Gericht verdonnert Sozialamt zur Sozialhilfe trotz vermuteter Bargeldvorräte

Lesedauer 2 Minuten

Sozialleistungsträger dürfen grundsätzlich existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund von bloßen Mutmaßungen verweigern, die sich auf vergangene Umstände stützen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Hilfebedürftigen keine eindeutigen Erkenntnisse ermöglichen ( hier zu Bargeldvorräten ).

Ein Anordnungsgrund im Eilverfahren liegt auch vor, wenn bislang keine Kündigung seitens des Vermieters der Antragsteller ausgesprochen wurde oder sonst eine konkrete Gefährdung der Unterkunft vorliegt ( LSG Baden – Württemberg L 2 SO 889/25 ER-B ).

Kurzbegründung des Gerichts

Eine gesteigerte Nachweisobliegenheit in dem Sinne, dass widerspruchsfreie und lückenlose Nachweise in Form von beweiskräftigen Urkunden bzw. Zeugenaussagen zu erbringen sind, besteht bei einem Hilfebedürftigen, dessen persönliche Glaubwürdigkeit aufgrund besonderer Umstände erschüttert ist. Hier war aber nach Überzeugung des Gerichts die Glaubwürdigkeit der Antragsteller aber gerade nicht erschüttert.

Zu einem anderem Ergebnis führt auch nicht, dass bislang keine Kündigung seitens des Vermieters der Antragsteller ausgesprochen wurde oder sonst eine konkrete Gefährdung der Unterkunft vorliegt. Ein Anordnungsgrund für das Eilverfahren war trotzdem gegeben

Die Behörde verkennt nämlich in diesem Zusammenhang, dass bislang bis zuletzt die Miete von den Antragstellern (aus ihrem Barvermögen bzw. durch die Gewährung eines Darlehens durch eine Bekannte oder seit März 2025 durch die vom Antragsgegner in Umsetzung des Beschlusses des SGs gewährten Leistungen) gezahlt wurde und daher gar nicht abschätzbar ist, wie der Vermieter reagieren würde, wenn die Antragsteller die Miete nicht mehr bzw. nur noch weniger Miete bezahlen würden.

Die vom Sozialhilfeträger zitierte Rechtsprechung, wonach konkrete und glaubhafte Hinweise auf eine ernsthafte Gefährdung des Mietverhältnisses vorliegen müssen, um einen Anordnungsgrund im Sinne des § 86b Abs. 2 SGG zu begründen (vgl. hierzu z.B. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.02.2020 – L 8 AS 366/19 B ER -), erging zu anderen Fallkonstellationen.

Diesen lagen nämlich Fälle zugrunde, in denen bereits (über längere Zeit) keine Miete bezahlt wurde und der jeweilige Vermieter dennoch keine Kündigung aussprach. In solchen Fällen kann dann wohl davon ausgegangen werden, dass auch bei Nichtzahlung der Miete tatsächlich keine unmittelbare Gefahr für den Erhalt der Wohnung besteht.

Wichtiger Hinweis vom Gericht zum Anordnungsgrund

Aber aus diesen Entscheidungen kann nicht abgeleitet werden:

dass einstweiliger Rechtsschutz immer erst dann gewährt werden kann, wenn die Antragsteller zuerst durch die Nichtzahlung der Miete die Reaktion ihres Vermieters hierauf bereits getestet haben.

Das Eingehen des Risikos einer solchen konkreten und zeitnahen Gefährdung der Unterkunft kann von den Antragstellern nicht als Voraussetzung für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verlangt werden.

Fazit

1. Sozialleistungsträger dürfen grundsätzlich existenzsichernde Leistungen (Sozialhilfe) nicht aufgrund von bloßen Mutmaßungen verweigern, die sich auf vergangene Umstände stützen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Hilfebedürftigen keine eindeutigen Erkenntnisse ermöglichen.

2. Einstweiliger Rechtsschutz kann nicht – immer erst dann gewährt werden, wenn die Antragsteller zuerst durch die Nichtzahlung der Miete die Reaktion ihres Vermieters hierauf bereits getestet haben, denn das Eingehen des Risikos einer solchen konkreten und zeitnahen Gefährdung der Unterkunft kann von den Antragstellern nicht als Voraussetzung für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verlangt werden.