Auch bei einer durch den Bürgergeldbezieher grob fahrlässig herbeigeführten Rückforderung des ALG II wegen eines die Freibeträge überschreitenden Vermögens kommt ein Erlass der Forderung nach § 44 SGB II bei atypischen Härtefällen in Betracht (BSG, Urteil B 14 AS 15/17 R).
Mit wegweisendem Urteil gibt das LSG Sachsen Az. L 7 AS 942/19 bekannt, dass kein Rechtsgrundsatz existiert, wonach grob fahrlässiges Herbeiführen der Überzahlung den Erlass der Forderung des Jobcenters (§ 44 SGB 2) ausschließt.
Grob fahrlässigen Verschweigen von freibetragsüberschreitendem Vermögen – Verbot des fiktiven Vermögensverbrauchs
Der 7. Senat des LSG Sachsen weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Rechtsprechung des BSG vom 25.04.2018 unter dem Az.: B 14 AS 15/17 R zu berücksichtigen ist, wonach in den Konstellationen des grob fahrlässigen Verschweigens von freibetragsüberschreitendem Vermögen, welches wegen des Verbots des fiktiven Verbrauchs zu einem erheblichen, das einzusetzende tatsächlich vorhandene Vermögen überschreitenden Rückforderungsbetrag führt, zur Vermeidung atypischer Härtefälle von Gesetzes wegen die vorgesehene besondere Ausgleichsfunktion des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Forderungserlass nach § 44 SGB II zu berücksichtigen ist.
Das Gericht betonte
Das Gericht betont dabei, dass dieser besondere Hinweis des Bundessozialgerichts wäre überflüssig gewesen, käme ein Erlass in Konstellationen der grob fahrlässig herbeigeführten Rückforderung von vornherein nicht in Betracht.
Diese beiden Punkte sind vom Jobcenter in den angegriffenen Bescheiden nicht hinreichend in die originäre verwaltungsbehördliche Ermessensentscheidung eingestellt worden.
Vor diesem Hintergrund wären auf die Berufung des Klägers die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das Jobcenter zur Neubescheidung zu verpflichten.
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Bescheid prüfenDies könnte aber zur Folge haben, dass weitere gerichtliche, die Erlassangelegenheit in die Länge ziehende Streitigkeiten vorprogrammiert sein könnten.
Fazit
Hier haben sich der Kläger und das Jobcenter auf einen Vergleich geeinigt.
Auch bei durch den Bürgergeld Bezieher grob fahrlässig herbeigeführter Rückforderung des ALG 2 wegen freibetragsüberschreitendem Vermögen- kommt ein Erlass der Forderung nach § 44 SGB 2 – bei atypischen Härtefällen in Betracht ( BSG, Urt. 25.04.2018 – B 14 AS 15/17 R – ).
Diese Entscheidung wurde erstritten vom RA Dr. Jens-Torsten Lehmann.
Anmerkung vom Bürgergeld Experten
§ 44 SGB II verpflichtet das Jobcenter zu einer Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen, bei der die persönlichen und wirtschaftlichen Belange des Schuldners mit dem grundsätzlich gegebenen öffentlichen Interesse an der Einziehung von Forderungen der Leistungsträger abzuwägen sind.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der “Unbilligkeit” ragt in den Ermessensbereich hinein und ist im Rahmen einer einheitlichen Ermessensentscheidung zu würdigen ( vgl. dazu LSG München, Urteil v. 14.05.2024 – L 16 AS 536/21 – ).