Krankengeld trotz Kündigung: Krankenkassen reagieren knallhart

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Wer während eines laufenden Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig wird und krankgeschrieben ist, kann Krankengeld auch dann weiter erhalten, wenn der Vertrag endet – etwa durch Kündigung oder Befristungsablauf. Entscheidend ist, dass die Arbeitsunfähigkeit ohne anspruchsschädliche Unterbrechung fortbesteht.

Der Gesetzgeber hat dafür eine klare Nahtlosigkeitsregel verankert: Wird die Folgebescheinigung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt, bleibt der Anspruch bestehen; der Samstag gilt hierbei nicht als Werktag.

Diese Regel schützt insbesondere in kritischen Konstellationen wie Jahreswechsel, Feiertagen oder Praxisschließungen und verhindert, dass ein formaler Terminsprung zum Verlust der Leistung führt.

Fortbestehen der Mitgliedschaft nach Vertragsende

Endet das Beschäftigungsverhältnis, bleibt die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, solange ein Anspruch auf Krankengeld besteht.

Damit wirkt das Krankengeld „mitgliedschaftserhaltend“, auch wenn kein Arbeitsentgelt mehr fließt. Für Betroffene bedeutet das, dass der Krankenversicherungsschutz nicht abreißt, obwohl das Arbeitsverhältnis beendet ist. Diese Brücke ist juristisch in § 192 SGB V abgesichert und verhindert eine versicherungsrechtliche Lücke zwischen Jobende und Genesung.

Anspruchsdauer: Blockfrist und 78-Wochen-Grenze

Die Dauer des Krankengeldanspruchs richtet sich nach der Blockfrist-Systematik. Ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit läuft eine dreijährige Blockfrist, innerhalb der maximal 78 Wochen Krankengeld möglich sind. Zeiten der Entgeltfortzahlung werden dabei mitgezählt, sodass die tatsächliche Zahlzeit des Krankengeldes kürzer ausfallen kann.

Tritt während derselben Erkrankungsphase eine weitere Krankheit hinzu, verlängert das den Höchstzeitraum nicht; für eine neue Blockfrist braucht es einen hinreichend neuen Krankheits-Tatbestand mit den gesetzlichen Voraussetzungen.

Bemessung nach der letzten Entgeltabrechnung

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestimmt § 47 SGB V die Höhe: Krankengeld beträgt 70 Prozent des regelmäßigen Brutto-Arbeitsentgelts, jedoch gedeckelt auf 90 Prozent des Netto. Maßgeblich ist grundsätzlich der letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechnete Entgeltabrechnungszeitraum beim selben Arbeitgeber, mindestens vier Wochen.

Einmalzahlungen, die in den letzten zwölf Monaten der Beitragspflicht unterlagen, werden anteilig mit einem 1/360-Zuschlag berücksichtigt. In der Praxis führt häufig die 90-Prozent-Netto-Deckelung, nicht die 70-Prozent-Brutto-Regel, zur maßgeblichen Höhe.

Beispielhaft: Wer vor Krankschreibung 3.000 Euro brutto und rund 2.100 Euro netto im Monat hatte, landet rechnerisch bei 2.100 Euro nach der 70-Prozent-Regel, aber die 90-Prozent-Netto-Grenze zieht bei 1.890 Euro.

Die Kasse rechnet auf einen kalendertäglichen Betrag um und zieht die gesetzlich vorgesehenen Sozialversicherungsanteile ab.

ALG I und Krankengeld: Übergang ohne Bruch

Wer nach Vertragsende bereits Arbeitslosengeld bezieht und währenddessen krank wird, erhält bis zu sechs Wochen weiter ALG I als Leistungsfortzahlung. Ab der siebten Woche geht die Zahlung auf Krankengeld über; die Höhe entspricht dem zuvor bewilligten ALG-Betrag. Damit wird ein nahtloser Wechsel vom Leistungsträger Agentur für Arbeit zur Krankenkasse sichergestellt, ohne dass Betroffene zwischenzeitlich ohne Geld dastehen.

