Bürgergeld: Jobcenter muss Hotel zahlen wenn Obdachlosigkeit droht

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Jobcenter sichern das Existenzminimum – doch viele Leistungsberechtigte kennen ihre Rechte kaum. Besonders bei akuter Obdachlosigkeit entstehen chaotische Situationen, in denen Betroffene improvisieren, während Behörden zögern. Dabei schreibt das Gesetz klar vor: Jobcenter dürfen niemanden obdachlos lassen und müssen im Notfall auch Hotel- oder Pensionskosten übernehmen.

Jobcenter finanzieren Notunterkünfte, wenn Kommunen versagen

Viele Städte überfüllen ihre Notunterkünfte oder schicken Menschen weg, mit dem Hinweis, sie sollten „morgen wiederkommen“. Wer keinen Platz erhält, steht plötzlich mit Taschen auf der Straße. In solchen Situationen springt das Jobcenter ein, übernimmt Hotel- oder Hostelkosten als Kosten der Unterkunft und verhindert damit unmittelbare Obdachlosigkeit.

Jobcenter muss Hostelkosten übernehmen

Das Sozialgericht Leipzig setzte hier ein starkes Zeichen: Es verpflichtete ein Jobcenter zur Übernahme von Hostelkosten für ein obdachloses Paar, weil ein pauschaler Verweis auf Sammelunterkünfte nicht genügte. Die Hostelkosten galten im konkreten Fall als „konkret angemessen“ (S 9 AS 1774/23 ER).

Kommunen schieben Verantwortung ab – doch die Rechtslage bleibt eindeutig

Behörden schieben Zuständigkeiten hin und her, während Betroffene frieren oder auf Parkbänken übernachten. Das Sozialrecht zieht jedoch eine klare Linie: Das Jobcenter übernimmt Unterkunftskosten, wenn keine Wohnung vorhanden ist und kein anderer Träger hilft.

Das Bundesverfassungsgericht stellte zudem klar, dass Unterkunft ein zentraler Bestandteil des menschenwürdigen Existenzminimums ist und Gerichte im Eilverfahren niedrigschwelligen Rechtsschutz gewährleisten müssen (1 BvR 1910/12).

Härtefallregelung bei Wohnungslosigkeit: Wenn Jobcenter sofort handeln müssen

Wohnungslosigkeit erzeugt eine akute Notlage, und genau dafür existiert die Härtefallregelung im Sozialrecht. Sie verpflichtet Jobcenter zu unverzüglichem Handeln, auch wenn Unterlagen fehlen oder der Fall nicht ideal in behördliche Raster passt. Niemand muss im Freien übernachten, weil eine Behörde „noch prüfen“ möchte.

Risiken für das soziale Leben und die Gesundheit

Das Bundesverfassungsgericht betont, dass Anforderungen an die Glaubhaftmachung nicht überspannt werden dürfen und alle sozialen und gesundheitlichen Risiken in den Blick genommen werden müssen. Auch Heizkosten können Teil dieses Existenzminimums sein – selbst dann, wenn ein Obdachloser in einem Zelt lebt. Das bestätigte ein Sozialgericht in einem Einzelfall (S 9 AS 84/22 ER).

Selbstständige Unterbringung zählt – auch ohne vorherige Genehmigung

Betroffene müssen in einer akuten Notlage nicht auf eine behördliche Genehmigung warten. Wer Gefahr läuft, im Freien zu schlafen, handelt selbstständig, bucht eine günstige Unterkunft und beantragt anschließend die Kostenübernahme.

Das Sozialgericht Leipzig bestätigte genau diese Vorgehensweise: Die selbst organisierte Hosteleinmietung eines wohnungslosen Paars war eine legitime, sinnvolle und notwendige Überbrückung. Die Behörde musste zahlen (S 9 AS 1774/23 ER). Grundsätzlich erkannte auch das Bundessozialgericht an, dass Übergangsunterkünfte zu den Kosten der Unterkunft zählen können (B 14 AS 19/20 R).

Fallbeispiel ausführlich: Die Hosteleinmietung vor dem Sozialgericht Leipzig

Im Leipziger Verfahren mietete ein wohnungsloses Paar eigenständig ein Hostelzimmer, weil sie trotz intensiver Suche keine Wohnung fanden und sonst auf der Straße gelandet wären. Das Jobcenter lehnte die Kostenübernahme ab, verwies pauschal auf Notunterkünfte und argumentierte mit starren Mietobergrenzen, als ginge es um eine normale Wohnung – nicht um eine akute Notsituation.

Die Notlage entscheidet, nicht die Mietgrenze

Das Sozialgericht Leipzig widersprach dieser Haltung deutlich. Maßgeblich sei nicht die abstrakte Mietobergrenze, sondern die konkrete Angemessenheit der Unterkunft in einer realen Notlage. Das Paar hatte keine Wohnung gefunden, die städtische Unterbringung war faktisch nicht nutzbar, und ein Aufenthalt im Freien wäre unzumutbar gewesen. Somit stellte das Hostel eine legitime und notwendige Zwischenlösung dar, die das Jobcenter finanzieren musste.

