Ein unabweisbarer laufender Sonderbedarf kann bei Fahrtkosten zu regelmäßigen Arztterminen bestehen, wenn diese den im Regelbedarf enthaltenen Anteil für Verkehr (8 § 21 Abs. 6 SGB II ) überschreiten. Zudem wenn die Inanspruchnahme des alternativ in Betracht kommenden Leistungsträgers von vorneherein offensichtlich aussichtslos erscheint (Orientierungssatz Detlef Brock).
Und wenn die Inanspruchnahme des alternativ in Betracht kommenden Leistungsträgers von vorneherein offensichtlich aussichtslos erscheint (Orientierungssatz Detlef Brock)
1. Fahrtkosten zu regelmäßigen Arztterminen eines schwerbehinderten Kindes können einen Sonderbedarf nach § 21 Abs 6 SGB 2 darstellen, wenn die Termine in höherer Häufigkeit stattfinden als bei gleichaltrigen nichtbehinderten Kindern ( Arzttermine zwischen 3 und 7 pro Monat).
2. Vom durchschnittlichen Bedarf wird abgewichen, wenn der Mehrbedarf 25 % oder mehr der im entsprechenden Regelbedarfsanteil nach § 5 Abs 1 RBEG vorgesehenen Ausgaben ausmacht. Eine absolute Bagatellgrenze kennt § 21 Abs 6 SGB 2 nicht.
3. Die Benutzung des eigenen Pkw der Mutter ist nicht zu beanstanden, wenn dieser entweder medizinisch notwendig ist oder aber geringere Kosten verursacht als die Benutzung des ÖPNV.
4. Nicht heran gezogen werden können der Freibetrag nach § 12 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB 2, welcher nur für einmalige Ausgaben bestimmt ist, noch der Mehrbedarf für Alleinerziehende sind für die Deckung eines laufenden Mehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB 2 heranzuziehen ( (BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 4/14 R – ).
5. Ein Sonderbedarf für Ausgaben, die einer medizinischen Notwendigkeit entspringen, ist nicht allein deswegen ausgeschlossen, weil er über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgeht.
Denn in Übereinstimmung mit den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -) dargelegten Grundsätzen zur Bestimmung des Existenzminimums, dass bei einer atypischen Bedarfslage eine auch gewollte Lücke im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung durchaus durch Leistungen nach § 21 Abs. 6 SGB II auszugleichen sein kann.
(so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.3.2015 – L 6 AS 1926/14 – zu Fahrtkosten zu einer täglichen ambulanten Substitutionstherapie mit Methadon; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 6/13 R – zu den Kosten einer medizinisch notwendigen kieferorthopädischen Behandlung).
Begründung: SG Freiburg – S 7 AS 710/13 –
Der Bedarf war auch deswegen unabweisbar, weil er nicht durch Zuwendungen Dritter gedeckt werden konnte. Insbesondere kommt die Inanspruchnahme der Krankenkasse nicht in Betracht, so aber das Jobcenter
Denn unter Zuwendungen Dritter fallen auch sonstige Sozialleistungen außerhalb des SGB II. Die Mutter kann nicht darauf verwiesen werden, vorrangig – ggf. durch alle denkbaren Instanzen – die Krankenkasse in Anspruch zu nehmen.
Zuerst wäre die Krankenkasse in Anspruch zu nehmen – bei Aussichtslosigkeit doch unzumutbar
Denn wenn die Inanspruchnahme des alternativ in Betracht kommenden Leistungsträgers von vorneherein offensichtlich aussichtslos erscheint, kann darauf verzichtet werden (SG Karlsruhe, Urteil vom 11. Juni 2014 – S 15 AS 2553/13 – ). So liegt es hier.
Der Bedarf war seiner Höhe nach unabweisbar
Weil die Mutter monatlich 25 % ihres insgesamt für Mobilität vorgesehenen Budgets aus dem Regelsatz aufwenden.
Fazit
Ein unabweisbarer laufender Sonderbedarf kann bei Fahrtkosten zu regelmäßigen Arztterminen bestehen bei Übersteigen des im Regelbedarf enthaltenen Anteils für Verkehr und wenn die Inanspruchnahme des alternativ in Betracht kommenden Leistungsträgers von vorneherein offensichtlich aussichtslos erscheint ( Orientierungssatz Detlef Brock )
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
Einer der besten Entscheidungen zur Übernahme von Fahrkosten zu Arztterminen, weil diese besonders hervor hebt, dass ein sogenannter Sonderbedarf auch bei Fahrkosten zum Arzt bestehen kann.
Hinweis, weil anderer Auffassung
Verneinung des Sonderbedarfs, wenn nicht der Versuch zur Beantragung der Kosten bei der Krankenkasse unternommen wurde, gerade, wenn dies nicht aussichtslos wäre
Ein Mehrbedarf ist unter anderem dann nicht unabweisbar iS von § 21 Abs 6 SGB 2, wenn der Leistungsberechtigte nicht die ihm zumutbaren Versuche unternommen hat, den Bedarf auf anderem Wege zu decken.
Ihm obliegt es insbesondere, gegen ablehnende Entscheidungen anderer Leistungsträger mit Rechtsbehelfen vorzugehen, jedenfalls soweit dies nicht von vorneherein offensichtlich aussichtslos erscheint ( SG Karlsruhe S 15 AS 2553/13 – ).
Der Unterschied vom SG Karlsruhe zu SG Freiburg besteht darin, dass das SG Freiburg die Inanspruchnahme der Krankenkasse für aussichtslos erklärt hat und damit für unzumutbar, welche ich selbst in der Konsequenz auch folgen würde.
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.