Bei steigenden Mieten geraten viele Bürgergeldempfänger in die schwierige Situation, die Miete nicht mehr zahlen zu können, weil das Jobcenter diese nur noch anteilig übernimmt. In diesem Fall war der Kläger psychisch krank und konnte deshalb seinen “Mitwirkungspflichten” nicht mehr nachkommen. Die Behörde strich alle Leistungen. Der Vermieter erhob daraufhin Räumungsklage.
Jobcenter muss Miete zahlen
Kann ein Bürgergeld-Bezieher seine Miete wegen fehlender Leistungen des Jobcenters nicht bezahlen, muss die Behörde die Kosten für die vom Vermieter eingelegte Räumungsklage übernehmen.
Die Gerichtskosten sind dann als einmalig anfallender Unterkunftsbedarf zu berücksichtigen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 9 AS 1742/14).
Jobcenter strich aufgrund fehlender Mitwirkung alle Leistungen
Im konkreten Fall erhielt ein chronisch psychisch kranker Mann seit 2005 Hartz-IV-Leistungen (heutiges Bürgergeld). 2011 forderte das Jobcenter ihn auf, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen.
Die Behörde blieb ebenfalls nicht untätig. Sie bat die Deutsche Rentenversicherung (DRV) um Prüfung der Erwerbsfähigkeit und stellte für den Kläger selbst einen Rentenantrag. Daraufhin wurde das Rentenverfahren eingeleitet.
Erst Monate später wieder Leistungen
Ab Februar strich das Jobcenter sämtliche SGB II Leistungen.
Begründung: Der Mann habe seine Antragsformulare im Rentenverfahren nicht abgegeben und damit gegen seine Mitwirkungspflicht verletzt. Der psychisch Kranke konnte daraufhin seine Miete nicht mehr bezahlen. Erst als er die Antragsformulare im Juni der Rentenversicherung übersandt hatte, zahlte das Jobcenter wieder Sozialleistungen.
Vermieter legte Räumungsklage ein
Doch währenddessen hatte der Vermieter wegen der Mietrückstände Räumungsklage eingelegt, diese nach Bezahlung der Mietschulden aber wieder zurückgezogen. Die bis dahin angefallenen Gerichtskosten in Höhe von 857,68 Euro wurden dem Leistungsbeziehendem in Rechnung gestellt.
Jobcenter muss Kosten der Räumungsklage zahlen
Das LSG entschied, dass nicht der Kläger, sondern das Jobcenter dafür aufkommen muss. Denn die Behörde hätte nicht einfach die Hartz-IV-Leistungen streichen dürfen.
So sei gar nicht ersichtlich, warum die Antragsformulare an die DRV zur Klärung der Erwerbsfähigkeit überhaupt notwendig waren. Für die gutachterliche Stellungnahme würden gar keine Antragsformulare benötigt.
Behörde forschte nicht nach Ursachen
Das Jobcenter habe auch nicht geprüft, ob der Kläger wegen seiner psychischen Erkrankung überhaupt zur Abgabe der Anträge in der Lage war. Auch sei nicht geklärt, wieso die Behörde sofort sämtliche Leistungen gestrichen hat.
Dabei habe der Kläger Anspruch auf Sicherung seines Existenzminimums. Das Jobcenter hätte schon begründen müssen, warum es dieses Existenzminimum aufgrund nicht erfüllter Mitwirkungspflichten nicht mehr gewährleisten will.
Das Verschulden des Jobcenters habe letztlich dazu geführt, dass die Mietrückstände aufgelaufen sind. Daher müsse die Behörde auch für deshalb angefallene Kosten – hier für die Räumungsklage – aufkommen. Die Aufwendungen müssten als einmaligen Unterkunftsbedarf berücksichtigt werden.