Hartz IV: Nachforderungen Heizkosten

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Hartz IV Urteil: Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die trotz ordnungsgemäßer Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vorauszahlungen entstehen und vom Vermieter geltend gemacht werden, sind grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen.

Das Bundesozialgericht urteilte (AZ: B 4 AS 62/09 R) wie folgt: Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die trotz ordnungsgemäßer Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vorauszahlungen entstehen und vom Vermieter geltend gemacht werden, sind grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen und nicht etwa als Schulden nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen. Die Nachforderung braucht als Teil der Unterkunftskosten nicht extra beantragt zu werden.

Wie das BSG (vgl Urteile vom 2 Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R und vom 16 Mai 2007 – B 7b AS 40/06 R) bereits entschieden hat, gehören diese Kosten, die nach regelmäßiger Übernahme der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen der jeweiligen Monate entstehen, als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat. Da die Beklagte den Klägern im Zeitpunkt des vom Vermieter bestimmten Fälligkeitstermins der Nachforderung (30 April 2007) laufend Leistungen ua für Unterkunft und Heizung bewilligt hatte, begründete die Nachforderung der Betriebs- und Heizkosten eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 SGB X. Eines gesonderten Antrags der Kläger auf Übernahme dieser Kosten bedurfte es nicht, weil der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, welcher der laufenden Bewilligung zu Grunde lag, bereits Kosten für Unterkunft und Heizung umfasste. Mit der Vorlage der Heiz- und Betriebskostennachforderung haben die Kläger die Höhe dieses Bedarfs lediglich weiter konkretisiert.

Der wegen der Nachforderung entstandene Bedarf an tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II wandelt sich nicht dadurch zu Mietschulden iS des § 22 Abs 5 SGB II, dass die Kläger die Nachforderung nicht innerhalb der vom Vermieter gesetzten Frist beglichen haben. Ob tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II oder Schulden iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II vorliegen, ist ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen, einen während einer Hilfebedürftigkeit tatsächlich eingetretenen Bedarf zu decken. Bezieht sich die Nachforderung auf einen während der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf, handelt es sich nicht um Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II.

Anmerkung: Die Nachforderung braucht als Teil der Unterkunftskosten nicht extra beantragt zu werden. Erhält der SGB II-Träger die Rechnung, nach dem der Bewilligungsbescheid erlassen war, muss er die Nachforderung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X übernehmen (LSG Sachsen vom 3 April 2008 – L 3 AS 164/07). Nach Ablauf des Bewilligungsbescheides, in dem die Nachforderung fällig wurde, kann deren Übernahme nach LSG Sachsen vom 3 April 2008 – L 3 AS 164/07 mit einem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X durchgesetzt werden.

Die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung erfolgt in Höhe der "tatsächlichen" Aufwendungen, wenn diese angemessen sind in dem Zeitpunkt, in dem diese anfallen und dies ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung (BSG, Beschluss vom 16 Mai 2007 – B 7b AS 40/06 R Rn. 9).

1. Nebenkostennachforderungen eines Vermieters im Rahmen einer Jahresabrechnung sind Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II, nicht Mietschulden im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. Der entsprechende Bedarf entsteht nicht im Verbrauchszeitraum, sondern erst mit Fälligkeit der Nachforderung.

2. Die Übernahme einer solchen Nachforderung durch den Leistungsträger nach dem SGB II ist im Rahmen des § 44 SGB X auch dann noch möglich, wenn sie erst nach Fälligkeit der Forderung geltend gemacht wird; dem stehen weder § 37 SGB II noch § 60 SGB I entgegen. Insbesondere sind solche Kosten dem Grunde nach von einem Antrag auf laufende Leistungen nach § 37 SGB II umfasst, auch wenn sie der Höhe nach erst nachträglich beziffert werden.

3. Zeitliche Grenzen der rückwirkenden Berücksichtigung solcher Nachforderungen im Rahmen der laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ergeben sich lediglich aus § 44 Abs. 4 SGB X, § 195 BGB und § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB. Eine Differenzierung nach Gründen, weswegen die Forderung erst nach ihrer Fälligkeit geltend gemacht wurde (Verschulden, mangelnde Mitwirkung, Verwirkung), ist – außer nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X bei vorsätzlichen Falschangaben – nicht zulässig. ( Sozialgericht Freiburg S 12 AS 3204/06 01 Feb 2008 rechtskräftig ).

Das Sozialgericht Duisburg hatte mit Beschluss vom 18 September 2007 Az. : S 10 AS 84/07 ER fest gestellt , dass zu den Leistungen für Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB 2 auch die nach dem Ende der Heizperiode fällige Nachzahlung gehört , es handelt sich dabei also nicht um die Übernahme von Schulden .

Bei einer Nebenkostennachforderung , welche während des Bezuges von Arbeitslosengeld II entstanden ist , handelt es sich um laufende Kosten von Unterkunft und Heizung und nicht um Mietschulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II (vgl. LSG Nied.-Bremen, Beschluss vom 14 September 2005, Az.: L 8 AS 125/05 ER und Beschluss vom 19 August 2005, Az.: L 7 AS 182/05 ER ). (31.03.2010, Tacheles Sozialhilfe)