Bürgergeld: Zu wenig Warmwasser verbraucht – Keine Mietkosten vom Jobcenter

Lesedauer 3 Minuten

Bürgergeld: Keine Miet- und Warmwasserkosten vom Jobcenter bei sehr geringen Verbrauchswerten für Strom, Gas und Wasser – Wegweisende Entscheidung

Unterdurchschnittliche Verbrauchswerte für Wasser, Heizung und Strom rechtfertigen nicht die Nichtzahlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung sowie Warmwassererzeugung des Jobcenters bei Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz ( § 20 SGB X ).

Sehr geringe Verbrauchswerte für Wasser, Heizung und Strom können darauf hindeuten, dass der Bürgergeld Empfänger seine Wohnung nicht tatsächlich genutzt hat. Das gibt aktuell das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az. L 3 AS 165/24 B ER, (rechtskräftig) in einem unveröffentlichtem Beschluss zum Bürgergeld bekannt.

Jobcenter sind verpflichtet Ermittlungen durchzuführen

Will das Jobcenter Leistungen zur Sicherung des elementaren Lebensbedarfs verweigern, muss es die insoweit hierfür notwendigen Ermittlungen auf der Grundlage des Amtsermittlungsgrundsatzes nach Maßgabe der §§ 20 ff. SGB X durchführen.

Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ( §§ 7,9 SGB 2 ) als Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Bürgergeld muss das Jobcenter auf die gegenwärtige tatsächliche Situation des Antragstellers abstellen, sodass Umstände aus der Vergangenheit nur insoweit herangezogen werden dürfen, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage ermöglichen.

Kurzbegründung des Gerichts

Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums gewährte das Jobcenter dem Antragsteller weiter Leistungen bis August 2024, allerdings ohne Berücksichtigung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung sowie Warmwassererzeugung. Es sei davon auszugehen, so das Jobcenter, dass sich der Antragsteller in der angemieteten Wohnung nicht aufhalte.

Unterdurchschnittlicher Verbrauch von Gas,Wasser und Strom rechtfertigt nach Ansicht des Jobcenters die Annahme, dass sich der Antragsteller – nicht in der Wohnung aufhält

Denn er habe nachgewiesenermaßen im Zeitraum November 2022 bis Oktober 2023 lediglich 40 kWh Strom und auch Gas und Wasser deutlich unterdurchschnittlich verbraucht.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Verpflichtung des Jobcenters zur Gewährung der Mietkosten sowie der Kosten für die Warmwassererzeugung abgelehnt.

Die Beschwerde des Antragstellers beim LSG Rheinland-Pfalz hatte Erfolg

1. Allein der unterdurchschnittliche Strom-,Gas- und Wasserverbrauch des Antragstellers in den Jahren 2022 und 2023 lässt keinen Rückschluss zu, ob und in welchem zeitlichen Umfang sich der Antragsteller im August 2024 in seiner angemieteten Wohnung aufgehalten hat.

Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz

2. Will das Jobcenter die Leistungen nach dem Bürgergeld verweigern, muss es die hierfür notwendigen Ermittlungen auf der Grundlage des Amtsermittlungsgrundsatzes nach Maßgabe der §§ 20 ff. SGB X durchführen.

3. Das Jobcenter muss bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers – auf die gegenwärtige tatsächliche Situation des Antragstellers abstellen, sodass Umstände aus der Vergangenheit nur insoweit herangezogen werden dürfen, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage ermöglichen.

Ist Ihr Bürgergeld-Bescheid korrekt?

Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.

Bescheid prüfen

Anmerkung vom Verfasser

1. Diese Entscheidung höchstrichterlicher Art ist zu begrüßen, denn immer wieder wird Leistungsempfängern bei – Unterdurchschnittlichem Verbrauch von Gas, Wasser und Strom – unterstellt, dass sie sich nicht in ihrer Wohnung aufhalten.

In den meisten Fällen zahlt das Jobcenter denn Rechtswidrig – keine Unterkunftskosten und Kosten für Heizung und Warmwasserversorgung mehr.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt aber:

Die örtliche Zuständigkeit eines Leistungsträgers nach § 36 Abs. 1 SGB II ist – keine materielle Anspruchsvoraussetzung ( vgl. BSG, Urteil vom 23.5.2012 – B 14 AS 133/11 R – ).

In der Regel wird der gewöhnliche Aufenthalt durch den Besitz einer Wohnung begründet, wenn diese länger als nur vorübergehend als Mittelpunkt der Lebensführung genutzt wird.

Entscheidend ist, dass an einem bestimmten Ort der tatsächliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse festzustellen ist. Dabei sind die tatsächlichen Umstände maßgebend, ergänzend kommt es auf den Willen der Person an.

Grundsätzlich gilt beim Bezug von Bürgergeld

Kosten der Unterkunft sind nur dann zu übernehmen, wenn die Wohnung auch tatsächlich genutzt wird (vgl BSG vom 23.5.2012 – B 14 AS 133/11 R -).

Eine Person, welche Bürgergeld bezieht, ist jedoch nicht verpflichtet, sich dauerhaft in ihrer Wohnung aufzuhalten beziehungsweise ständig dort zu übernachten.

Selbst wenn nachgewiesen wäre, dass sich die Person zwar überwiegend an mehreren verschiedenen Orten (und nicht nur etwa bei einer Person an einem anderen Ort) aufhielte, wäre dadurch noch nicht die fehlende tatsächliche Nutzung der Wohnung nachgewiesen.

Praxistipp vom Experten für Sozialrecht Detlef Brock

1. Bezieher von Bürgergeld sind nicht verpflichtet, sich dauerhaft in ihrer Wohnung aufzuhalten bzw. nächtigen, so entschieden vom LSG BB, Beschluss v. 17.06.2024 – L 20 AS 364/24 B ER – ).

2. Fehlende Nutzung der Wohnung muss vom Jobcenter nachgewiesen werden, denn Geringe Verbrauchswerte bei Heizung, Strom und Wasser sprechen nicht gegen die Nicht-Nutzung einer Wohnung ( SG Frankfurt (Oder),Beschluss v. 26.06.2024 – S 14 AS 214/24 ER – ).

3. Keine fehlende Nutzung der Mietwohnung, wenn der Hilfebedürftige einen sparsamen Wasserbrauch vor Gericht auch mittels Zeugen und eidesstattlicher Versicherung glaubhaft machen kann ( aktuell LSG NRW, L 21 AS 537/25 B ER ).