wird, wann ein eigener Antrag nötig ist, wie hoch die spätere Altersrente ausfällt, welche Rolle der Bestandsschutz spielt und warum ein frühzeitiger Wechsel in vielen Fällen sinnvoll sein kann.
Inhaltsverzeichnis
Automatische Umstellung – und wann trotzdem ein Antrag nötig ist
Sobald das reguläre Renteneintrittsalter erreicht ist, stellt die Deutsche Rentenversicherung die laufende Erwerbsminderungsrente automatisch in eine Altersrente um. Ein gesonderter Antrag ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Anders sieht es aus, wenn vorzeitig in die Altersrente gewechselt werden soll: Wer die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt, kann bereits ab dem Monat nach dem 63. Geburtstag in eine vorgezogene Altersrente wechseln, benötigt dafür aber zwingend einen Antrag.
Liegt zusätzlich eine anerkannte Schwerbehinderung vor, ist der frühere Wechsel schon ab dem Monat nach dem 62. Geburtstag möglich – ebenfalls unter der Voraussetzung der 35-jährigen Wartezeit und eines Antrags.
Die 35 Jahre Wartezeit: Was zählt mit?
Die Wartezeit ist die Summe bestimmter rentenrechtlicher Zeiten. Neben Pflichtbeitragszeiten aus Beschäftigung und Selbstständigkeit zählen hierzu auch anrechnungsfähige Zeiten, in denen keine Beiträge geflossen sind.
Dazu gehören insbesondere Kinderberücksichtigungszeiten von bis zu zehn Jahren pro Kind, Zeiten des Bezugs von Bürgergeld sowie Zeiten, in denen bereits eine Erwerbsminderungsrente bezogen wurde.
Welche Zeiten in welchem Umfang angerechnet werden, ergibt sich aus dem individuellen Versicherungsverlauf; maßgeblich ist stets die Gesamtbewertung durch die Rentenversicherung.
Bestandsschutz: Warum die Altersrente in der Regel nicht niedriger wird
Beim Wechsel von der Erwerbsminderungsrente in die Altersrente greift der sogenannte Bestandsschutz. Er stellt sicher, dass bei der Berechnung der Altersrente mindestens die bisher erreichten persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden. Praktisch bedeutet das: Die Altersrente ist in der Regel mindestens so hoch wie die zuvor gezahlte EM-Rente.
Wer bislang nur eine teilweise Erwerbsminderungsrente erhalten hat, profitiert zusätzlich: Die spätere Altersrente orientiert sich an der vollen Erwerbsminderungsrente, sodass sich der Zahlbetrag im Übergang typischerweise etwa verdoppelt.
Wichtig ist der zeitliche Zusammenhang: Zwischen der letzten Zahlung der Erwerbsminderungsrente und dem Beginn der Altersrente dürfen grundsätzlich höchstens 24 Kalendermonate liegen, damit der Bestandsschutz ungekürzt greift.
Abschläge richtig einordnen: Was bleibt, was entfällt
Vorgezogene Altersrenten sind grundsätzlich mit dauerhaften Abschlägen verbunden. Nach geltendem Recht können diese bis zu 14,4 Prozent betragen. Für Beziehende einer Erwerbsminderungsrente gilt jedoch eine Besonderheit:
Beim Wechsel in die Altersrente kommen keine zusätzlichen Abschläge hinzu, selbst wenn der Wechsel vor dem regulären Rentenalter erfolgt. Es bleibt also bei den Abschlägen, die bereits für die Erwerbsminderungsrente galten. Eine Erwerbsminderungsrente ist erst ab einem bestimmten Alter abschlagsfrei; dieses steigt seit 2012 schrittweise von 63 auf 65 Jahre an.
Wer die EM-Rente vor Erreichen dieser Grenze erhält, hat einen Abschlag von 0,3 Prozent pro Monat, maximal 10,8 Prozent. Dieser Abschlag „wandert“ mit in die Altersrente und gilt dort lebenslang – unabhängig davon, ob die Altersrente mit 62 bei Schwerbehinderung, mit 63 ohne Schwerbehinderung oder erst mit 67 beginnt.
