War der Regelbedarf für Alleinstehende der Regelbedarfsstufe 1 im Jahr 2022 verfassungswidrig?
Vor knapp 1 Stunde hat der 2. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg bekannt gegeben (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.11.2024 – L 2 AS 3642/22 – Revision zugelassen , dass
Die Höhe des Regelbedarfs für Alleinerziehende für die Monate Januar 2022 bis April 2022 genügt auch weiterhin den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Ein Anspruch des Leistungsbeziehers auf Übernahme eines höheren, als des gesetzlich vorgesehenen Regelbedarfs besteht nicht.
Denn Eine evidente Verfassungswidrigkeit der Höhe des Regelbedarfs liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor.
Die Höhe des Regelbedarfs, der sich für Alleinstehende – im Jahr 2021 auf 446,00 € und im Jahr 2022 auf 449,00 € belief, genügte im Jahr 2021 und im Jahr 2022 nach Überzeugung des Senats weiterhin den verfassungsrechtlichen Anforderungen (so auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2022 – L 3 AS 1169/22 -, LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.12.2023 – L 12 AS 1814/22 -, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.11.2023 – L 21 AS 541/23 B -, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.10.2023 – L 18 AS 279/23 (Revision anhängig unter B 7 AS 20/24 R zur Frage der Verfassungskonformität des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 in September und Oktober 2022], LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.10.2022 – L 6 AS 87/22 B ER -).
Die Bemessung des Regelbedarfs für Alleinstehende erfolgte nach der Überzeugung des Senats verfassungsrechtlichen Vorgaben, so dass das Verfahren – dem Begehren des Klägers entgegen – nicht nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen ist.
Mit der Einmalzahlung i.H.v. 150,00 € hat der Gesetzgeber nicht die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen abgewartet, sondern die durch die Pandemie entstandenen zusätzlichen Kosten bei den SGB-II-Leistungen berücksichtigt.
Auch die deutliche Steigerung des Regelsatzes mit Einführung des Bürgergeldes ab dem 01.01.2023 auf 502,00 € monatlich für Alleinstehende dokumentiert die angesichts komplexer demokratischer Gesetzgebungsverfahren angemessen schnelle Reaktion des Gesetzgebers auf die Diskrepanz zwischen Preisentwicklung und Regelbedarfsanpassung (vgl. BSG, Beschluss vom 05.07.2023 – B 4 AS 36/23 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.12.2023 – L 12 AS 1814/22 -).
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Bürgergeldes zum 01.01.2023 einen neuen Anpassungsmechanismus gewählt hat, der die Lohn- und Preisentwicklung deutlich zeitnäher widerspiegelt.
Dies hat zum 01.01.2023 zu einer Erhöhung des Regelsatzes um 11,8 % geführt (502,00 € monatlich für Alleinstehende) und zum 01.01.2024 zu einer weiteren Erhöhung um 12,2 % (563,00 € monatlich für Alleinstehende). Damit hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums in einem zumutbaren Zeitraum ein inflationsgeschütztes Grundsicherungsniveau geschaffen.
Fazit:
Die Revision zum Bundessozialgericht ergibt sich vorliegend aus der Tatsache, dass der Kläger die Verfassungswidrigkeit des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 im Jahr 2022 (hier konkret hinsichtlich des ihm von Januar 2022 bis April 2022 gewährten Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 geltend macht und bezüglich der Frage der Verfassungskonformität dieses Regelbedarfs für die Monate September und Oktober 2022 ein Revisionsverfahren vor dem BSG (B 7 AS 20/24 R) anhängig ist und deshalb nicht von einer – weiteren Revisionszulassung abgesehen werden kann! (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.09.2018 – 1 BvR 453/17 -).
BSG, Beschluss vom 05.07.2023 – B 4 AS 36/23 B – : In dem das BSG keinen Grund gesehen hat, die Revision in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs unter anderem für die Jahre 2020 bis 2021 zuzulassen.
Praxistipp
Weitere Verfahren anhängig beim Bundessozialgericht hinsichtlich der Frage der Verfassungswidrigkeit der Regelleistung in 2021/2022
4 Verfahren beim Bundessozialgericht wegen Regelsatzhöhe anhängig – beispielhaft
1. Beim 7. Senat des BSG für Grundsicherung nach dem SGB II ist auch folgende Nichtzulassungsbeschwerde anhängig: Az.: B 7 AS 56/24 B
“Bestand ein zusätzlicher Inflationsausgleich für das Jahr 2022 für Leistungsempfänger nach dem SGB II?”
2. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.10.2023 – L 18 AS 279/23 – Revision anhängig unter B 7 AS 20/24 R – zur Frage der Verfassungskonformität des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 in September und Oktober 2022.
Persönliche Anmerkung
Gerade hat mir der zuständige Rechtsanwalt in dem Verfahren beim BSG – Az.: B 7 AS 56/24 B ( Bestand ein zusätzlicher Inflationsausgleich für das Jahr 2022 für Leistungsempfänger nach dem SGB II? ) folgendes bekannt gegeben:
„ immerhin verfassungskonform Revision zugelassen; hat man auch nicht alle Tage…. „