Besteht wegen der beabsichtigten Zwangsräumung eines psychisch kranken Mieters eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben, muss zum Schutz von Leib oder Leben von der Maßnahme befristet abgesehen werden.
Aber: Bei der Einstellung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme müssen aber auch die Vermögensinteressen des Vermieters berücksichtigt werden, forderte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 3. Januar 2024, veröffentlichten Beschluss (Az.: I ZB 11/23).
So könne das zuständige Gericht den befristeten Verzicht auf die Zwangsräumung von Auflagen abhängig machen, etwa dass der Mieter an der Verbesserung seines Gesundheitszustandes mitwirkt oder dass er Sozialbehörden zur Übernahme der Miete und Mietrückstände bewegt.
Nach Mietrückständen Kündigung der Wohnung
Im konkreten Fall hatte ein behinderter Mieter aus dem Raum Bernau bei Berlin das Haus seiner inzwischen verstorbenen Mutter gemietet. Mit dem neuen Vermieter geriet der 58-Jährige wegen angeblicher Mietmängel in Streit.
Nach einer Mietminderung und aufgelaufenen Mietrückständen kündigte der Vermieter das Mietverhältnis. Der Vermieter strengte ein Zwangsräumungsverfahren an.
Räumungsschutz und Einstellung der Zwangsräumung beantragt
Der Mieter beantragte daraufhin Räumungsschutz und verlangte die Einstellung der Zwangsräumung. Ihm drohe die Obdachlosigkeit. Er verwies auch auf zahlreiche erhebliche gesundheitliche Einschränkungen.
So könne er wegen einer schweren Lungenerkrankung das Haus nur mit Hilfe eines elektrischen Rollstuhls und künstlicher Sauerstoffzufuhr verlassen. Er leide an Depressionen „mit suizidalen Tendenzen“.
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Der vom Landgericht Frankfurt/Oder beauftragte Sachverständige stellte fest, dass der Dauerstreit um die Zwangsräumung zu einer erheblichen konkreten Suizidgefahr geführt habe. Eine psychiatrische Behandlung komme „mangels Therapiemotivation“ nicht in Betracht.
Vermieter sieht Gefahr als Vergeschoben an
Der Vermieter hielt die Suizidgefahr für vorgeschoben. Der Mieter ignoriere seine Pflichten aus dem Mietvertrag, sei gewalttätig, beschädige die Mietsache, zahle nicht und missachte Corona-Schutzmaßnahmen.
Das Landgericht stellte die Räumungsvollstreckung bis zum 7. März 2025 einstweilen ein. Mit der Zwangsräumung seien suizidale Handlungen des psychisch kranken Mieters ernsthaft zu befürchten.
Der Schutz des Lebens des 58-Jährigen habe Vorrang vor dem Vollstreckungsinteresse des Vermieters. Angesichts des anhaltend unveränderten esundheitszustandes und der verweigerten Therapie sei damit zu rechnen, dass dem Mieter bis zu seinem Tod immer wieder Vollstreckungsschutz gewährt werden müsse.
BGH: Auflagen können Vermögensinteresse des Vermieters sichern
Die dagegen beim BGH eingelegte Rechtsbeschwerde des Vermieters hatte Erfolg.
Bestehe wegen der beabsichtigten Zwangsräumung eine erhebliche Suizidgefahr, könne im Einzelfall das Verfahren wegen der Gefahr für Leib oder Leben befristet eingestellt werden. Die Vermögensinteressen des Vermieters müssten aber berücksichtigt werden.
So könnten gerichtliche Auflagen den Mieter zur Mitwirkung gegenüber den Sozialbehörden verpflichten, damit diese die laufende Miete sowie Mietschulden zahlen. Auch sei es dem psychisch Kranken zuzumuten, „auf die Verbesserung seines Gesundheitszustands hinzuwirken“. Hier hätte das Landgericht entsprechende Auflagen prüfen müssen, so der BGH in seinem Beschluss vom 26. Oktober 2023. fle
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