Geplante Bezahlkarte für Bürgergeld-Bezieher provoziert weitere Probleme

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Was sich zunächst wie eine pragmatische Lösung anmutet, entpuppt sich als handfestes Problem: Die Bezahlkarte für Bürgergeld-Bezieher.

Hamburg plant zum Jahreswechsel 2026 eine Bezahlkarte für Bürgergeldbeziehende ohne eigenes Bankkonto. Auslöser ist ein scheinbar technisches Problem: Die Postbank stellt die Einlösung von Barschecks ein, also eines Verfahrens, das bislang als letzte Brücke für Menschen ohne Konto diente.

Was nach pragmatischer Verwaltung klingt, berührt jedoch eine gesellschaftliche Schieflage, die seit Jahren bekannt ist: Der Zugang zum Zahlungsverkehr ist rechtlich zugesichert, scheitert aber für einen Teil der Betroffenen im Alltag.

Das Institut für Finanzdienstleistungen (iff) beschreibt die geplante Bezahlkarte deshalb weniger als “sozialpolitische Innovation”, sondern als Symptom. Die Karte löst die akute Frage, wie Geld ausgezahlt wird, wenn ein altes Auszahlungsinstrument wegfällt. Sie löst nicht die Frage, warum Menschen trotz Anspruch weiterhin kein Konto bekommen.

Das Basiskonto existiert – und bleibt dennoch für viele außer Reichweite

Seit Jahren gilt in Europa und in Deutschland der Grundsatz, dass jede Person ein Konto mit grundlegenden Funktionen erhalten können soll. Die Idee ist schlicht: Wer kein Konto hat, ist bei Miete, Handyvertrag, Lohnzahlung, Online-Diensten oder behördlicher Kommunikation schnell abgehängt. Auf dem Papier ist dieser Ausschluss beendet; in der Praxis bleibt er für bestimmte Gruppen real.

Das iff verweist auf Erfahrungen aus Beratung und Forschung, nach denen die Kontoeröffnung besonders häufig dort scheitert, wo Lebenslagen instabil sind: bei Menschen ohne feste Meldeadresse, bei fehlenden oder unvollständigen Ausweispapieren, in Phasen von Wohnungsnot oder bei Situationen, in denen die Organisation des Alltags bereits überfordert. Hinzu kommt ein Punkt, der in der Debatte oft klein geredet wird, für Betroffene aber entscheidend sein kann: Basiskonten können teuer sein und damit genau jene treffen, die ohnehin mit jedem Euro rechnen müssen.

Die Konsequenz ist paradox: Ein Anspruch, der Teilhabe sichern soll, wird ausgerechnet für Menschen mit den größten Hürden zum theoretischen Versprechen. Genau hier setzt die Kritik des iff an: Statt die Durchsetzung des Anspruchs zu stärken, droht die Politik sich an ein Ersatzsystem zu gewöhnen.

Die Bezahlkarte kann helfen – aber sie ersetzt kein Konto

Eine Bezahlkarte kann kurzfristig verhindern, dass Leistungen ins Leere laufen. Und sie kann, je nach Ausgestaltung, im Alltag vieles ermöglichen: Einkaufen, Bargeld abheben, teils auch Online-Zahlungen. Hamburgs Jobcenter hat gegenüber Medien erklärt, dass die Nutzung für Bürgergeldbeziehende nicht verpflichtend sein soll und dass es zunächst keine Einschränkungen wie bei Geflüchteten geben solle. Das nimmt der Karte einen Teil ihres Konfliktpotenzials, weil Freiwilligkeit die Stigmatisierungsgefahr mindert.

Trotzdem bleibt ein struktureller Unterschied: Ein Konto ist mehr als eine Karte. Wer Miete überweisen muss, Strom per Lastschrift zahlt oder regelmäßige Zahlungen organisiert, benötigt Funktionen, die viele Kartenmodelle nicht oder nur eingeschränkt abbilden. Das iff warnt zudem vor einer Dynamik, die aus anderen Bereichen bekannt ist: Systeme, die anfangs „unauffällig“ starten, lassen sich später mit Regeln versehen, die den Handlungsspielraum verengen. Selbst wenn Hamburg heute Zurückhaltung signalisiert, ist damit noch nicht garantiert, dass Ausgestaltung und Rechte dauerhaft stabil bleiben.