Notunterkünfte müssen verfügbar sein

Besonders wichtig ist die gerichtliche Feststellung, dass Behörden nicht pauschal auf Sammelunterkünfte verweisen dürfen. Sie müssen prüfen, ob diese tatsächlich verfügbar, erreichbar, sicher, hygienisch und individuell zumutbar sind. Oft scheitern Notunterkünfte an Überfüllung, Bedrohungslagen, fehlender Barrierefreiheit oder mangelnder Privatsphäre.

Obdachlose dürfen sofort handeln

Ebenfalls betonte das Gericht: In akuter Obdachlosigkeit dürfen Betroffene sofort handeln. Sie müssen keine Zusage abwarten, da dies in realen Notlagen regelmäßig zeitlich unmöglich ist. Der Griff zu einer eigenständig organisierten Unterkunft ist daher nicht nur erlaubt, sondern geboten – und die Kostenübernahme durch das Jobcenter folgerichtig.

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Mit diesem Urteil sendet das Gericht ein deutliches Signal: In Notlagen steht die Menschenwürde über abstrakten Mietrichtwerten. Wer ernsthaft sucht und keine Wohnung findet, darf nicht in Obdachlosigkeit gedrängt werden – auch wenn eine Übergangslösung teurer ist als eine theoretisch „angemessene“ Miete.

Drei Praxisbeispiele

1. Hamburg: Pension statt Brücke: Ein 57-Jähriger schläft eine Woche unter einer Brücke, weil die Notunterkunft voll ist. Im Eilverfahren verpflichtet das Gericht das Jobcenter zur Übernahme einer Pension – gestützt auf verfassungsgerichtliche Vorgaben zum Schutz vor Obdachlosigkeit.

2. Dortmund: Mutter mit Kind im Hotel: Eine Mutter mit Kind steht nach fristloser Kündigung auf der Straße. Nach Eilantrag ordnet das Gericht die Übernahme der Hotelkosten an und betont die Pflicht, den Unterkunftsbedarf sofort zu sichern.

3. Leipzig: Barrierefreies Hotel für Rollstuhlfahrerin: Eine Rollstuhlfahrerin benötigt eine barrierefreie Unterkunft. Das Gericht erkennt das Hotel als notwendigen Unterkunftsbedarf an und verweist auf die Einbeziehung besonderer Unterbringungsformen.

Worauf Sie achten sollten

Dokumentieren Sie Ihre Notsituation detailliert: verweigerte Unterkünfte, gesundheitliche Risiken, fehlende Alternativen. Sichern Sie Belege wie Hostelrechnungen, Quittungen oder E-Mails.

Verweisen Sie bei Bedarf auf die einschlägige Rechtsprechung – besonders das Urteil aus Leipzig zur konkreten Angemessenheit, das BVerfG zum Eilrechtsschutz und Entscheidungen zu besonderen Unterkunftsformen. Damit stärken Sie Ihre Position erheblich.

Checkliste: Hotel- und Pensionskosten beim Jobcenter durchsetzen

✔ Gründe der Obdachlosigkeit schriftlich festhalten
✔ Rechnungen oder Buchungsbestätigungen sichern
✔ Notlage sofort dem Jobcenter melden
✔ Formlosen Antrag auf Kostenübernahme stellen
✔ Bemühungen um andere Unterkunft dokumentieren
✔ Bei Ablehnung Widerspruch und Eilantrag stellen – unter Hinweis auf Urteile

FAQ: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Übernimmt das Jobcenter immer ein Hostel oder Hotel?
Nein, aber Gerichte verpflichten Jobcenter oft zur Übernahme, wenn keine anderen realen Alternativen bestehen – wie im Fall aus Leipzig.

Wie teuer darf die Unterkunft sein?
Sie muss im Einzelfall angemessen sein. Die Leipziger Entscheidung zeigt, dass höhere Kosten zulässig sein können, wenn es sonst keine Unterkunft gibt.

Brauche ich eine Genehmigung vor der Buchung?
Nein. In Notlagen dürfen Betroffene selbst handeln. Übergangslösungen können Kosten der Unterkunft sein.

Was tun bei Ablehnung?
Widerspruch und Eilantrag. Das Bundesverfassungsgericht verlangt wirksamen und schnellen Rechtsschutz.

Gilt der Schutz auch für Menschen ohne feste Wohnung?
Ja. Sozialgerichte erkennen sogar Heizkosten im Zelt an, wenn dies zur Sicherung des Existenzminimums nötig ist.

Fazit

Jobcenter dürfen Menschen nicht in Obdachlosigkeit drängen. Die Rechtsprechung zeigt deutlich: Unterkunft – auch in Hostels oder Hotels – gehört zum Existenzminimum und ist bei realer Notlage zu sichern. Wer dokumentiert, rasch handelt und die einschlägigen Urteile kennt, stärkt seine Rechtsposition erheblich.