Frühzeitiger Wechsel: Wann sich der Antrag besonders lohnt
Ein frühzeitiger Wechsel kann aus mehreren Gründen vorteilhaft sein. Für Personen mit teilweiser Erwerbsminderungsrente ist das wichtigste Argument die Höhe: Mit dem Übergang in die Altersrente fällt die Leistung so aus, als hätte eine volle Erwerbsminderungsrente vorgelegen; der Zahlbetrag steigt in der Praxis erheblich. Auch bei befristeter voller Erwerbsminderungsrente bringt der frühere Wechsel Sicherheit.
Mit Beginn der Altersrente entfällt das Risiko, dass eine Verlängerung abgelehnt wird. Zugleich wird die erreichte Rentenhöhe „eingefroren“, weil der Bestandsschutz greift. Wer plant, wieder oder mehr zu arbeiten, profitiert ebenfalls: Restriktionen, die für den Bezug der Erwerbsminderungsrente gelten, entfallen mit der Altersrente.
Arbeiten und Hinzuverdienen: Mehr Freiheit in der Altersrente
Während des Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente ist Erwerbstätigkeit nur in engen Grenzen zulässig. Eine Ausweitung der Arbeitszeit kann den Rentenanspruch gefährden, und höhere Nebeneinkommen führen zu Kürzungen.
In der Altersrente gelten diese Beschränkungen nicht. Erwerbstätigkeit und Hinzuverdienst sind grundsätzlich unbegrenzt möglich, ohne dass die Rente gekürzt oder eingestellt wird. Für viele Betroffene ist das ein entscheidender Schritt zurück in mehr finanzielle und berufliche Flexibilität.
Praktisches Vorgehen: So gelingt der Wechsel
Wer vorzeitig in die Altersrente wechseln möchte, sollte den Antrag rechtzeitig stellen. Maßgeblich ist der Monat nach dem maßgeblichen Geburtstag (62 bei anerkannter Schwerbehinderung, 63 ohne Schwerbehinderung), sofern die 35-jährige Wartezeit erfüllt ist.
Es empfiehlt sich, den Versicherungsverlauf zu prüfen und fehlende Zeiten – etwa Kinderberücksichtigungszeiten oder Zeiten des Bürgergeldbezugs – nachzuweisen. Je vollständiger die Unterlagen, desto reibungsloser die Umstellung. Bei Erreichen des regulären Rentenalters erfolgt die Umwandlung automatisch; dennoch lohnt sich eine inhaltliche Kontrolle des Rentenbescheids, insbesondere mit Blick auf den Bestandsschutz und die übernommenen Abschläge.
FAQ: Wechsel von der Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) in die Altersrente
Muss ich einen Antrag stellen, wenn ich bereits eine EM-Rente beziehe?
Erreichen Sie das reguläre Renteneintrittsalter, wandelt die Deutsche Rentenversicherung Ihre EM-Rente automatisch in eine Altersrente um. Ein Antrag ist nur erforderlich, wenn Sie vorzeitig in die Altersrente wechseln möchten.
Ab wann kann ich vorzeitig in die Altersrente wechseln?
Ohne anerkannte Schwerbehinderung ist der Wechsel ab dem Monat nach dem 63. Geburtstag möglich, mit anerkannter Schwerbehinderung ab dem Monat nach dem 62. Geburtstag. In beiden Fällen müssen Sie die Wartezeit von 35 Jahren erfüllen und einen Antrag stellen.
Was zählt zur Wartezeit von 35 Jahren?
Neben Pflichtbeitragszeiten werden auch bestimmte anrechnungsfähige Zeiten berücksichtigt, z. B. Kinderberücksichtigungszeiten (bis zu zehn Jahre pro Kind), Zeiten des Bezugs von Bürgergeld sowie Zeiten, in denen Sie bereits eine EM-Rente erhalten haben. Maßgeblich ist stets der individuelle Versicherungsverlauf.
Bleibt meine Rente bei der Umwandlung mindestens gleich hoch?
Ja. Der Bestandsschutz stellt sicher, dass Ihre späteren Altersrentenansprüche mindestens auf Basis Ihrer bisherigen persönlichen Entgeltpunkte berechnet werden. In der Praxis fällt die Altersrente daher in der Regel nicht niedriger aus als die zuvor gezahlte EM-Rente.
Was passiert, wenn ich derzeit nur eine teilweise EM-Rente erhalte?
