Nach einem „Probejahr“ des Zusammenlebens zweier Partner kann das Jobcenter regelmäßig vermuten, dass das Paar gemeinsam mit seinen Einkünften füreinander einsteht. Dieses „Probejahr“ beginnt auch nicht erneut, wenn das Zusammenwohnen wegen der Renovierung einer Wohnung für mehrere Monate unterbrochen wird, entschied das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 30. Juli 2025 (Az.: L 3 AS 87/25 B ER).
Im Streitfall ging es um einen 1993 geborenen Mann, der beim Jobcenter Grundsicherungsleistungen (Bürgergeld) beantragt hatte.
Zusammenleben mit Unterbrechungen
Das Jobcenter lehnte den Antrag ab. Der Mann lebe seit über einem Jahr mit seiner Partnerin, einer Syndikusanwältin, in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen bestehe nach Ablauf eines Jahres des Zusammenwohnens regelmäßig die Vermutung, dass die Partner den wechselseitigen Willen haben, füreinander einzustehen.
Somit sei das Einkommen der Syndikusanwältin bei dem Antrag auf Grundsicherungsleistungen zu berücksichtigen. Der Antragsteller sei daher nicht bedürftig.
Dieser beantragte eine einstweilige Anordnung, um vorläufig Grundsicherungsleistungen zu erhalten. Er führte an, dass das „Probejahr des Zusammenwohnens“ für mehrere Monate unterbrochen worden sei und jeder bei seinen Eltern gewohnt habe.
Er habe zunächst eine neue gemeinsame Wohnung renovieren wollen. Erst als diese dann doch nicht angemietet werden konnte, habe sich das Paar eine andere Unterkunft gesucht.
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Bescheid prüfenAufgrund der mehrmonatigen Unterbrechung des „Probejahres“ müsse dieses mit dem Einzug in die neue Wohnung neu beginnen, so dass noch nicht von einer Einstandsgemeinschaft auszugehen sei. Schließlich sei es seiner Partnerin auch nicht zumutbar, dass diese für seinen Lebensunterhalt aufkommt. Sie ist wegen einer gescheiterten Selbstständigkeit mit rund 30.000 Euro verschuldet.
LSG Schleswig: Jobcenter musste keine Hilfebedürftigkeit annehmen
Der Antrag des Mannes hatte sowohl vor dem Sozialgericht Lübeck als auch vor dem LSG keinen Erfolg. Aufgrund des mehrere Monate unterbrochenen Zusammenwohnens beginne das „Probejahr“ nicht neu, so das LSG.
Der Gesetzgeber hat die Jahresfrist festgelegt, in der Paare prüfen sollen, ob sie füreinander einstehen wollen. Nach Ablauf dieses Probejahres wird regelhaft davon ausgegangen, dass die Partner eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bilden.
Diese Vermutung habe der Antragsteller auch nicht widerlegt, etwa weil sich das Paar getrennt habe. Schwierigkeiten in der Beziehung hätten nämlich nicht zu dem unterbrochenen Zusammenwohnen geführt, sondern die Renovierung einer Wohnung. Dass das Paar intern verabredet hat, die Unterkunfts- und Lebenshaltungskosten hälftig zu teilen, ist noch kein Grund, dass hierfür das Jobcenter einspringen soll.
Auch die Schulden der Partnerin stehen der Annahme fehlender Hilfebedürftigkeit beim Antragsteller nicht entgegen.
Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Partnerin ihre Schulden tilgen möchte, erklärte das LSG. Vor einer Schuldentilgung müsse aber das verfügbare gemeinsame Einkommen für den Lebensunterhalt eingesetzt werden. fle