Im Einzelfall ist es Jobcentern gewährt, Kontoauszüge auch für die letzten drei Jahre zur Vorlage verlangen
23.02.2011
In Einzelfällen ist es Hartz IV-Behörden gestattet, rückwirkend die Vorlage von geschwärzten Kontoauszügen zu verlangen. Das urteilte das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 19. Janaur 2011, Aktenzeichen: L 5 AS 452/10 B ER. Das Gericht hatte keine Bedenken, dass die Behörde Kontoauszüge für einen Zeitraum von annähernd drei Jahren anfordert. Das Bundessozialgericht hatte in dem Urteil AZ: B 14 AS 45/07 R (17) festegelegt, dass die Vorlage der Kontoauszüge für die letzten drei Monate zulässig ist. Das gilt, wenn keine Verdachtsmomente gegenüber dem Antragsteller bestehen. Der Umstand, dass die Kontoauszüge für einen sehr viel längeren Zeitraum abgefordert werden, ist durch die vorliegende Fallkonstellation gerechtfertigt.
Konkret zum Fall:
Im September 2009 erhielt der Antragsgegner zufällig Kenntnis vom Tod der – vermeintlichen – Mutter. Im Rahmen eines Weiterbewilligungsantrags gab er dem Antragsteller unter dem 18 November 2009 auf, die "Anlage VM" sowie alle Kontoauszüge ab dem Sterbedatum der Mutter lückenlos vorzulegen, ferner eine Sterbeurkunde sowie Nachweise über eine eventuelle Erbschaft. Er wies auf die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 f. Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) und eine mögliche Leistungsversagung hin. Der Antragsteller legte am 30. November 2009 eine Sterbeurkunde vor. Er gab an, die Verstorbene sei nur seine "Pflegemutter" gewesen; ein Testament existiere nicht. Er sei nicht verpflichtet, weitere Informationen zu erteilen. In der Anlage VM gab er an, kein eigenes Girokonto zu haben.
Daraufhin bewilligte der Antragsgegner von Dezember 2009 bis Mai 2010 Leistungen bis zur endgültigen Klärung noch offener Sachverhalte nur noch vorläufig (Bescheid vom 1. Dezember 2009, Änderungsbescheid vom 11. Januar 2010). Das Amtsgericht M. teilte dem Antragsgegner unter dem 7. Dezember 2009 mit, Vorgänge nach der Erblasserin seien bislang nicht ermittelt worden. Nach Auskunft der Stadtsparkasse M. vom 21. Dezember 2009 sei der Antragsteller Verfügungsberechtigter über das auch nach ihrem Tod unter dem Namen der Verstorbenen ("A. M.") geführte Konto.
Auf zwei nochmalige Anforderungen der vollständigen Kontoauszüge ab 12. November 2007 der verstorbenen A. M. antwortete der Antragsteller unter dem 4. Februar 2010, er kenne keine Person mit dem Namen M. und könne daher keine Auskünfte geben. Nach Richtigstellung des Schreibfehlers seitens des Antragsgegners gab er unter dem 24. Februar 2010 an, hinsichtlich des Girokontos der Verstorbenen müsse er leider auf die gesetzlichen Erben verweisen. Auf weiteres Verlangen des Antragsgegners legte er den ersten Kontoauszug seines neu eröffneten Kontos bei der bank vom 3. Mai 2010 vor (keine Kontobewegungen, Guthaben 0,00 EUR). Auf die abermalige Erinnerung des Antragsgegners u.a. wegen der Vorlage der Kontoauszüge der Stadtsparkasse M. erwiderte der Antragsteller unter dem 26. Mai 2010: Er habe sich bereits umfassend eingelassen, sodass kein weiterer Erklärungsbedarf bestehe. Für weitere Auskünfte sei die Erbengemeinschaft zuständig.
Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheid vom 2. Juni 2010 vorläufig Leistungen vom 1. Juni bis 30. November 2010 i.H.v. 611,50 EUR/Monat. Gleichzeitig forderte er lückenlose und ungeschwärzte Kontoauszüge von dem Konto der Frau M. seit dem 12. November 2007 sowie einen Nachweis, ob das Konto noch bestehe oder aufgelöst worden sei. Der Antragsteller erwiderte unter dem 17. Juni und 15. Juli 2010, für die Auskunft seien die gesetzlichen Erben zuständig, zu denen er nicht gehöre. Wenn dem Amtsgericht keine Erben bekannt seien, müsse der Antragsgegner diese ermitteln.
Der Antragsteller beantragt staatliche Fürsorgeleistungen, die ihm ohne Gegenleistung und nur aufgrund seiner Hilfebedürftigkeit gewährt werden. Der Staat darf sich davor schützen, dass Grundsicherungsleistungen auch an Nichtbedürftige gewährt werden, die über verschwiegene oder nicht offengelegte Mittel verfügen. Diesem Schutzzweck steht in der Aufforderung, die Kontoauszüge ab dem Tod der Pflegemutter vorzulegen, ein vergleichsweise geringer Eingriff gegenüber (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008, a.a.O. (26)). Landessozialgericht Sachsen-Anhalt AZ: L 5 AS 452/10 B ER. Das Urteil ist rechtskräftig. (pm)
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