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So entsteht das Risiko einer Parallelwelt im Zahlungsverkehr: Menschen mit vollwertigem Konto auf der einen Seite, Menschen mit einer abgespeckten Alternative auf der anderen. Das ist nicht nur eine technische Frage, sondern eine der Würde und der gleichen gesellschaftlichen Möglichkeiten.

Vom Sonderfall zur Routine: Der Bund zieht nach

Hamburg steht mit der Idee nicht allein. Auch die Bundesagentur für Arbeit plant ab Januar 2026 eine Bezahlkarte für kontolose Bürgergeldbeziehende, weil das Scheckverfahren ausläuft. In einer Mitteilung aus dem Umfeld der Anbieter wird von rund 8.000 Betroffenen bundesweit gesprochen, die bislang über dieses Verfahren versorgt wurden. In Hamburg selbst geht es nach Angaben des Jobcenters um deutlich weniger Menschen; genannt werden etwa 300 Bürgergeldberechtigte ohne Konto, nachdem die Zahl im Sommer noch deutlich höher gelegen habe.

Diese Zahlen zeigen zweierlei. Erstens: Es handelt sich nicht um eine Massenumstellung, sondern um eine kleine Gruppe – für die es allerdings um die Existenzsicherung geht. Zweitens: Gerade weil die Gruppe klein ist, wäre der Moment günstig, die eigentliche Baustelle anzugehen: Kontozugang durchsetzen, Kosten begrenzen, Verfahren vereinfachen und Betroffene bei der Kontoeröffnung konkret unterstützen. Stattdessen droht der Ersatzweg zur bequemen Standardantwort zu werden, weil er kurzfristig Verwaltung entlastet.

Parallel dazu verschiebt sich der rechtliche Rahmen. Fachverbände weisen darauf hin, dass mit dem Wegfall des bisherigen Barauszahlungswegs auch das sozialrechtliche Wahlrecht zur Art der Auszahlung unter Druck gerät und künftig stärker auf Überweisung fokussiert werden soll – mit Ausnahmen nur noch als Härtefall. Wer dann weder Konto noch funktionierende Alternative hat, landet in einer gefährlichen Lücke.

Was politisch daraus folgt

Die Bezahlkarte ist nicht per se das Problem. Problematisch wird sie dort, wo sie als Ersatz für ein ungelöstes Recht behandelt wird. Wenn der Staat akzeptiert, dass ein Teil der Bevölkerung dauerhaft ohne Konto bleibt, verschiebt sich die Verantwortung stillschweigend: Weg von Banken und Aufsicht, hin zu Sozialbehörden, die dann „irgendwie“ Zahlungsfähigkeit organisieren sollen.

Das iff fordert daher, die Karte ausdrücklich als Übergang zu verstehen. Eine Übergangslösung hat einen klaren Auftrag: Sie überbrückt, bis der reguläre Zugang funktioniert.

Dazu gehört, dass Ablehnungen von Konten nachvollziehbar werden, dass Aufsicht greift und dass Betroffene nicht allein gelassen werden, wenn Dokumente fehlen oder Verfahren scheitern. Und falls Karten eingesetzt werden, braucht es verlässliche Mindestanforderungen: keine verdeckten Gebühren, eine Alltagstauglichkeit, die nicht beim Bezahlen im Supermarkt endet, und Regeln, die verhindern, dass aus Verwaltungstechnik schleichend soziale Kontrolle wird.

Hamburgs Vorhaben zeigt, wie schnell ein Zahlungsdetail zur Grundsatzfrage werden kann. Die Antwort darauf entscheidet, ob Teilhabe als gleiches Bürgerrecht ernst genommen wird – oder ob sie in Zukunft von der richtigen Karte abhängt.

Quellen

Institut für Finanzdienstleistungen (iff): „Stellungnahme des iff zur Einführung der Bezahlkarte für Bürgergeldbeziehende“