Die Beratungs- und Hinweispflichten der Jobcenter ergeben sich aus den §§ 14, 15 SGB II. Eine Beratungspflicht der JobCenter bzw. des Sozialleistungsträgers besteht regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Leistungsberechtigten (BSG, Urt. v. 18. 1. 2011 − B 4 AS 29/10 R).
Verletzung von Beratungs- bzw Hinweispflichten durch das Jobcenter
So urteilte das Sozialgericht Hamburg mit Urteil Az. – S 62 AS 4306/19 – dass bei schon einem Erstkontakt mit dem Leistungsberechtigten, welche kürzlich aus Ägypten eingereist sind, die Jobcenter verpflichtet sind, darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Wohnungserstausstattung bestehen könne und das die Erstausstattung eines gesonderten Antrags bedürfe.
Aufgrund der Verletzung der Beratungspflicht seitens des Jobcenters war der Bedarf auf Erstausstattung von den Antragstellern größtenteils selbst befriedigt worden.
Kein Anspruch mehr bei Bedarfsbedeckung auf Erstausstattung
Die Bedarfsgemeinschaft hatte sich inzwischen diverse Möbelstücke selber besorgt, so dass normalerweise der Bedarf schon teilweise gedeckt war und kein Anspruch mehr auf Erstausstattung an Möbeln bestand.
Bei Verletzung der Aufklärungs- uns Belehrungspflicht kann der Sozialrechtliche Herstellungsanspruch greifen – hier tat er es aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs war hier die Bedarfsgemeinschaft so zu stellen, als wäre der Antrag auf Wohnungserstausstattung rechtzeitig gestellt worden.
Der entstandene Nachteil der Bedarfsgemeinschaft kann durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln auch nachträglich durch Erbringung der Leistungen wieder beseitigt werden.
Der Leistungsempfänger ist in der Sache also so zu stellen, als wenn er infolge einer ordnungsgemäßen Beratung den Antrag auf Leistungserbringung rechtzeitig gestellt hätte (vgl. BSG, Urt. v. 18. 1. 2011 − B 4 AS 29/10 R für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bei unterlassenem Hinweis auf die Erforderlichkeit eines Weiterbewilligungsantrages – Hinweis des Gerichts Rz. 69)
Des weiteren urteilte das SG Hamburg, Urteil vom 28.11.2022 – S 62 AS 4306/19 –
1. Grundsätzlich ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eines (ggf anteiligen) Anspruchs auf Erstausstattung für die Wohnung.
2. Gemäß § 37 Abs 2 S 2 SGB II wirken Anträge auf Erstausstattung auf den Ersten des Monats zurück.
3. Die erfolgte Selbstbeschaffung von Erstausstattungsgegenständen nach Antragstellung und vor der Entscheidung des Jobcenters steht dem Anspruch auf Erstausstattung dann nicht entgegen, wenn die Fachanweisungen des zuständigen Leistungsträgers die Gewährung von Geldleistungen als Pauschalen vorsieht.
Anmerkung Redakteur Detlef Brock
Hier hatte die Bedarfsgemeinschaft Glück, sie hatten aber auch einen Rechtsanspruch auf die Erstausstattung. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch wird in vielen Fällen nicht anerkannt, leider, mal so erwähnt neben bei, in 9 von 10 Fällen lehnt das Gericht das ab.
Individuelle Mitteilung seitens des Sachbearbeiters zur Erstausstattung wäre nötig gewesen und kein Merkblatt
Hier wurde der Bedarfsgemeinschaft ein Merkblatt ausgehändigt mit Rechten und Pflichten. In so einem Fall, wo eine Familie nach sehr langer Zeit nach Deutschland zurück kehrt, liegt es auf der Hand, so die Meinung des Gerichts, dass der Sachbearbeiter auch auf die Möglichkeit der Erstausstattung hinweist, mit der Anmerkung, nur auf Antrag, und zwar vor Beschaffung der Gegenstände.
Dies war hier nachweislich nicht geschehen!
Erstkontakt mit dem Jobcenter
Bei Erstkontakt empfehle ich immer: Geht nicht alleine zum Jobcenter. Nehmt Euch einen Zeugen mit. Macht Euch auch, wenn nötig, Notizen.
Hinweis- und Beratungspflicht der JobCenter
Ausnahmsweise besteht nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des JobCenter, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter/Leistungsberechtigter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre( BSG B 4 AS 29/10 R).
Hier lag eindeutig eine Verletzung von Beratungs- bzw Hinweispflichten durch das Jobcenter vor, der Sachbearbeiter hätte die Bedarfsgemeinschaft auf die Möglichkeit einer Erstausstattung hinweisen müssen, auch das dies gesondert beantragt werden muss, bevor diese beschafft werden kann- Bedarfsdeckungsprinzip!
Das Gesagte gilt auch, wenn wie hier in diesem Fall die Bedarfsgemeinschaft schon mal in der Vergangenheit ( vor rund 20 Jahren ) Sozialhilfe bezog!
Wissenswertes § 14 SGB I Deutscher Bundestag
1. § 14 SGB I gewährt jedem Bürger einen subjektiven Anspruch auf Beratung über die ihn betreffenden Fragen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme sozialer Rechte oder der Erfüllung sozialrechtlicher Pflichten. Der Anspruch richtet sich gegen alle Leistungsträger i.S.d. §§ 12, 18 bis 29 SGB I, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. § 14 SGB I enthält weder eine Definition, was unter einer Beratung zu verstehen ist, noch macht er Angaben über Art und Umfang der Beratungspflicht.
Schlusswort
Es darf vor allem der heute gefestigte Grundsatz nicht außer acht bleiben, dass der Beamte “Helfer des Staatsbürgers” zu sein hat, woraus im Einzelfall seine Pflicht folgen kann, den von ihm zu betreuenden Personenkreis gegebenenfalls ausreichend zu belehren und aufzuklären, damit insbesondere ein Gesuchsteller im Rahmen des jeweils Möglichen und Zulässigen das erreichen kann, was er zu erreichen wünscht, und damit vermeidbarer Schaden von ihm ferngehalten wird.