Kein Nahtlos-Arbeitslosengeld bei Ablehnung des Rentenantrags

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Arbeitslose können kein Arbeitslosengeld 1 beanspruchen aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III bei Ablehnung der vollen Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger und sie gegen den Rentenversicherungsträger klagen wollen, denn es fehlt an der subjektiven Verfügbarkeit. (Orientierungssatz Detlef Brock – LSG NRW, Urt. v. 09.11.2023 – L 9 AL 145/22 -).

1. Die Nahtlosigkeitsregelung kann immer dann keine Anwendung finden bei Arbeitslosen, wenn der Rentenversicherungsträger bereits über eine verminderte Erwerbsfähigkeit des Arbeitslosen entschieden hatte und fest gestellt hatte, dass keine verminderte Erwerbsfähigkeit mehr vorläge.

2. Dies gilt vor allem, wenn Arbeitslose gegen die Rentenablehnung klagen wollen.

3. Denn in dieser Situation kann die Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht mehr davon ausgehen, die Arbeitslosen stünden mangels ausreichenden Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung objektiv nicht mehr zur Verfügung ( entgegen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2003 – L 8 AL 4897/02 – ).

4. Wenn die Nahtlosigkeitsregelung – wie hier – nicht anwendbar ist, muss sich der Arbeitslose im Rahmen des objektiven Leistungsvermögens zur Verfügung stellen.

5. Die subjektive Verfügbarkeit ist zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit ist, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen.

An der subjektiven Verfügbarkeit fehlt es, wenn der Arbeitslose trotz entgegenstehender medizinischer Feststellungen und trotz eines Hinweises auf die Folgen darauf beharrt, gar nicht mehr arbeiten zu können (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 30.09.2011 – L 12 AL 4286/10 – ). So Entschieden vom LSG NRW, Urt. v. 09.11.2023 – L 9 AL 145/22 – Revision beim Bundessozialgericht anhängig Az.: BSG – B 11 AL 4/24 R –

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

Das Bundessozialgericht muss hier die sehr schwierige Frage beantworten BSG – B 11 AL 4/24 R

Besteht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld gem § 145 Absatz 1 SGB III auch nach Ablehnung der vollen Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger bis zur Rechtskraft dieser Ablehnungsentscheidung?

Rechtstip: Ganz anderer Auffassung ist hier

Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 145 Rn. 61; in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 12.12.2003 – L 8 AL 4897/02 –

Eine Anspruchsbegründung nach § 145 SGB III sei auch nach Ablehnung der vollen Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger bis zu einer Rechtskraft dieser Entscheidung möglich, wenn der Versicherte – wie hier – gegen die Verneinung der Erwerbsminderung klagt

Wissenswertes zur Nahtlosigkeitsregelung für Arbeitslose § 145 SGB III

LSG BW, Urt. v. 29.01.2024 – L 12 AL 2759/23 –

1. Keine Anwendung der Regelung des § 145 SGB III bei einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden täglich ( vgl. Bayerisches LSG 23.01.2018, L 10 AL 134/15 -)

2. Denn eine Leistungsfortzahlung nach § 145 SGB III ist nur bis zu einer Entscheidung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, ob Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegt, zu gewähren (BSG, Urteil vom 09.09.1999 – B 11 AL 13/99 R – ).

Hinweis: Arbeitslosengeld bei abgelehntem Rentenantrag ( Autorin:Susanne Theobald,DGB Rechtsschutz)

Ist die beantragte Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente abgelehnt und gibt es auch kein Krankengeld mehr, stellt sich die Frage, was nun?

Unter gewissen Voraussetzungen zahlt die Agentur für Arbeit auf Antrag Arbeitslosengeld. Betroffene müssen dafür jedoch sowohl subjektiv als auch objektiv verfügbar sein.

Was damit gemeint ist, hat das Sozialgericht Trier entschieden.

Das Urteil wurde damals von Dr. Manfred Hammel aufgearbeitet, hier nun seine Leitsätze. Sozialgericht Trier, Urteil vom 19. Mai 2022 (S 1 AL 9/21):

Kein Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung

Leitsatz Dr. Manfred Hammel:

Ablehnung der Heranziehbarkeit der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III im Fall eines wegen Multimorbidität schwerbehinderten Arbeitnehmers (GdB: 60), der von seinen behandelnde Ärzten zwar fortlaufend arbeitsunfähig geschrieben wurde, dem gegenüber aber sowohl die Agentur für Arbeit als auch der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die Einschätzung vertreten, bei ihm würde keine Erwerbsminderung entsprechend § 43 SGB VI, sondern ein zur Ausübung einer zumindest halb- bis vollschichtigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichendes Leistungsvermögen vorliegen.

Eine objektive Verfügbarkeit für Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur gemäß § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld (§§ 136 ff. SGB III) und hier die Bejahung von Arbeitslosigkeit (§ 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) im Besonderen besteht dann, wenn eine mindestens 15 Wochenstunden umfassende, zumutbare Beschäftigung (§ 140 SGB III) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach den Feststellungen der BA für Arbeit ausgeübt werden kann.

Dieser grundsätzlichen objektiven Verfügbarkeit steht aber entgegen, wenn antragstellerseitig fortlaufend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt und der Arbeitsagentur gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht wird, es bestünde keine Bereitschaft zur Ausübung einer mindestens 15 stündigen Beschäftigung in der Woche sowie zur Rechtfertigung einzig ein Verweis auf eine fehlende Arbeitsfähigkeit und ein Bestehen einer Schwerbehinderung erfolgt.

Hier liegt keine subjektive Verfügbarkeit für Vermittlungsbemühungen der BA für Arbeit vor. Ein solches Verhalten schließt die Anwendbarkeit des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III aus.