Meldepflichten gegenüber der Agentur für Arbeit

Trotz Krankschreibung gelten die Fristen für die Arbeitssuchend- und Arbeitslosmeldung. Spätestens drei Monate vor dem bekannten Vertragsende ist die Arbeitssuchendmeldung vorgeschrieben; liegen zwischen Kenntnis und Ende weniger als drei Monate, bleibt die Drei-Tage-Frist. Zusätzlich sollte die Arbeitslosmeldung spätestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit erfolgen – elektronisch oder persönlich.

Wer diese Pflichten versäumt, riskiert Sperrzeiten beim ALG, was wiederum den Beginn oder die Fortzahlung anderer Leistungen stören kann.

Typische Fallstricke bei AU-Folgebescheinigungen

Der häufigste Stolperstein sind Lücken in der Krankschreibung. Rechtlich genügt es, wenn Versicherte am letzten möglichen Tag alles Zumutbare unternehmen, um die Folgebescheinigung zu erhalten. Verweigert eine Praxis trotz persönlicher Vorsprache die ärztliche Feststellung und kommt es deshalb zu einer Verzögerung, darf die Krankenkasse den Anspruch nicht automatisch kappen.

Das Bundessozialgericht hat hierzu Leitlinien gesetzt: Rechtzeitig persönlich in der Praxis erscheinen reicht, auch wenn der Termin erst zwei Tage später zustande kommt, solange die Verzögerung nicht im Verantwortungsbereich der Versicherten liegt.

Seit 2021 trifft die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der AU allein die Arztpraxis; geht die eAU verspätet bei der Kasse ein, fällt das nicht zulasten der Betroffenen. Umgekehrt retten bloß rückdatierte Atteste eine echte Lücke regelmäßig nicht.

Tabelle: Häufige Konstellationen und unmittelbare Folgen

Konstellation Konsequenz
Beschäftigung endet während bestehender AU; Folgebescheinigung spätestens am nächsten Werktag Krankengeld läuft weiter; Mitgliedschaft bleibt kraft Krankengeldanspruchs bestehen
Beschäftigung endet; erste AU wird erst am nächsten Werktag nach Ende festgestellt Anspruch bleibt gewahrt; Samstag zählt nicht als Werktag
Bereits ALG I-Bezug; AU tritt ein Bis zu sechs Wochen ALG-Leistungsfortzahlung, danach Krankengeld in Höhe des ALG
Lücke zwischen AU-Bescheinigungen ohne zumutbare Eigenbemühungen Anspruch kann enden; Rückdatierung schützt in der Regel nicht
eAU verspätet durch Praxis übermittelt Kein Ruhen allein wegen Übermittlungsverzuges; Praxis trägt die Meldepflicht

Konkrete Fälle aus der Rechtsprechung

Im Verfahren B 3 KR 11/22 R entschied das Bundessozialgericht, dass eine Versicherte trotz einer zweitägigen Lücke weiter Krankengeld erhält, weil sie am letztmöglichen Tag persönlich in der Praxis war und die Verzögerung nicht zu vertreten hatte. Das Gericht stärkte damit die Nahtlosigkeitsregel im Alltag, gerade wenn Wartezimmer voll sind oder die Praxis organisatorisch überlastet ist.

Mit Urteil B 3 KR 23/22 R stellte das Bundessozialgericht klar, dass die eAU-Übermittlungspflicht seit 2021 vollständig bei den Arztpraxen liegt.

Verspätete technische Meldungen dürfen den Anspruch nicht zum Ruhen bringen, sofern die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde und die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Das schützt Versicherte gegen digitale oder organisatorische Pannen, die sie nicht beherrschen können.

Landessozialgerichte betonen zugleich, dass rückwirkende Korrekturen eine echte Lücke meist nicht heilen.

Im Verfahren L 8 KR 351/20 (Hessisches LSG) blieb die Kasse mit der Einstellung des Krankengeldes erfolgreich, weil die Folgefeststellung nicht fristgerecht erfolgte und erst nachträglich „glattgezogen“ werden sollte. Für die Praxis bedeutet das: rechtzeitig handeln, den letzten AU-Tag im Blick behalten und bei Problemen das konkrete Vorsprechen dokumentieren.