Heiratsschwindel-Urteil: Gründe für Antrag auf Hartz IV sind irrelevant

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Wird eine finanzielle Notlage gezielt herbeigeführt, um einen Anspruch auf Hartz IV zu erhalten, handelt es sich um sogenanntes sozialwidriges Verhalten nach § 34 SGB II und das Jobcenter kann ausgezahlte Leistungen in Ausnahmefällen zurückverlangen. Ist die Hilfebedürftigkeit jedoch nicht mutwillig herbeigeführt worden, besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen.

Frau fiel auf Heiratsschwindler rein – Jobcenter forderte Hartz IV-Geld zurück

Eine Frau hatte mehrere Zahlung an einen Mann in Großbritannien in Gesamthöhe von 24.000 Euro gezahlt. Sie erwarte zwar die Rückzahlung dieses Privatdarlehens, über welches aber kein Vertrag abgeschlossen worden war. Da sie auf das Geld nicht zugreifen und ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten konnte, bewilligte das Jobcenter ihr vorläufige Grundsicherungsleistungen.

Schließlich forderte das Jobcenter die Zahlungen jedoch zurück. Es war der Meinung, dass die Betroffene den Gesamtbetrag absichtlich ins Ausland transferiert habe, um so einen Anspruch auf Sozialleistungen zu erhalten. Dies sei ein grob fahrlässiges sozialwidriges Verhalten, da das Geld für den Bedarf der Betroffenen deren Lebensunterhalt 31 Monate hätte decken können.

Behörden dürfen nicht prüfen, wie Hilfebedürftigkeit entstanden ist

Das Landessozialgericht Stuttgart hat den Bescheid des Jobcenters nun aufgehoben (L 9 AS 98/18). Erstens falle nur absichtliche Herbeiführung der Hilfebdedürftigkeit unter sozialwidriges Verhalten. Dies sei bei einem Betrugsopfer jedoch nicht der Fall. Zweitens stünde es Behörden nicht zu, zu überprüfen, ob die Hilfebedürftigkeit nachvollziehbar, naiv, unbedacht oder moralisch verwerflich entstanden sei.

Lediglich in Ausnahmefällen, in denen offensichtlich sei, dass die Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt wurde, handele es sich um sozialwidriges Verhalten. Dieses müsse jedoch durch einen Verwaltungsakt festgestellt werden, ohne den es keine Handhabe auf Grundlage des § 34 SGB II gebe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bild: motortion / AdobeStock