BSG verweist auf generelle Vermutung der Freizügigkeit
In Deutschland lebende Eltern aus anderen EU-Staaten steht grundsätzlich Elterngeld zu. Bei ihnen gilt generell die Vermutung, dass sie in Deutschland nach EU-Recht „freizügigkeitsberechtigt” sind und damit Elterngeld beanspruchen können, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Montag, 18. Mai 2020, bekanntgegebenen Urteil (Az.: B 10 EG 5/18 R). Nur wenn die Ausländerbehörde formell festgestellt hat, dass der EU-Ausländer nicht oder nicht mehr freizügigkeitsberechtigt ist, darf ihm die Elterngeldstelle das Elterngeld verweigern.
Nach EU-Recht dürfen sich EU-Ausländer und ihre Familienangehörigen in Deutschland grundsätzlich aufhalten und auch arbeiten. Für die ersten drei Monate reicht es aus, dass sie einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegen können. Für ein Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten müssen sie Arbeitnehmer sein oder sich für eine gewisse Zeit arbeitsuchend aufhalten wollen. Auch Selbstständige oder nicht erwerbstätige EU-Bürger mit ausreichenden finanziellen Mitteln und Krankenversicherungsschutz gelten als „freizügigkeitsberechtigt”. Gleiches gilt für Unionsbürger, die nach fünfjährigem Aufenthalt ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben.
Im konkreten Fall lebt die kroatische Klägerin seit Dezember 2012 in Deutschland. Bis zur Geburt ihrer Tochter im April 2015 war die Frau weder krankenversichert noch bezog sie Mutterschaftsgeld. Von Juli bis Oktober 2015 hatte sie lediglich einen Minijob. Mit der Geburt ihres Kindes hatte sie bei der Elterngeldstelle Elterngeld beantragt. Bei Eltern ohne eigene Einkünfte sehen die maßgeblichen Regelungen ein Basiselterngeld in Höhe von monatlich 300 Euro vor.
Die Elterngeldstelle lehnte die Hilfeleistung hier jedoch ab. Denn die Frau sei nicht „freizügigkeitsberechtigt”. Sie sei weder als Arbeitnehmerin in Deutschland tätig gewesen, noch habe sie sich um eine reguläre Beschäftigung bemüht.
Doch das BSG gab der Frau in seiner Entscheidung vom 27. März 2020 recht. Bei in Deutschland lebenden EU-Bürgern gelte generell die Vermutung, dass diese freizügigkeitsberechtigt sind. Sie müssten daher beim Elterngeld mit Inländern gleichbehandelt werden. Die Elterngeldstelle dürfe das Elterngeld nur versagen, wenn die Ausländerbehörde formell feststellt, dass ein Unionsbürger nicht mehr freizügigkeitsberechtigt ist. Dies habe die Ausländerbehörde bei der kroatischen Klägerin aber nicht getan. fle/mwo
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