Erwerbsminderung: Keine Rente trotz ärztlicher Bestätigung

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Eine Frau leidet an Depressionen und Angststörungen. Ihr Psychiater diagnostizierte deshalb, dass sie weniger als drei Stunden täglich arbeiten könnte. Trotzdem entschied das Bayerische Landessozialgericht, dass sie keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente hat. (L 19 R 318/15)

Hohe Hürden und schwierige Beweisführung

Wie es zu dem Urteil kam, das zeigen wir Ihnen in diesem Beitrag. An diesem konkreten Fall verdeutlichen wir zudem, wie hoch die Hürden für eine Erwerbsminderungsrente sind, und wie schwierig die Beweisführung sein kann, um das Ausmaß der Einschränkungen zu belegen – insbesondere bei psychischen Erkrankungen.

Depressionen, Ängste und Wirbelsäulenprobleme

Die Betroffene hatte ursprünglich eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin absolviert und von 1985 bis 1986 als Bankangestellte gearbeitet. Ihren eigenen Aussagen zufolge ist sie seit 2001 erwerbsgemindert. Zu ihren diversen Leiden zählen Depressionen, Angstzustände, Neurodermitis, ein Lip- und Lymphödem, und außerdem Probleme der Wirbelsäule.

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Mehrfacher Antrag auf Erwerbsminderungsrente

Sie beantragte bei der Deutschen Rentenversicherung mehrfach eine Erwerbsminderungsrente. Der Antrag wurde jeweils von der Rentenversicherung abgelehnt, mit der Begründung, dass sie erstens die Kriterien einer Erwerbsminderungsrente nicht erfülle, und zweitens die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlten.

Schließlich ging sie vor das Sozialgericht. Dieses teilte den Standpunkt der Rentenversicherung. Daraufhin legte die Betroffene Berufung vor dem Landessozialgericht ein.

Gutachten stehen gegeneinander

Im Verfahren standen zwei Gutachten gegen eins. Ein von dem Gericht beauftragter Neurologe erkannte zwar eine rezidivierende depressive Störung mittleren Grades. Trotzdem könne die Betroffene mindestens sechs Stunden pro Tag arbeiten und sei also nicht erwerbsgemindert. Das Gutachten eines Internisten sah ebenfalls keine (teilweise oder volle) Erwerbsminderung.

Ein von der Betroffenen selbst benannter Psychiater kam zu einem anderen Ergebnis. Er diagnostizierte eine emotional instabile Persönlichkeit und eine schwere depressive Episode. Deshalb könne die Betroffene nur weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten und sei somit voll erwerbsgemindert – und dies seit September 2004.

Landessozialgericht sieht Erwerbsminderung unbestätigt

Das Landessozialgericht sah trotz des Gutachtens des Psychiaters nicht einmal eine teilweise Erwerbsminderung bestätigt. Es schloss sich dem neurologischen und internistischen Gutachten an. Damit sei es nicht nachgewiesen, dass die Betroffene vor dem 30.11.2010 erwerbsgemindert sei. Das war der Zeitpunkt, an dem sie das letzte Mal die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente erfüllte.

Am Gutachten des Psychiaters kritisierten die Richter, dass dieser nicht auf frühere Gutachten eingegangen sei, die eine höhere Leistungsfähigkeit bescheinigt hätten. Warum er davon ausging, dass eine volle Erwerbsminderung bereits im September 2004 vorgelegen hätte, hätte er nicht ausreichend begründet.

Tagesablauf spricht gegen Erwerbsminderung

Das Gericht führte zudem eigene Aussagen der Betroffenen sowie deren Tagesablauf als Argumente an, die gegen eine Erwerbsminderung sprächen. So hätte sie angegeben, den Haushalt zu führen, einzukaufen, zu kochen, sich um ihre Tochter zu kümmern, außerdem als Babysitterin und in einem Bioladen zu arbeiten. Dies alles spreche gegen schwerwiegende Funktionseinschränkungen im Alltag.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für eine Erwerbsminderung müssen Sie erstens die rentenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, also mindestens fünf Jahre als Versicherter nachweisen. Zweitens müssen Sie nachweisen, dass Sie weniger als drei (volle Erwerbsminderung) oder sechs (teilweise Erwerbsminderung) Stunden pro Tag arbeiten können.

Diese Leistungsminderung muss zum einen nach objektiven medizinischen Kriterien nachgewiesen werden. Zweitens zeigt die Begründung des Landessozialgerichts deutlich: Auch Ihre tatsächliche Lebensstruktur fließt in die Bewertung ein.

So zählte das Gericht diverse Tätigkeiten der Betroffenen im Alltag auf, die (zusammengerechnet) eine tägliche Beschäftigung von sechs Stunden pro Tag überschreiten. Bei der Anerkennung einer Erwerbsminderung geht es jedoch um die Menge der möglichen Arbeitsstunden, nicht um die Qualität der Beschäftigung, und auch nicht um das subjektive Empfinden.