Das Jobcenter darf einem “U 25” nicht auf die elterliche Wohnung verweisen bei einer Unzumutbarkeit, so aktuell der Rechtsanwalt in diesem Verfahren.
Schwerwiegende Vater – Sohn Beziehung rechtfertigt eigene, angemessene Wohnung für einen unter 25 – jährigen Bürgergeld-Empfänger
Ein junger Bezieher von Bürgergeld (U 25) darf von zu Hause ausziehen und sich eine eigene, angemessene Wohnung suchen, wobei das Jobcenter die Mietkosten zu tragen hat, bei einem gestörtem Familienverhältnis, welches über das Normalmaß hinaus geht.
Das Jobcenter darf einen unter 25 – jährigen Hilfebedürftigen nicht auf die elterliche Wohnung verweisen bei Unzumutbarkeit, hier aufgrund beengter Wohnverhältnisse, einem äußerst zerrüttendem Verhältnis zu seinem Vater und aber auch zu seinen Stiefgeschwistern, und weil der Vater den Sohn aus der Wohnung rausgeworfen hatte.
Bei einem gestörtem Vater – Sohn – Verhältnis hat der unter 25 – jährige Bürgergeldempfänger Anspruch auf seinen vollen Regelsatz und Übernahme der Mietkosten für seine eigene, angemessene Wohnung.
Eine Zusicherung des Jobcenters zur Übernahme der Mietkosten (§ 22 Abs. 5 S. 2 SGB 2) muss vom Hilfebedürftigen nicht mehr eingeholt werden, ja dies wäre sogar unzumutbar für den Leistungsempfänger, wenn das Jobcenter ganz klar zu verstehen gibt ( hier per Mail ), dass es niemals eine Zusicherung erteilen wird.
Das Jobcenter beharrt darauf, dass der Sohn zurück zu seiner Familie muss, ohne dies aber zu begründen!
Das Jobcenter vertritt mehr als hartnäckig bis zum Schluss die Auffassung, dass ein unter 25 – jähriger Leistungsbezieher auf die Wohnung seines Vaters verwiesen werden kann, weil schwerwiegende soziale Gründe nicht bestehen, ohne dies aber zu begründen.
Ein unter 25- jähriger Bürgergeldempfänger darf nicht vom Jobcenter auf die elterliche Wohnung verwiesen werden, wenn das Zusammenwohnen mit den Eltern für den Hilfebedürftigen unzumutbar ist wegen zerrütteten Familienverhältnissen.
” § 22 Abs. 5 SGB II bestimmt, dass, sofern Personen die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt werden, wenn der Kommunalträger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat.”
Der Kommunalträger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen, Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteiles verwiesen werden kann oder ein sonstiger ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Weiter bestimmt die Vorschrift, dass unter diesen Voraussetzungen vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden kann, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.”
Wie das Jobcenter, – übrigens ohne jegliche Begründung – , nach wie vor zu der Auffassung gelangt, dass der unter 25 – jährige Hilfebedürftige auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden könne, wird wohl das – Geheimnis des Jobcenters – bleiben.
Lesen Sie auch:
Hier hat das Gericht 3 Gründe gesehen, welche zum Auszug aus der Wohnung des Vaters geführt haben
1. die Verhältnisse in der Wohnung waren äußerst beengt
2. das Verhältnis des Antragstellers zu seinem Vater und vor allen Dingen zu den Stiefgeschwistern war äußerst zerrüttet
3. der Sohn wurde von seinem Vater – sicherlich mit guten Gründen – der Wohnung verwiesen
Weiterhin war auch zu berücksichtigen, dass es sich ja streng genommen noch nicht mal um die Wohnung seiner Eltern handelt, zumindest nicht ausschließlich, denn die Wohnung wurde ja auch von einer Stiefmutter und Stiefgeschwistern bewohnt.
Die Stiefmutter ist, da ja wohl keine Adoption vorliegt, im familienrechtlichen Sinne eben nicht Elternteil des Hilfebedürftigen.
Dem Leistungsbezieher war es auch unzumutbar das Einverständnis des Jobcenters abzuholen, denn das Jobcenter hatte klar zu verstehen geben, dass es eine Zusicherung niemals erteilen würde
Dem Kläger war es auch nicht mehr zumutbar ein Einverständnis des Jobcenters abzuholen, denn aus dem Mail-Verkehr ergibt sich ganz klar, dass das Jobcenter dem Kläger eindeutig zu verstehen gegeben hatte, dass solch ein Einverständnis niemals erteilt werden würde.
Praxistipp: Wann darf ein unter 25 – jähriger Antragsteller zum Beispiel – nicht aus der elterlichen Wohnung ausziehen?
Der Wunsch, mit dem Freund zusammenzuziehen, macht den Umzug einer unter 25- jährigen aus der elterlichen Wohnung nicht erforderlich, denn er ist kein ähnlich schwerwiegender Grund wie die Unzumutbarkeit der Verweisung auf die elterliche Wohnung aus schwerwiegenden sozialen Gründen im Sinne von § 22 Absatz 5 Satz 2 Ziff. 1 SGB II (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.09.2012 – L 5 AS 613/12 B ER).
Hier ein weiteres Beispiel, wann zum Bsp. die Erforderlichkeit für den Auszug gegeben war wegen Eingliederung in Arbeit
Der Umzug der unter 25-jährigen Auszubildenden aus der elterlichen Wohnung war erforderlich, weil ihr die Pendelzeiten nicht zumutbar wären, somit hier zum Zwecke der Beibehaltung eines Ausbildungsplatzes bzw. zur Eingliederung in Arbeit (vgl. LSG Sachsen- Anhalt, Beschluss vom 11.09.2012 – L 5 AS 461/11 B – ).
Bei folgenden Fallkonstellationen ist das Jobcenter zur Erteilung der Zustimmung zum Umzug verpflichtet:
- schwerwiegende soziale Gründe
- schwerwiegende Störungen der Eltern-Kind-Beziehung können einen Umzug rechtfertigen;
- das körperliche, geistige oder seelische Wohl der Hilfebedürftigen kann einen Umzug rechtfertigen;
- die Platzverhältnisse in der Wohnung können unzumutbar sein;
- die Gründung einer eigenen Familie kann einen Umzug erforderlich machen;
- die Gründe sind nicht abschließend
In den vorgenannten Fällen dürfte es sinnvoll sein, Stellungnahme von Ärzten, Psychologen und Ämtern vorzuweisen, um ggf. die schwerwiegenden Gründe glaubhaft machen zu können.
Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs können die Kosten für die Unterkunft und den erhöhten Regelbedarf geltend gemacht werden, auch wenn die Zustimmung noch gar nicht beantragt wurde.
Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist ein ähnlich schwerwiegender Grund.
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.