Erstattung von Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von rund 4500,00 EUR, die ihm im Rahmen einer gegen den Leistungsempfänger gerichteten Räumungsklage entstanden sind, muss das Jobcenter als Härtefallmehrbedarf – nicht – übernehmen ( § 21 Abs. 6 SGB II ).
Der Bedarf für Anwalts- und Prozesskosten, ist unabweisbar, wenn der Rechtsweg keine Aussicht auf Erfolg bietet – keine Gewährung von Prozesskostenhilfe ( Leitsatz Sozialrechtsexperte Detlef Brock ).
Begründung des Gerichts
Zu den Aufwendungen, die zu erstatten sind, gehören die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte in der Bedarfszeit für die Nutzung/Gebrauchsüberlassung einer bestimmten Unterkunft Dritten gegenüber kraft bürgerlichen oder öffentlichen Rechts aufzubringen hat. Dies bezieht sich auf den Mietzins, den der Leistungsempfänger dem Vermieter aufgrund der mietvertraglichen Vereinbarung schuldet (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2017 – L 9 AS 1742/14 -).
Kosten der Räumungsklage
Die Kosten einer Räumungsklage können ausnahmsweise zu übernehmen sein.
Voraussetzung der Übernahmegründe
Die Voraussetzung dafür ist, dass die Räumungsklage für den Leistungsberechtigten nicht abwendbar ist, weil das Jobcenter ihm den Ausgleich des bestehenden Unterkunftsbedarfes durch die Versagung der Leistungen vorenthalten hat und es dadurch zur Räumungsklage kommt (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 30.01.2014 – L 7 AS 676/13).
Voraussetzungen sind hier nicht gegeben
Denn das Jobcenter hatte die Kosten der Unterkunft in voller Höhe übernommen. Der Grund für die Räumungsklage des Vermieters beruht auf Streitigkeiten untereinander wegen Schimmelbefall und Sanierungsarbeiten, die der Vermieter vornehmen wollte. Zum Streit kam es wegen Besichtigung der Mietwohnung und den durch zu führende Instandhaltungsarbeiten.
Leistungsempfänger hat kein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Räumungsklage
Somit scheidet eine Übernahme der Kosten durch das Jobcenter als Kosten der Unterkunft aus. Auch keine Übernahme durch das Jobcenter als Härtefallmehrbedarf – § 21 Abs. 6 SGB 2 -.
Der Bedarf ist nicht unabweisbar
Landgericht lehnt Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht ab. Denn damit auch Hilfeempfänger gerichtlichen Rechtsschutz und anwaltliche Vertretung in Anspruch nehmen können, gibt es das System der Prozesskostenhilfe. Der Leistungsempfänger hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser ist aber vom Landgericht mangels Erfolgsaussicht der Berufung abgelehnt worden.
Bietet der Rechtsweg keine Aussicht auf Erfolg – ist der Mehrbedarf unabweisbar
Die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz ist in einem solchen Fall, in dem der Rechtsweg keine Aussicht auf Erfolg bietet, nicht unabweisbar. Denn der Antragsteller trägt das Alleinige finanzielle Risiko, den Rechtsstreit trotzdem weiterzuführen.
Im Übrigen würde das System der Prozesskostenhilfe unterlaufen, wenn ein dort abgelehnter Antrag über den Weg des § 21 Abs. 6 SGB II bewilligt würde.
Kosten der Räumungsklage sind keine Wohnungsbeschaffungskosten, aber auch keine Schulden der Unterkunft
Die Kosten stellen auch keine Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne des § 22 Abs. 6 SGB II dar und auch keine Schulden oder Forderungen, die mit Schulden im Zusammenhang stehen, so dass auch § 22 Abs. 8 SGB II nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt.
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock
Kosten der Räumungsklage- Wann und wie vom Jobcenter? Wann sind Kosten der Räumungsklage ausnahmsweise vom Jobcenter zu übernehmen?
Kosten aufgrund einer Räumungsklage können grundsätzlich Kosten der Unterkunft nach § 22 Absatz 1 SGB II darstellen ( LSG BW, Urt. v. 30.01.2014 -L 7 AS 676/13 -; BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R – ).
Das Jobcenter trägt die Kosten einer Räumungsklage, wenn es dem Leistungsberechtigten zu Unrecht Leistungen versagt, dadurch Mietrückstände entstehen und der Vermieter in der Folge Räumungsklage erhebt.
Die dann anfallenden Gerichtskosten sind als (einmalig anfallende) Bedarfe der Unterkunft im SGB II zu berücksichtigen ( LSG BW, Urt. v. 20.06.2017 – L 9 AS 1742/14 – nachgehend BSG, 22. November 2017 – B 14 AS 25/17 R, Beschluss: Verwerfung ).
Rechtstipp vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock
LSG Hamburg, Urt. v. 30.06.2023 – L 4 AS 132/22 D – Zur Übernahme von Gerichts- und Anwaltskosten, die anlässlich eines zivilgerichtlichen Rechtsstreits mit der Vermieterin entstanden sind
Leitsatz
1. Die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens gehören nicht zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II.
2. Eine Übernahme von Kosten der Zahlungs- und Räumungsklage als „Annex“ zu den Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II (zu dieser grundsätzlichen Möglichkeit vgl. BSG, Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 15/11; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.6.2017 – L 9 AS 1742/14) kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht.
Denn ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der Leistungsempfänger diesen Kosten gerade aufgrund einer unrichtigen Sachbehandlung durch den Leistungsträger ausgesetzt ist und die Klage nicht selbst verschuldet hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
3. Auch eine auf § 22 Abs. 8 SGB II gestützte Übernahme der Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens als Schulden des Klägers kommt nicht in Betracht.
Fazit
Entstehen infolge einer unberechtigten Versagung von SGB II-Leistungen Mietrückstände und erhebt der Vermieter deshalb in der Folge Räumungsklage, sind auch die dem Leistungsberechtigten auferlegten Gerichtskosten als einmalig anfallender Bedarf im Fälligkeitsmonat für die Unterkunft zu berücksichtigen.
vgl. LSG Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 21.02.2022 – L 32 AS 139/22 B ER WA; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2014 – L 9 AS 1742/14 – unter Verweis auf BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R zur Übernahme von Rechtsanwalts-, Gerichts- und Vollstreckungskosten zur Sicherung der Unterkunft im Falle der Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II a.F.; Bayerisches LSG, Urteil vom 30.01.2014 – L 7 AS 676/13 ).
Hinweis für betroffene Leistungsempfänger
Wurde ihnen zum Beispiel die ALG II Leistung unrechtmäßig bzw. rechtswidrig versagt, sind dadurch Mietrückstände aufgelaufen und später kommt die Räumungsklage durch den Vermieter, haben sie gute Chancen, dass das Jobcenter die Kosten der Räumungsklage tragen muss, dazu zählen übrigens auch Rechtsanwalts-, Gerichts- und Vollstreckungskosten.
Diese Kostenübernahme durch das Jobcenter muss – ausnahmsweise zuschussweise – erfolgen, denn in der Regel handelt es sich bei Schulden um eine darlehensweise Übernahme ( § 22 Abs. 8 SGB 2 ).
Lesetipp: Jobcenter muss die Kosten für Räumungsklage zahlen
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.