Schwerbehinderung: So bringt der GdB mehr Netto

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Viele Menschen mit anerkanntem Grad der Behinderung (GdB) zahlen Jahr fรผr Jahr zu viel Steuern โ€“ obwohl ihnen steuerliche Erleichterungen zustehen. Was viele nicht wissen: Wer clever nutzt, was das Steuerrecht bietet, kann sich spรผrbar mehr Netto sichern. Und das ohne groรŸe Bรผrokratie oder langwierige Antrรคge.

Fall 1: GdB 50, Vollzeitjob, Steuerklasse I

Ein alleinstehender Arbeitnehmer mit einem GdB von 50 verdient brutto 3.000 Euro im Monat. Normalerweise liegt seine jรคhrliche Steuerlast (vereinfacht gerechnet) bei rund 4.500 Euro. Mit dem Behinderten-Pauschbetrag von 1.140 Euro sinkt das zu versteuernde Einkommen.

Bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 25 Prozent spart er rund 285 Euro im Jahr โ€“ ganz ohne Belege oder Nachweise. Wird zusรคtzlich das Merkzeichen G anerkannt, steigt die Entlastung weiter: Dann kann auch eine Fahrtkostenpauschale von bis zu 900 Euro geltend gemacht werden โ€“ weitere 225 Euro Steuerersparnis. Insgesamt: rund 500 Euro mehr Netto jรคhrlich.

Fall 2: GdB 80 mit Merkzeichen aG, Steuerklasse III, Ehepartner nicht berufstรคtig

Ein verheirateter Arbeitnehmer mit einem GdB von 80 und dem Merkzeichen โ€žauรŸergewรถhnlich gehbehindertโ€œ (aG) nutzt sowohl den Behinderten-Pauschbetrag (2.120 Euro) als auch die Fahrtkostenpauschale von 4.500 Euro.

Bei einem Bruttoeinkommen von 4.000 Euro monatlich und Steuerklasse III bedeutet das eine Reduktion des zu versteuernden Einkommens um 6.620 Euro. Bei einem Grenzsteuersatz von 30 Prozent ergibt sich daraus eine Steuerersparnis von knapp 2.000 Euro im Jahr.

Diese Summe flieรŸt direkt in das monatliche Netto ein โ€“ ein echter finanzieller Ausgleich.

Fall 3: Rentnerin mit GdB 60, keine weiteren Einkรผnfte

Eine Rentnerin mit einer monatlichen Altersrente von 1.400 Euro und einem GdB von 60 kann den Pauschbetrag von 1.440 Euro ansetzen. Da sie mit ihrer Rente knapp รผber dem steuerpflichtigen Grundfreibetrag liegt, mindert der Pauschbetrag ihre Steuerpflicht spรผrbar โ€“ sie zahlt etwa 100 bis 150 Euro weniger im Jahr.

Nicht viel auf den ersten Blick, aber angesichts steigender Lebenshaltungskosten und begrenzter Rentenerhรถhungen zรคhlt jeder Euro. Noch interessanter: Viele Rentner verzichten gรคnzlich auf die Abgabe einer Steuererklรคrung โ€“ und damit auch auf diese Entlastung.

Fall 4: Teilzeitkraft mit GdB 40, wenig Einkommen

Eine Frau mit 20 Wochenstunden im Verkauf und einem GdB von 40 verdient etwa 1.200 Euro brutto. Der Pauschbetrag von 860 Euro wird zwar steuerlich berรผcksichtigt, doch wegen des geringen Einkommens ist die Steuerersparnis minimal. Bei einem durchschnittlichen Steuersatz von unter 15 Prozent bleiben ihr vielleicht 100 Euro im Jahr.

Wenn zusรคtzliche Aufwendungen (z.โ€ฏB. fรผr Medikamente, Therapien, Hilfsmittel) nachgewiesen werden kรถnnen, kann sich ein Wechsel vom Pauschbetrag zur Einzelabrechnung lohnen โ€“ vorausgesetzt, die Kosten liegen deutlich รผber 860 Euro.

Fall 5: Arbeitslosengeld I und Nebeneinkรผnfte bei GdB 70

Ein Mann mit GdB 70 bezieht nach Jobverlust 1.200 Euro Arbeitslosengeld I, verdient aber monatlich 450 Euro aus einem Minijob dazu. Der Pauschbetrag (1.780 Euro) kann auf die Einkรผnfte aus dem Nebenjob angerechnet werden, sofern eine Einkommensteuererklรคrung abgegeben wird.

Weil ALG I steuerfrei ist, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegt, ergibt sich hier eine gรผnstige Konstellation: Der Pauschbetrag senkt das zu versteuernde Einkommen aus dem Minijob und federt die Progression ab. Effekt: bis zu 150 Euro Steuerersparnis โ€“ ohne Belege.

Pauschbetrรคge sind kein Almosen, sondern Ausgleich

Diese Beispiele zeigen: Der Behinderten-Pauschbetrag ist keine groรŸzรผgige Geste des Staates, sondern ein rechtlich verankerter Nachteilsausgleich. Dennoch nutzen viele ihn nicht. Warum? Ein Hauptgrund ist fehlende Information.

Wer keinen Steuerberater hat oder nicht aktiv danach sucht, erfรคhrt oft nichts von seinem Anspruch. Besonders betroffen: Rentner, Geringverdiener und Menschen mit unregelmรครŸigen Einkommen.

Hinzu kommt: Viele glauben, bei niedrigem Einkommen lohne sich der Aufwand nicht. Doch das Gegenteil ist oft der Fall โ€“ denn der Antrag auf den Pauschbetrag ist vergleichsweise simpel.

Es genรผgt der Eintrag in der Steuererklรคrung. Voraussetzung ist ein gรผltiger Bescheid vom Versorgungsamt oder ein Schwerbehindertenausweis.

Grenzen des Systems: Wer wenig hat, spart wenig

Trotz allem: Die Wirkung des Pauschbetrags ist begrenzt. Wer ohnehin keine Steuern zahlt, bekommt auch keine Erstattung. Wer Bรผrgergeld bezieht, profitiert praktisch gar nicht.

Das wirft grundsรคtzliche Fragen auf: Reicht ein reiner Steuererlass aus, um die realen Mehrkosten von Menschen mit Behinderung auszugleichen? Oder braucht es zielgenauere Instrumente โ€“ etwa direkte Zuschlรคge oder Freibetrรคge auch im Sozialrecht?

Verbesserungsvorschlรคge und Ausblick

Eine automatische Berรผcksichtigung des Pauschbetrags in der Lohnabrechnung wรคre ein erster Schritt. Ebenso sinnvoll: Vereinfachte Verfahren zur Beantragung, etwa รผber Elster mit automatischem Datenabgleich. Auch die Erhรถhung des Pauschbetrags โ€“ insbesondere fรผr Menschen mit GdB zwischen 20 und 50 โ€“ wรคre ein wichtiges Signal.

Langfristig sollten steuerliche Vorteile mit sozialrechtlichen Nachteilsausgleichen verknรผpft werden. Denn wer mit Erwerbsminderung oder chronischer Krankheit lebt, braucht mehr als Steuervergรผnstigungen: Er braucht ein System, das nicht weiter benachteiligt, sondern ausgleicht.