Anspruch auf Krankengeld auch bei verspätet abgeschickter Bescheinigung

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Die Verantwortung für die Übermittlung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse liegt für gesetzlich Versicherte bereits seit Anfang 2021 allein bei den Ärzten.

Ein fehlender oder verspäteter Eingang bei der Kasse kann den Versicherten auch dann nicht angelastet werden, wenn am Tag der Bescheinigung die technischen Möglichkeiten zur digitalen Übermittlung in der jeweiligen Vertragsarztpraxis nicht oder noch nicht vorhanden waren, entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in einem aktuell veröffentlichten Urteil (Az.: L 14 KR 273/22). Die Potsdamer Richter sicherten damit den nahtlosen Anspruch auf Krankengeld einer Angestellten aus Berlin.

AU vollständig digital

Ab Anfang 2023 soll das Verfahren der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vollständig digital abgewickelt werden. Die „elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ (eAU) läuft aber noch nicht überall reibungslos. Praxen nutzen ersatzweise weiterhin die Papierform, so dass das Berliner Urteil seine Bedeutung noch nicht verloren hat.

Erkrankte Arbeitnehmer müssen sich aber weiterhin bei ihrem Arbeitgeber melden. Ab Anfang 2023 genügt eine telefonische Meldung.

Der Rechtsstreit datiert bereits auf Anfang 2021. Wegen Bewegungsproblemen im rechten Schultergelenk war die Klägerin seit dem 8. Dezember 2020 krankgeschrieben. Nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums erhielt sie Krankengeld. Ihre letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lief am 30. Januar 2021 ab.

Bereits am 27. Januar 2021 suchte sie ihren Arzt auf und erhielt eine Folgebescheinigung. Wann sie diese zur Post brachte, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls ging sie erst am 10. Januar 2021 bei der Krankenkasse ein.

Für den Zeitraum zwischen dem Ende der alten und dem Eingang der neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, also vom 31. Dezember 2020 bis zum 9. Januar 2021, stellte die Krankenkasse die Krankengeldzahlung ein.

LSG Potsdam: Verantwortung für Übermittlung seit 2021 bei den Ärzten

Wie das LSG nun entschied, hat die Klägerin Anspruch auf Krankengeld. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ließ es aber die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.

Zur Begründung verwiesen die Potsdamer Richter auf eine Regelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) von 2019. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Die Regelung stellt klar, dass ab dem 1. Januar 2021 die Pflicht zur Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsdaten (…) den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Einrichtungen obliegt.“

Damit habe der Gesetzgeber den Versicherten auch die Risiken eines verspäteten Eingangs der Meldung abnehmen wollen, so das LSG. Würde der Krankengeldanspruch dennoch von technischen Voraussetzungen und einer rechtzeitigen digitalen Meldung abhängig gemacht, würden die Versicherten „mit einem Risiko von Organisationsmängeln belastet, das nach der Struktur des Krankengeldrechts nicht von ihnen zu tragen ist“, heißt es in dem Potsdamer Urteil.

Anhaltende technische Probleme

Wegen anhaltender technischer Probleme hatten Ärzte und Krankenkassen in ihrem „Bundesmantelvertrag“ die digitale Übermittlung aber erst für Anfang 2023 verpflichtend gemacht.

Dies verstoße gegen das Gesetz, betonte nun das LSG Potsdam. Aus der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ergebe sich kein Recht, sich selbst von gesetzlich auferlegten Pflichten zu befreien. Jedenfalls könne dies keinen Einfluss auf die Rechte und Pflichten der Versicherten haben.

Eine „Meldepflicht“ der Versicherten gegenüber der Krankenkasse besteht nach dem Potsdamer Urteil nur noch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Ärzten oder Krankenhäusern ausgestellt wurde, die nicht am vertragsärztlichen System teilnehmen, wie etwa Privatpraxen oder Praxen und Kliniken im Ausland. mwo