Erwerbsminderungsrente: Schwer­behinderung alleine reicht nicht aus – Urteil

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Gesundheitliche Einschränkungen, die die Arbeit im eigenen Berufsumfeld stark beeinträchtigen, reichen nicht aus, um eine Erwerbsminderung zu rechtfertigen. Vielmehr besteht ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente erst dann, wenn irgendeine Erwerbsbeschäftigung nicht länger als einen begrenzte Anzahl von Stunden pro Tag ausgeübt werden kann. So entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. (L 4 R 392/23)

Schwerbehinderung, Depression und Hautprobleme

Der Betroffene war zuletzt in der Gastronomie tätig. Er war seit 2018 wiederholt arbeitsunfähig und bezog ergänzende Grundsicherung. Sein Grad der Behinderung liegt bei 50, und damit ist er als schwerbehindert anerkannt. Er beantragte wegen gesundheitlicher Einschränkungen eine volle Erwerbsminderungsrente.

Den Antrag begründete er vor allem mit einem chronischen Handekzem und einer mittelgradigen depressiven Episode. Das Handekzem hatte eine Hautärztin diagnostiziert.

Der Betroffene gab an, dass es sich beim Kontakt mit Reinigungs- und Putzmitteln verschlimmere, und ebenso bei Feuchtigkeit. Beidem sei er bei seiner Beschäftigung notwendig ausgesetzt. Die Depression hatte eine Neurologin diagnostiziert.

Mehr als sechs Stunden Arbeit pro Tag sind möglich

Die Rentenversicherung holte eine sozialmedizinische Stellungnahme ein und lehnte den Rentenantrag ab. Sie begründete dies damit, dass eine tägliche Beschäftigung von zumindest sechs Stunden möglich sei.

Wenn dies der Fall ist, entfällt nicht nur der Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente, die nur bei weniger als drei möglichen Arbeitsstunden pro Tag gewährt wird. Selbst eine teilweise Erwerbsminderungsrente ist ausgeschlossen. Für diese sind weniger als sechs Stunden Arbeit pro Tag das Maximum.

Klage vor dem Sozialgericht

Der Betroffene klagte jetzt vor dem Sozialgericht Aachen. Er argumentierte, die Hauerkrankung beeinträchtige ihn massiv – bei der Arbeit und auch privat. Zusätzlich werde er durch seine Depressionen in der Konzentration und Koordination eingeschränkt und sei in diesen Phasen antriebslos. Das Sozialgericht wies die Klage ab und hielt die Begründung der Rentenversicherung für plausibel.

Berufung vor dem Landessozialgericht

Der Beeinträchtigte akzeptierte diese Entscheidung nicht und ging in Berufung vor das Landessozialgericht. Hier verwies er zusätzlich auf ein Gutachten der Bundesagentur für Arbeit, das eine länger andauernde Leistungsunfähigkeit vermuten ließ.

Er kritisierte auch ein früheres Gutachten, denn dieses habe seine Hauterkrankung nicht ausreichend berücksichtigt.

Landessozialgericht weist Berufung zurück

Das Landessozialgericht schloss sich jedoch der Einschätzung der Rentenversicherung und der ersten Instanz an, dass der Mann nicht voll erwerbsgemindert sei. So fehlten ausreichende Belege, dass der Kläger wegen seiner Einschränkungen nur weniger als drei Stunden pro Tag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten könne.

Die ärztlichen Befunde sind valide

Das Gericht betonte, dass es keine Zweifel an den ärztlichen Befunden der Neurologin und der Hautärztin habe. Weder die ärztlichen Befunde noch die vorliegenden Gutachten ließen jedoch darauf schließen, dass jedwede Erwerbsbeschäftigung nur in einem Umfang möglich sei, der die Kriterien einer Erwerbsminderung erfülle.

Objektive medizinische Kriterien zählen

Das Urteil macht deutlich, dass letztlich die objektiven medizinischen Befunde und ärztlichen Gutachten entscheiden, ob eine Erwerbsminderung anerkannt wird. Zwar würdigte das Gericht durchaus die Selbsteinschätzungen des Betroffenen. Am Ende scheiterte er aber mit seinem Anspruch, weil sich aus den medizinischen Unterlagen nicht nachvollziehbar eine Erwerbsminderung erschließen ließ.

Gerade bei psychischen Leiden und Hauterkrankungen müssen übereinstimmende Gutachten die Einschränkungen bei der Arbeitsfähigkeit belegen.

Erwerbsminderung bezieht sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt

Das Gericht betonte darüber hinaus ein wesentliches Kriterium einer Erwerbsminderung. Diese bezieht sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Wenn der Betroffene in diesem Fall in der Gastronomie nicht mehr oder kaum noch arbeiten konnte, weil Luftfeuchtigkeit und der Umgang mit chemischen Mitteln sein Hautleiden verstärkt, dann bezieht sich diese Einschränkung erst einmal auf sein derzeitiges berufliches Umfeld.

Wenn er mit diesen Beschwerden aber in einer weniger belastenden Beschäftigung weniger Probleme hätte, rechtfertigt diese Einschränkung aber keine Erwerbsminderung.