Im EU-Ausland geschlossene Ehe ab 16 ist wirksam

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OLG Frankfurt/Main: EU-Recht auf Freizügigkeit würde sonst verletzt

Eine im EU-Ausland geschlossene Ehe mit Minderjährigen ab 16 kann in Deutschland grundsätzlich nicht mehr aufgehoben werden. Eine Aufhebung der Ehe würde sonst das EU-Recht auf Freizügigkeit verletzen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Mittwoch, 4. September 2019, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 5 UF 97/19).

Nach den deutschen Vorschriften ist eine Ehe mit einem unter 16-jährigen Partner generell unwirksam. Die Ehe kann zudem aufgehoben werden, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung zwischen 16 und 18 Jahren alt war. Eine Aufhebung ist nur ausgeschlossen, wenn der zuvor minderjährige Ehegatte, nach seiner Volljährigkeit erklärt, dass er die Ehe weiter fortsetzen will oder die Ehe-Aufhebung eine schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstellen würde.

Im jetzt entschiedenen Fall ging es um ein bulgarisches Ehepaar. Zum Zeitpunkt der 2018 in Bulgarien geschlossenen Ehe war die Frau erst 17 Jahre alt. Seit Sommer 2018 leben sie in Hessen. Bereits im Alter von 15 Jahren hatte sie von ihrem Partner ein Kind bekommen, derzeit erwarten sie ein Zweites.

Die zuständigen deutschen Behörden beantragten, die Ehe aufzuheben. Die Frau sei zum Zeitpunkt ihrer Heirat minderjährig und damit nicht „ehemündig” gewesen.

Sowohl das Amtsgericht als nun auch das OLG wiesen den Antrag zurück. Die Ehe sei nach bulgarischem Recht wirksam geschlossen worden, so das OLG Frankfurt in seinem Beschluss vom 28. Juli 2019. Zwar bestehe in Bulgarien grundsätzlich auch erst ab dem 18. Lebensjahr Ehemündigkeit. Die Ehe ab 16 sei aber ausnahmsweise möglich.

An die nach bulgarischem Recht geschlossene Ehe seien die deutschen Behörden gebunden. Hier würden zum einen auch die deutschen Vorschriften greifen. Danach sei die Aufhebung einer Ehe mit einem ab 16-Jährigen ausgeschlossen, wenn sie aufgrund „außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint”. Dies sei hier der Fall.

Das Paar könne sich darüber hinaus aber auch auf EU-Recht berufen. Denn die Aufhebung der Ehe würde das Paar in ihrem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU sowie ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit und Aufenthalt verletzen.

Die Verletzung der Freizügigkeitsrechte sei auch nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. So habe die zum Zeitpunkt der Heirat minderjährige Frau die Tragweite und Rechtsfolgen der Eheschließung durchaus erfasst. Auch wolle das Paar künftig mit den gemeinsamen Kindern zusammenleben.

Inwieweit dagegen auch das gesetzliche generelle Verbot einer im Ausland rechtmäßig und freiwillig geschlossenen Ehe von Kindern unter 16 Jahren rechtmäßig ist, muss noch das Bundesverfassungsgericht prüfen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte mit Beschluss vom 14. November 2018 den Verfassungsrichtern einen Rechtsstreit um die Eheaufhebung eines syrischen Flüchtlingspaares vorgelegt (Az.: XII ZB 292/16; JurAgentur-Meldung vom 14. Dezember 2018).

Der zum Zeitpunkt der Eheschließung am 10. Februar 2015 21-jährige Mann hatte vor einem syrischen Scharia-Gericht seine 14-jährige Cousine nach syrischem Recht wirksam geheiratet. Als das Paar im August 2015 nach Deutschland floh, wurde die 14-Jährige von ihrem Ehemann getrennt und in einer Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge untergebracht. Das Jugendamt wurde zum Vormund bestellt.

Ihr Ehemann beantragte, die „Überprüfung der Inobhutnahme” und damit ein Ende der Zwangstrennung von seiner Frau. Er sei schließlich mit ihr verheiratet.

Der BGH hielt das generelle deutsche Verbot von Kinderehen für verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht solle daher darüber entscheiden, ob der insbesondere im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie mit dem gesetzlichen generellen Verbot von Kinderehen für Minderjährige unter 16 Jahren verletzt wird. Dabei sei zu prüfen, ob die Anerkennung einer im Ausland geschlossenen Kinderehe nicht vom jeweiligen Einzelfall abhängen müsste. fle/mwo

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