Beim Wechsel in die Altersrente wird so gerechnet, als stünde Ihnen die volle EM-Rente zu. Die Altersrente liegt dann typischerweise etwa doppelt so hoch wie die vorherige teilweise EM-Rente.
Gilt der Bestandsschutz immer?
Der Bestandsschutz greift grundsätzlich, wenn zwischen dem Ende der EM-Rente und dem Beginn der Altersrente höchstens 24 Kalendermonate liegen. Halten Sie diesen zeitlichen Zusammenhang ein, bleibt die Rentenhöhe geschützt.
Entstehen zusätzliche Abschläge, wenn ich vorzeitig in die Altersrente wechsle?
Nein. Beim Übergang aus einer EM-Rente in die Altersrente fallen keine zusätzlichen Abschläge an – unabhängig davon, ob Sie mit 62 (bei Schwerbehinderung), 63 oder erst mit 67 wechseln. Bestehende Abschläge aus der EM-Rente werden jedoch unverändert übernommen.
Wie hoch sind die Abschläge bei der EM-Rente und wirken sie lebenslang?
Eine EM-Rente ist erst ab einem bestimmten Alter abschlagsfrei; wer sie vorher erhält, hat 0,3 % Abschlag je Monat, maximal 10,8 %. Dieser Abschlag wird beim Wechsel in die Altersrente lebenslang fortgeführt.
Lohnt sich ein frühzeitiger Wechsel in die Altersrente?
Häufig ja. Bei teilweiser EM-Rente steigt die Leistung im Übergang in die Altersrente in der Regel deutlich. Bei befristeter voller EM-Rente entfällt das Risiko der Nicht-Verlängerung. Außerdem sichern Sie Ihre bisherige Rentenhöhe über den Bestandsschutz ab.
Darf ich neben der Altersrente unbegrenzt hinzuverdienen?
Ja. In der Altersrente sind Erwerbstätigkeit und Hinzuverdienst unbegrenzt möglich, ohne dass die Rente gekürzt oder gestrichen wird. In der vollen EM-Rente gelten dagegen enge Grenzen; zu hohe Arbeitszeiten oder Einkommen können dort rentenschädlich sein.
Welche Unterlagen benötige ich für den vorzeitigen Wechsel?
Üblich sind der Antrag auf Altersrente, ein aktueller Versicherungsverlauf, Nachweise zu Kinderberücksichtigungszeiten, Bescheide über Leistungsbezüge (z. B. Bürgergeld), ggf. der Schwerbehindertenausweis sowie Identitätsnachweise. Prüfen Sie vorab, ob Ihr Versicherungsverlauf lückenlos ist.
Wann sollte ich den Antrag auf vorzeitige Altersrente stellen?
Reichen Sie den Antrag frühzeitig ein, damit der Rentenbeginn zum gewünschten Monat sichergestellt ist. Maßgeblich ist der Monat nach dem relevanten Geburtstag (62 bei Schwerbehinderung, 63 ohne Schwerbehinderung) und das Erfüllen der 35-jährigen Wartezeit.
Wird der Rentenbeginn automatisch auf den Monatsersten festgelegt?
Renten beginnen grundsätzlich zu Monatsanfang, sobald alle Voraussetzungen erfüllt sind. Bei automatischer Umwandlung zum regulären Rentenalter verläuft der Übergang nahtlos; beim vorzeitigen Wechsel steuert der Antrag den Beginn.
Muss ich mit finanziellen Nachteilen rechnen, wenn ich früher wechsle?
Zusätzliche Abschläge entstehen nicht. Sie übernehmen die bereits bestehenden Abschläge aus der EM-Rente. Finanziell kann sich der frühere Wechsel insbesondere bei teilweiser EM-Rente oder befristeter voller EM-Rente positiv auswirken.
Ändert sich meine Kranken- und Pflegeversicherung?
In der Regel bleiben Sie als Rentnerin oder Rentner in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner (KVdR/PVdR), wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Prüfen Sie Ihren Status und ggf. freiwillige oder private Absicherungen, damit der Übergang unterbrechungsfrei bleibt.
Hat der Wechsel Auswirkungen auf die Steuer?
