Bei schwerer Therapie Hartz-IV-Anspruch auf Kosten der Kryokonservierung
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen urteilte, dass Hartz IV Beziehende einen Rechtsanspruch auf รbernahme der Kosten einer Kryokonservierung von Samenzellen haben, wenn durch eine notwendige und schwerwiegende Therapie die Gefahr besteht, dass der Patient in Folge unfruchtbar wird.
Droht einem Hartz IV-Leistungsbezieher die Unfruchtbarkeit in Folge einer Chemotherapie, so hat er Anspruch auf รbernahme der Kosten einer Kryokonservierung von Samenzellen nach dem SGB II (Einfrieren der Samen).
Essen. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) in seinem Urteil (Az. L 7 AS 845/19) entschieden.
Immundefekt erfordert Chemotherapie
Der Klรคger bezieht SGB II-Leistungen. In Folge eines Immundefektes musste er sich einer Chemotherapie unterziehen. Zuvor beauftragte er aufgrund des drohenden Fertilitรคtsverlustes die Kryokonservierung von Spermienzellen. Die Kosten betragen 297,50 Euro pro Jahr. Das beklagte Jobcenter lehnte deren รbernahme ab. Es handele sich um eine Maรnahme, die nicht der Sicherung des Lebensunterhalts, sondern der persรถnlichen Familienplanung diene. Das Sozialgericht Duisburg bestรคtigte dies und lieร die Berufung zu.
Unabweisbarer laufender besonderen Bedarf gemรคร ยง 21 Abs. 6 SGB II
Das LSG hat sich nun der Rechtsauffassung des Klรคgers angeschlossen und die Kosten als unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf gemรคร ยง 21 Abs. 6 SGB II anerkannt. Die Kosten zรคhlten zur Gesundheitspflege, รผberstiegen den hierfรผr im Regelbedarf vorgesehenen Betrag von 180 Euro jรคhrlich deutlich und hรคtten aufgrund eines atypischen Sachverhalts einen atypischen Umfang.
Kryokonservierung ist eine medizinische Erhaltung der Fruchtbarkeit
Die Kryokonservierung sei eine medizinisch zur Erhaltung der Fรคhigkeit, eigene Kinder zu haben, zwingend notwendige, รคrztlich empfohlene und in das Gesamtbehandlungskonzept eingebundene Maรnahme gewesen. In einer derartigen Fallgestaltung sei sie keine Maรnahme, die lediglich die Wรผnsche eines Versicherten fรผr seine individuelle Lebensgestaltung betreffe, sondern handele es sich um einen Bestandteil einer umfassenden Krankenbehandlung und damit einen existenziell notwendigen Bedarf i.S.d. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieser dรผrfe dem Klรคger nicht deshalb verschlossen bleiben, weil er nicht รผber die Mittel zu seiner Finanzierung verfรผge.
Kein Anspruch gegenรผber der Krankenkasse
Ein Anspruch bestehe im รbrigen gegenรผber der Krankenkasse weiterhin nicht. ยง 27a Abs. 4 SGB V sei erst zum 11.05.2019 in Kraft getreten, die Richtlinien hierzu stรผnden noch aus. Der Klรคger kรถnne schlieรlich nicht darauf verwiesen werden, die Aufwendungen aus dem vom anzurechnenden Kindergeld abzusetzenden Freibetrag zu bestreiten.ย Die Revision ist wegen grundsรคtzlicher Bedeutung zugelassen worden.