Ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) bestätigt, dass die Abzugsfähigkeit von Fahrtkosten von Menschen mit einer Schwerbehinderung zwar erleichtert ist, jedoch durch strenge Regeln der Angemessenheit und Notwendigkeit begrenzt bleibt.
Welche Grundsätze regeln außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht?
Außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) umfassen zwangsläufige Mehraufwendungen, die den Steuerpflichtigen gegenüber anderen Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse benachteiligen.
Solche Aufwendungen müssen notwendig, der Höhe nach angemessen und unvermeidbar sein, um steuerlich berücksichtigt zu werden. Ein typisches Beispiel sind Krankheitskosten oder Aufwendungen für behindertengerechte Umbauten.
Der Fall im Detail: Welche Aufwendungen wurden geltend gemacht?
Im vorliegenden Fall ging es um einen schwerbehinderten Kläger, der aufgrund seiner Gehunfähigkeit auf ein speziell ausgestattetes Fahrzeug angewiesen war. Die Kläger hatten zunächst einen gebrauchten VW-Bus mit einer Hubvorrichtung geleast und später gekauft.
Der Kläger machte geltend, dass sämtliche Kosten für das Fahrzeug, einschließlich Leasingraten, Versicherungen, Kraftstoff, Reparaturen und der Absetzung für Abnutzung (AfA), als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein sollten.
Die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 13.139 km über knapp zehn Jahre war im Vergleich zu üblichen Fahrleistungen sehr gering, was eine zentrale Rolle in der Bewertung spielte.
Wie entschied das Finanzgericht (FG) und welche Argumente führten zur Klageabweisung?
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und argumentierte, dass die Fahrtkosten nur im Rahmen der Angemessenheit als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien. Angemessen seien Aufwendungen für bis zu 15.000 km jährlich, berechnet mit den Kilometerpauschbeträgen der Einkommensteuer-Richtlinien. Der vom Finanzamt angesetzte Kilometersatz sowie zusätzliche AfA für die Hubvorrichtung seien bereits großzügig und ausreichend.
Welche Argumente brachte der Kläger in der Revision vor?
Der Kläger argumentierte, dass die tatsächlich entstandenen Aufwendungen weit unter den hypothetischen Kosten eines Krankenwagentransports lagen, der erforderlich gewesen wäre, hätte er kein eigenes behindertengerechtes Fahrzeug genutzt.
Er verwies zudem darauf, dass die niedrige Jahreskilometerleistung des Fahrzeugs die pauschale Berechnung verzerren würde, was eine höhere Anerkennung der tatsächlichen Kosten rechtfertigen würde.
Entscheidungsgründe des BFH: Warum wurde die Revision zurückgewiesen?
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts mit folgender Begründung:
- Strenge Maßstäbe der Angemessenheit
Steuerliche Regelungen zur Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen sollen weder übermäßig noch pauschal zur Entlastung führen. Der Ansatz von Kilometerpauschbeträgen sei auch bei geringen Fahrleistungen angemessen und fair. - Keine Abweichung von etablierten Grundsätzen
Der Senat hielt daran fest, dass die Beschränkung auf Kilometerpauschbeträge unabhängig von der Jahreskilometerleistung gelte. Dies sei notwendig, um die Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen zu gewährleisten. - Berücksichtigung der Hubvorrichtung
Die Kosten des behindertengerechten Umbaus wurden durch eine zusätzliche AfA für die Hubvorrichtung bereits angemessen berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende Anerkennung sei weder durch den geringen Umfang der Fahrleistung noch durch hypothetische Alternativkosten (z. B. Krankentransporte) gerechtfertigt. - Keine Abweichung für Spezialfälle
Die Möglichkeit höherer Abzüge für außergewöhnliche Belastungen bei Krankentransporten war im Streitfall nicht relevant, da die Nutzung eines privaten, speziell ausgestatteten Fahrzeugs bereits günstiger war.
Welche Auswirkungen hat das Urteil für Steuerpflichtige mit einer Schwerbehinderung?
Dieses Urteil zeigt die Begrenzungen der steuerlichen Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen, insbesondere im Bereich der Mobilitätskosten.
Strikte Anwendung von Pauschbeträgen
Selbst bei erheblich eingeschränkter Nutzung eines behindertengerechten Fahrzeugs werden keine Abweichungen von den Kilometerpauschalen zugelassen.
- Erhöhte Kosten durch Umbauten
Behindertengerechte Umbauten werden nur über die Absetzung für Abnutzung (AfA) berücksichtigt. Ein darüber hinausgehender Kostenansatz wird nicht zugelassen. - Geringe Kilometerleistung
Eine niedrige Jahreskilometerleistung führt nicht automatisch zu einer höheren Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Fazit: Pauschalisierung bleibt bestehen
Das Urteil unterstreicht die Schwierigkeit, individuelle Härtefälle gerecht zu berücksichtigen, ohne den Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung zu verletzen. Für Steuerpflichtige bedeutet dies, dass die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen trotz ihrer Einzelfallabhängigkeit an objektive Maßstäbe gebunden bleibt (Az: III R 105/06).
- Über den Autor
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.