Renten unterliegen dem nachgelagerten Besteuerungsprinzip. Ob und in welcher Höhe Steuer entsteht, hängt vom individuellen Rentenanteil, weiteren Einnahmen und Freibeträgen ab. Eine Steuerberatung kann sinnvoll sein, insbesondere beim Hinzuverdienst.
Was ist, wenn mir Zeiten im Versicherungsverlauf fehlen?
Fehlende oder unklare Zeiten sollten Sie vor dem Wechsel klären. Reichen Sie Belege nach (z. B. Geburtsurkunden der Kinder, Leistungsbescheide, Arbeitsverträge). Ein vollständiger Verlauf kann die Rentenhöhe spürbar beeinflussen.
Wie weise ich eine Schwerbehinderung nach?
Als Nachweis dient der Schwerbehindertenausweis oder der entsprechende Feststellungsbescheid. Achten Sie darauf, dass der Grad der Behinderung und ggf. Merkzeichen korrekt erfasst sind und zum geplanten Rentenbeginn vorliegen.
Was gilt bei Wohnsitz im Ausland?
Auch bei Wohnsitz im Ausland kann die Umwandlung erfolgen. Informieren Sie die Rentenversicherung rechtzeitig über Adresse, Bankverbindung und Steuerstatus im Ausland, um Verzögerungen zu vermeiden. Prüfen Sie außerdem Krankenversicherungsschutz und eventuelle Quellensteuern.
Bekomme ich eine gesonderte Rentenauskunft zum Wechsel?
Ja. Nach der Umstellung bzw. nach Bewilligung der vorzeitigen Altersrente erhalten Sie einen neuen Rentenbescheid. Prüfen Sie insbesondere die übernommenen Abschläge, die Entgeltpunkte und die Bestandsschutz-Regel.
Was ist, wenn ich weiterarbeiten möchte oder einen Minijob habe?
In der Altersrente ist weiterarbeiten – auch über Minijobs hinaus – möglich, ohne Rentenkürzung. Prüfen Sie mit Ihrem Arbeitgeber, ob Sie weiterhin Beiträge zahlen möchten; zusätzliche Beiträge können Ihren Rentenanspruch in bestimmten Konstellationen verbessern.
Gilt die 24-Monats-Frist auch, wenn ich lange pausiert habe?
Für den vollen Bestandsschutz sollte der Abstand zwischen EM-Rentenende und Altersrentenbeginn nicht mehr als 24 Monate betragen. Planen Sie den Wechsel so, dass diese Frist eingehalten wird, um Ihre bisherige Rentenhöhe zu sichern.
Was, wenn meine EM-Rente befristet ist und bald ausläuft?
Ein frühzeitiger Wechsel in die Altersrente kann Unsicherheiten vermeiden. Mit Beginn der Altersrente entfällt die Pflicht zur Verlängerungsprüfung, und die bis dahin erreichte Rentenhöhe wird durch den Bestandsschutz stabilisiert.
An wen wende ich mich bei individuellen Fragen?
Erste Anlaufstelle ist die Deutsche Rentenversicherung (Auskunfts- und Beratungsstellen). Darüber hinaus unterstützen Sozial- und Rentenberatungen sowie anerkannte Rentenberaterinnen und -berater bei der Prüfung von Unterlagen, Anträgen und Bescheiden.
Fazit: Planung schafft Sicherheit – der Bestandsschutz sorgt für Stabilität
Der Übergang von der Erwerbsminderungsrente in die Altersrente ist klar geregelt und bringt in der Regel keine negativen Überraschungen. Dank Bestandsschutz fällt die Altersrente mindestens so hoch aus wie die bisherige EM-Rente; bei teilweiser Erwerbsminderung erhöht sich der Zahlbetrag deutlich.
Zusätzliche Abschläge wegen eines vorzeitigen Wechsels entstehen nicht, die bereits bestehenden Abschläge bleiben jedoch lebenslang bestehen. Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann mit einem frühzeitigen Antrag finanzielle Vorteile sichern, die Verlängerungsproblematik befristeter EM-Renten hinter sich lassen und beim Arbeiten wieder flexibel hinzuverdienen.
Eine sorgfältige Prüfung der eigenen rentenrechtlichen Zeiten und eine frühzeitige Antragstellung sind die besten Voraussetzungen für einen nahtlosen und verlässlichen Übergang.




