Eingliederungshilfe: Therapie für französisches minderjähriges Kind als Leistung zur sozialen Teilhabe

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Eingliederungshilfe: Autismustherapie für französisches minderjähriges Kind als Leistung zur sozialen Teilhabe

Zur Bejahung der Kostenübernahme einer Autismustherapie als Leistung zur sozialen Teilhabe im Rahmen der Eingliederungshilfe für ein französisches, minderjähriges Kind, welches mit ihrem Vater in Frankreich lebt, welcher als Grenzgänger in Deutschland arbeitet ( Orientierungshilfe Detlef Brock )

1. Zu Gunsten der minderjährigen Antragstellerin ist eine unionsrechtliche Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABL. L 141 vom 27. Mai 2011,S. 1 bis 12) in Betracht zu ziehen.

Davon ausgehend war der persönliche Anwendungsbereich der Norm für die Antragstellerin eröffnet.

Vater des minderjähriges Kindes kann sich auf Art. 7 Abs. 2 der V (EU) Nr. 492/2011 berufen

Denn der Vater der Klägerin, der französischer Staatsangehöriger ist, arbeitet in Deutschland. Da dieser Arbeitnehmer von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch macht, ist er berechtigt, sich auf Art. 7 Abs. 2 der V (EU) Nr. 492/2011 zu berufen.

Der Vater der Antragstellerin gewährt ihr als minderjährigem Kind Unterhalt.

2. Ob Leistungen der Eingliederungshilfe in Gestalt von Leistungen zur sozialen Teilhabe für das Kind eines Grenzarbeitnehmers eine soziale Vergünstigung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 VO (EU) Nr. 492/2011 darstellen, hat der EuGH bislang noch nicht entschieden.

Diesbezüglich hat aber das Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 8. April 2024 (L 12 SO 87/22) folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union dahin auszulegen, dass er einer Vorschrift des nationalen Rechts entgegensteht, die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX in Gestalt von Schulassistenzleistungen von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland abhängig macht?

Die noch ausstehende Entscheidung des EuGH darüber dürfte auch für den geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme einer Autismustherapie von Bedeutung sein.

LSG BW entscheidet im Rahmen der Folgenabwägung

Unter Beachtung des Gebotes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz war im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden, dass dem minderjährigen Kind die Autismustherapie im Rahmen der Eingliederungshilfe zu gewähren war.

So entschieden vom LSG BW, Beschluss v. 01.07.2024 – L 2 SO 1469/24 ER-B

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

Das Interesse der Antragstellerin an der Gewährung der erforderlichen Autismustherapie überwiegte hier.

Denn der Antragstellerin droht eine erhebliche Benachteiligung im Sinne ihrer sozialen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, wenn sie zeitlich unabsehbar (abzuwartende Entscheidung des EuGH, Entscheidung im Klageverfahren S 6 SO 564/24 vor dem SG) auf die erforderliche Autismustherapie warten muss.

Außerdem bestand die Notwendigkeit einer spezifischen Autismustherapie, nach Aussage der Klassenlehrerin der Antragstellerin .

Das ist meine 1. Entscheidung die ich lese, wo einem minderjährigen Kind, welches wie ihr Vater nicht in Deutschland wohnen, die Eingliederungshilfe zugesprochen wurde.

Denn beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich, wodurch das Kind nach § 101 Abs. 1 Satz 1 SGB IX von Leistungen ausgeschlossen ist.

Zu Gunsten der minderjährigen Antragstellerin greift hier die Norm des Art. 7 Abs. 2 der V (EU) Nr. 492/2011 .