Gläubiger können Schulden nicht beim Jobcenter eintreiben
17.11.2011
Haben Bezieher von Hartz IV Leistungen Schulden, dürfen die Gläubiger das reguläre Arbeitslosengeld II nicht beim Jobcenter pfänden lassen. Das gelte auch dann, wenn Schulden nur teilweise gepfändet werden sollen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einer aktuell veröffentlichten Entscheidung vom 30 Oktober 2011 (Aktenzeichen: VII ZB 7/11).
Hartz IV Betroffenen dürfen nicht ALG II Regelleistungen durch einen Gläubiger gepfändet werden. Auch Teilbeträge dürfen nicht beim Jobcenter eingefordert werden, wie die Richter des Bundesgerichtshof urteilten. Jedem Menschen müsse soviel Geld zur Verfügung stehen, um wenigstens ein Existenzminimum zu sichern. Das gelte auch in den Fällen, bei denen die Schulden durch Straftaten wie zum Beispiel Diebstahl oder Betrug entstanden sind, wie der VII. Zivilsenat klarstellte. Die Richter bekräftigten mit dem Urteil die bisherige Rechtsprechung.
Inkassobüro versuchte direkt beim Jobcenter zu pfänden
Im vorliegenden Fall versuchte ein Inkassobüro säumige Zahlungen durch eine Pfändung des Arbeitslosengeld II direkt beim Jobcenter durchzusetzen. Die Schulden waren durch eine „vorsätzlich begangene Straftat“ entstanden. Das Inkassounternehmen begründete ihr Vorgehen damit, dass nach den Gesetzesregelungen im Rahmen einer Zwangsvollstreckung bei Schuldnern auch Gehaltszahlungen direkt bei Arbeitgeber gepfändet werden können. Daher sollte das Jobcenter dazu verpflichtet werden, an das Inkassobüro monatlich 40 Euro der Hartz IV Zahlungen der Schuldnerin an das Inkassounternehmen direkt zu überweisen. Somit hätte die Betroffene monatlich 40 Euro weniger Hartz IV Zahlungen erhalten.
Menschenwürdiges Existenzminimum für den Lebensunterhalt
Die Richter am BGH untersagten jedoch diese Handhabe. Es gelte das Sozialstaatsgebot, nach dem Sozialleistungsbeziehern ein menschenwürdiges Existenzminimum für den Lebensunterhalt verbleiben müsse. Daher komme auch Teilbetrag zur Pfändung nicht in Frage. Ohne Erfolg war der Einwand der Inkasso-Firma, dass unter diesen Umständen Schuldner immer wieder Straftaten begehen könnten, ohne ein Zwangsvollstreckungsverfahren fürchten zu müssen. Die Richter ließen dieses Argument nicht gelten. Es sei nicht erwiesen, dass das Urteil eie „Freibrief für Straftaten“ sei. Schließlich müssen auch Hartz-IV-Bezieher damit rechnen, strafrechtlich verurteilt zu werden. Zudem können Gläubiger 30 Jahre lang fortlaufend versuchen, die säumigen Zahlungen einzutreiben. (gr)
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