Keine Rückzahlungen von Sozialhilfe bei Überzahlung bei Behördenfehler

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Wer Sozialleistungen bezogen hat, ohne dazu berechtigt zu sein, muss diese der Behörde nicht in jedem Fall erstatten. Vielmehr ist ein behördliches Verschulden von erheblichem Belang dafür, ob eine Rückzahlung erfolgen muss. So urteilte das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (L 9 SO 19/19).

Der Fall

Die Beteiligten stritten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids wegen Zahlungen vom 28. Oktober 2010 bis zum 30. November 2015. Die zuständige Sozialbehörde verlangte von der Klägerin, mehr als 15.000 Euro zu viel gezahlte Sozialhilfe zu erstatten, die sie unrechtmäßig erhalten hätte.

Weiterzahlungen ohne Antrag

Die Klägerin erhielt von der Sozialbehörde ab Juli 2010 monatlich 278,13 Euro mit dem Hinweis, dass nach Ablauf des Bewilligungszeitraums die Leistungen jeweils für einen Monat weiter bewilligt würden, wenn sich die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse nicht geändert hätten.

Im Januar 2011 wurde sie schriftlich darauf hingewiesen, dass die Behörde den Anspruch jährlich überprüfen müsse und forderte einen neuen Antrag. Die Klägerin reagierte nicht.

Die Behörde überwies dennoch weiterhin Zahlungen an die Klägerin. Der Grund dafür war, dass eine zuständige Sachbearbeiterin ein Häkchen falsch gesetzt und so den weiteren Zahlungslauf ausgelöst hatte. Insgesamt wurden der Klägerin so von Oktober 2010 bis November 2015 von der Behörde 14.917,79 Euro ausgezahlt.

Erneute Prüfung

Im Januar 2016 schrieb die Behörde die Klägerin erneut an, da der Träger die Information bekommen hatte, dass sie inzwischen verheiratet und umgezogen sei. Die Behörde setzte der Klägerin eine Frist zur Stellungnahme sowie dazu, einen Nachweis über Einkommens und Vermögen des Ehemanns zu erbringen.

“Zahlungen eingestellt”

Die Klägerin behauptete, die Behörde hätte ihr im Januar 2011 mitgeteilt, dass die Zahlungen eingestellt worden seien. Seit März 2011 hätte sie auch keine mehr erhalten.

Forderung von mehr als 15.000 Euro

Die Behörde forderte eine Erstattung vom 28. Oktober 2010 bis zum 30. November 2015 in Höhe von 15.033,56 EUR. Die Begründung lautete, sie habe seit Oktober 2010 nicht an der angegebenen Adresse gelebt, habe nicht mitgeteilt, dass sie seit April 2011 verheiratet gewesen sei, und sie sei auf ihre Verpflichtung zur Mitteilung hingewiesen worden.

Geld war eingegangen

Die Klägerin behauptete, sie hätte keinen Weitergewährungsantrag gestellt und habe keine Leistungen erhalten. Ein Kontenabrufverfahren ergab jedoch, dass das Konto dauerhaft bestanden hatte und die Zahlungen eingegangen waren.

Klägerin stellte keinen Antrag

Das Landessozialgericht gab der Klägerin in wesentlichen Punkten Recht. So hätte die Behörde im Januar 2011 darauf hingewiesen, dass „die Weitergewährung und Zahlung der Leistung ab dem 01.04.2011 erst nach Eingang des Antrags und aller erforderlichen Unterlagen entschieden werden.“ Die Klägerin hätte sich damals dazu überhaupt nicht geäußert und keinen Forsetzungsantrag gestellt.

Es liegt ein Behördenversehen vor

Die fortlaufenden Zahlungen entstanden, laut Gericht, also nicht wegen zu Unrecht beanspruchter Leistungen oder falscher Angaben in einem Antrag, sondern wegen eines Behördenversehens. Offiziell seien die Leistungen 2011 eingestellt worden.

Behördlicher Fehler ist entscheidend

Die Weiterzahlung der eigentlich eingestellten Leistungen über einen Zeitraum von rund viereinhalb Jahren und die Überzahlung eines zusätzlichen Betrags von knapp 13.500,00 EUR seien, so das Gericht, “wesentlich durch einen behördlichen Fehler mitverursacht worden”.

“Behördliches Verschulden ist von beachtlichem Belang”

Behördliches Verschulden sei bei der Überzahlung von Leistungen grundsätzlich ein beachtlicher Belang.

Lediglich zwischen dem 1. November 2010 und dem 31. März 2011 sei die Klägerin für die rechtswidrige Bewilligungsentscheidung allein verantwortlich gewesen, die geänderten Umstände mitzuteilen und müsste die geleisteten Zahlungen für diese Zeit zurückerstattten, also 1.445,70 EUR.

“Ursache der Überzahlung ist die fehlerhafte Bedienung”

Den überwiegenden Teil der Zahlungen müsste sie jedoch nicht erstatten. Das Gericht differenzierte: “Anders liegen die Dinge hingegen für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. November 2015, in dem die Klägerin zwar wusste, zumindest aber hätte wissen müssen, dass ihr die überwiesenen Beträge nicht zustehen, die Ursache für die Überzahlung aber durch eine fehlerhafte Bedienung der behördeninternen EDV gesetzt worden ist.”