Keine Wohnungsräumung bei erheblichen Gefahren

Lesedauer 2 Minuten

Nur weil eine wegen Eigenbedarfs gekündigte, suizidgefährdete Mieterin eine mögliche Therapie ablehnt, kann dies nicht pauschal eine Wohnungsräumung begründen. Denn ist die psychisch kranke Mieterin so sehr auf den Verbleib in ihrer Wohnung fixiert und krankheitsbedingt nicht in der Lage, eine stationäre Therapie durchzuführen, kann ein Härtefall vorliegen, der die Fortsetzung des Mietverhältnisses begründet, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 23. November 2022, veröffentlichten Urteil (Az.: VIII ZR 390/21).

Psychisch erkrankte Mieterin wurde gekündigt

Im Streitfall ging es um eine heute 80-jährige, psychisch kranke Mieterin aus Köln. Seit dem 15. Juli 1977 lebt sie im dritten Obergeschoss ihrer gemieteten Zwei-Zimmer-Wohnung. Die Gesamtmiete beträgt monatlich 388,58 Euro.

Ihr auf demselben Stockwerk lebender Vermieter kündigte zum 31. Dezember 2017 das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Er wolle die Mietwohnung mit seiner verbinden. So habe sein 75-jähriger Lebenspartner einen unmittelbaren treppenlosen Zugang zum Aufzug. Dieser leide an orthopädischen Problemen.

Keine Wohnungsräumung bei erheblicher Suizidgefahr

Die psychisch kranke Mieterin widersprach der Eigenbedarfskündigung und machte Härtegründe geltend. Sie sei seit Jahren an einer schweren Depression bis hin zu Suizidideen erkrankt. Ein Auszug würde ihre gesundheitliche Situation erheblich verschlimmern.

Der Vermieter bot ihr eine Ersatzwohnung an, was die Frau jedoch ablehnte.

Mit seiner Klage verlangte er die Räumung der vermieteten Wohnung, hilfsweise die Fortsetzung des Mietverhältnisses befristet für ein Jahr unter Neufestsetzung der Kaltmiete von nicht unter 655 Euro.

BGH: Härtefall kann auch bei abgelehnter Therapie vorliegen

Doch sowohl das Landgericht Köln als nun auch der BGH entschieden, dass die psychisch kranke Mieterin aus Härtefallgründen die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann. Müsse die Mieterin die Wohnung räumen, bestehe laut Gutachten eine erhebliche Suizidgefahr, so der BGH in seinem Urteil vom 26. Oktober 2022.

Zwar könnten Mieter eine Eigenbedarfskündigung nicht mit einem pauschalen Verweis auf ihr Alter, ihre Gesundheit oder ihre lange Mietdauer aushebeln, so die Karlsruher Richter unter Hinweis auf eine frühere Entscheidung vom 22. Mai 2019 (Az.: VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).

Mieter sind dazu gehalten, ihre Gesundheit zu verbessern

Auch seien Mieter gehalten, ihren Gesundheitszustand mit einer Therapie zu verbessern. Doch auch wenn die Mieterin eine stationäre Therapie zur Verbesserung ihres psychischen Zustands ablehne, könne dennoch ein Härtefall vorliegen, so der BGH im aktuellen Fall.

Hier sei die Mieterin krankheitsbedingt gar nicht in der Lage, die Wohnung für eine stationäre Therapie zu verlassen. Sie sei auf den Verbleib in der Wohnung krankhaft fixiert. Aus dem gleichen Grund habe sie sich auch nicht auf das Angebot ihres Vermieters einlassen können, eine Alternativwohnung zu beziehen.

Da nach Angaben der Gutachter bei der Mieterin von einer unabsehbar, unvermindert und unbeherrschar fortbestehenden erheblichen Suizidgefährdung auszugehen ist, habe das Landgericht zu Recht die unbefristete Fortsetzung des Mietverhältnisses bestimmt, urteilte der BGH.

Nicht zu beanstanden sei zudem, dass die Nettokaltmiete entsprechend der ortsüblichen Vergleichsmiete auf monatlich 518 Euro festgesetzt wurde. fle

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...