Erwerbsminderungsrente trotz verweigerten Alkoholentzugs

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LSG Stuttgart: Rentenversicherung muss Mitwirkung einfordern

Die Rentenversicherung kann Menschen erst nach einer Verwarnung zu einer medizinischen Mitwirkung zwingen. Für sich genommen bedeutet die Verweigerung einer Behandlung noch keine absichtliche Herbeiführung einer Erwerbsminderung und ist daher kein Ausschlussgrund für die Zahlung einer Rente, wie das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am 17. Oktober 2020 veröffentlichten Urteil entschied (Az.: L 9 R 1667/18). Danach kann die Rente aber wieder entzogen werden, wenn Versicherte an einer möglichen gesundheitlichen Besserung, hier durch einen Alkoholentzug, nicht mitwirken.

Der heute 27-jährige Kläger ist gelernter Metallarbeiter. Wegen Epilepsie, Alkoholabhängigkeit und der Einnahme auch illegaler Drogen hat er jedoch nie in diesem Beruf gearbeitet. Wegen seines epileptischen Anfallsleidens ist er inzwischen schwerbehindert mit einem Grad von 100.

Seit 2012 steht der Mann unter Betreuung, bereits 2015 hatte der Betreuer einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt. In dem bis heute andauernden Streit wurden unzählige medizinische Gutachten und Stellungnahmen eingeholt. Die Rentenversicherung lehnte bis zuletzt die Zahlung einer vollen Erwerbsminderungsrente ab. Es sei nicht ersichtlich, warum der Mann nach einer Alkoholtherapie nicht zumindest eingeschränkt arbeiten könne.

Dazu gab der Kläger an, er trinke etwa sechs bis acht Bier am Tag. Eine Entgiftungsbehandlung lehne er ab, weil dies zu vermehrten epileptischen Anfällen führe.

Wie zuvor schon das Sozialgericht Freiburg sprach nun auch das LSG dem Mann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu – allerdings befristet für knapp zwei Jahre. Die Gutachten hätten überwiegend ein aufgehobenes Leistungsvermögen schlüssig belegt.

Dass der Mann die von Ärzten vorgeschlagene Entziehungstherapie ablehne, ändere daran nichts. Das gelte unabhängig davon, dass die dahinterstehende Sorge vor einer sich verschlimmernden Epilepsie medizinisch unbegründet sei.

Erwerbsminderungsrente trotz Therapie-Weigerung

„Die Verweigerung eines Versicherten, sich ärztlich behandeln zu lassen, stellt für sich genommen keine absichtliche Herbeiführung einer verminderten Erwerbsfähigkeit und damit keinen Ausschlussgrund für die Rentengewährung (…) dar”, heißt es in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 26. Mai 2020. Das LSG stützte sich dabei auch auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel noch zur früheren Reichsversicherungsordnung (Urteil vom 19. Juni 1979, Az.: 5 RJ 122/77).

Allerdings hatte bereits das BSG in diesem Urteil festgestellt, dass eine Rente wegen fehlender Mitwirkung versagt oder wieder entzogen werden kann. Dies setze allerdings voraus, dass Betroffene zur Mitwirkung aufgefordert und auf die Folgen einer verweigerten Mitwirkung hingewiesen werden.

Auch dem ist nun das LSG Celle nach den heutigen Regeln des Sozialgesetzbuchs gefolgt. Eine solche Aufforderung habe es aber jedenfalls bis zum hier streitigen Zeitraum nicht gegeben.mwo/fle

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