Landessozialgericht Sachsen: Zusicherung für Umzug bei Reduzierung der Unterkunftskosten
09.06.2012
Die Erfordernis, die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II einzuholen, ist lediglich eine Obliegenheit des Hartz IV Leistungsempfängers, stellt also keine Anspruchsvoraussetzung dar, urteile bereits das Bundessozialgericht. § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II kommt nach der Rechtsprechung des BSG jedoch die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden. Die Regelung dient dem Schutz der Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die in der nur gekürzten Übernahme der tatsächlichen angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Übergangsfrist bestehen. Den ALG II-Leistungsberechtigten steht jedoch auch bei fehlender Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II dem Grunde nach ein Anspruch auf Übernahme der angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu (SächsLSG, a.a.O.; SächsLSG, Beschluss AZ: L 7 AS 985/11 B ER).
Zur Erteilung der Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist der kommunale Träger nach Satz 2 der Vorschrift lediglich verpflichtet, wenn die Kosten der neuen Unterkunft ihrerseits angemessen sind und der Umzug erforderlich ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass auch nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung der Zusicherung besteht. Ein Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde (SächsLSG, Beschluss LSG Baden-Württemberg, Urteil AZ L 2 AS 4587/09, zitiert nach Juris, RdNr. 43; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss AZ: L 29 AS 1196/09 B ER, zitiert nach Juris, RdNr. 29). Hierfür sprechen auch die in der amtlichen Begründung zur Neuregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (BT-Drucks. 16/1410 S. 23) genannten Beispiele eines erforderlichen Umzugs: Umzug zur Eingliederung in Arbeit, aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 12.03.2012, a.a.O.; SG Dortmund, Urteil vom 04.10.2010 – S 31 AS 317/08, zitiert nach Juris, RdNr. 18). Von der Rechtsprechung sind u. a. eine ungünstige Wohnflächenaufteilung bei bevorstehender Geburt eines Kindes, die bevorstehende Geburt eines weiteren Kindes bei Unzumutbarkeit der Wohnungssuche kurz nach der Geburt, eine Summierung unterwertiger Wohnverhältnisse (schlechte sanitäre Verhältnisse und Ofenheizung bei älterem, gesundheitlich angeschlagenen Leistungsbezieher; Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses in einer Wohngemeinschaft) und der Rückbau der bisherigen Wohnung als Gründe für die Erforderlichkeit eines Umzugs angesehen worden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.09.2009 – L 34 AS 1724/08, zitiert nach Juris; SG Dresden, Urteil vom 08.01.2010 – S 23 AS 1952/09, zitiert nach Juris, RdNr. 24). Mehr oder minder nachvollziehbare Gründe unterhalb der Erforderlichkeitsschwelle rechtfertigen jedoch auch geringfügige Mehrkosten nicht (Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 RdNr. 49; z. B. Umzug in eine Wohnung mit Aufzug mit Kleinkind, das noch nicht laufen kann, bei bestehenden Rückenschmerzen der Mutter: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.2009 – L 2 AS 4587/09, zitiert nach Juris, RdNrn. 44 ff).
Hintergrund der Rechtsprechung des BSG zum Sicherheitszuschlag ist, dass bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist. Sie kann folglich nach dieser Rechtsprechung eben gerade auch höher als der Tabellenwert nach § 12 WoGG sein. In Anbetracht dieses Hintergrunds ist es nicht gerechtfertigt, bei Umzügen in eine neue Wohnung den Sicherheitszuschlag nicht zu berücksichtigen. Zudem ist der Satz des BSG, dass "ein ‚Sicherheitszuschlag’ zum jeweiligen Tabellenwert im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraums" erforderlich ist, gerade auch vor dem Hintergrund des vorliegenden Falls, in dem für die bisherige Wohnung höhere Kosten der Unterkunft und Heizung als für die neue Wohnung anfallen, dahingehend auszulegen, dass es auf die Sicherung des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Wohnen ankommt.
In der Rechtsprechung wird der Sicherheitszuschlag zudem auch für Neuanmietungen berücksichtigt (z. B. SG für das Saarland, Urteil vom 12.01.2011, S 12 AS 480/09, zitiert nach Juris, RdNr. 39, SG Landshut, Urteil vom 07.02.2012 – S 10 AS 294/11, zitiert nach Juris, RdNr. 66; SG Kassel, Beschluss vom 23.06.2010 – S 6 AS 144/10 ER, zitiert nach Juris, RdNr. 33). (LSG Sachsen, Beschl. AZ: L 7 AS 425/11 B ER)
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