Wer im Jahr 2024 Bürgergeld bezogen hat, könnte noch Geld vom Jobcenter bekommen – allerdings nur, wenn Fehler in alten Bescheiden rechtzeitig gerügt werden. Der Gesetzgeber sieht dafür eine strikt begrenzte Nachzahlungsfrist vor.
Für Ansprüche aus dem Jahr 2024 ist Ende 2025 die entscheidende Grenze: Spätestens bis zum 31. Dezember 2025 muss ein sogenannter Überprüfungsantrag beim Jobcenter eingehen, wenn für 2024 noch Nachzahlungen durchsetzbar sein sollen.
Der Hintergrund: Für das Bürgergeld gilt bei Nachzahlungen das Prinzip „aktuelles Jahr plus Vorjahr“. Wer 2025 einen Überprüfungsantrag stellt, kann in der Regel eine Nachzahlung für Zeiträume ab dem 1. Januar 2024 erreichen – natürlich nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen.
Rechtsgrundlage: Überprüfungsantrag und Nachzahlungsfrist beim Bürgergeld
Die Möglichkeit, alte Bescheide nachträglich korrigieren zu lassen, beruht auf dem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Diese Vorschrift erlaubt es, auch bestandskräftige, also eigentlich „abgeschlossene“ Bescheide noch einmal überprüfen zu lassen, wenn sie von Anfang an rechtswidrig waren.
Für Bürgergeld-Leistungen nach dem SGB II hat der Gesetzgeber diese allgemeine Regel jedoch deutlich eingeschränkt. § 40 SGB II verweist zwar auf § 44 SGB X, begrenzt aber Nachzahlungen auf das Kalenderjahr vor Stellung des Überprüfungsantrags. Praktisch bedeutet das:
Stellt jemand im Laufe des Jahres 2025 einen Überprüfungsantrag, können Nachzahlungen nur für Zeiträume ab dem 1. Januar 2024 verlangt werden – selbst dann, wenn der fehlerhafte Bescheid schon länger zurückliegt.
Rein formal ließen § 44 SGB X und die allgemeine Vierjahresfrist im Sozialrecht deutlich längere Rückwirkungen zu. Für Bürgergeld-Leistungen wirkt die Spezialregelung des § 40 SGB II jedoch wie ein „Deckel“ auf der Dauer der Nachzahlungsmöglichkeiten.
Wichtig: Unterschied zwischen Antrag, Bewilligung und Nachzahlung
Viele Missverständnisse entstehen, weil unterschiedliche rechtliche Situationen miteinander vermischt werden.
Wer erstmals Bürgergeld beantragt, erhält Leistungen grundsätzlich nicht rückwirkend für Monate vor der Antragstellung. § 37 SGB II regelt, dass Leistungen frühestens ab dem Monat der Antragstellung gezahlt werden, wobei der Antrag auf den ersten Tag dieses Monats zurückwirkt. Eine Nachzahlung für Zeiträume ohne damaligen Antrag ist normalerweise ausgeschlossen.
Die Nachzahlung, um die es hier geht, betrifft einen anderen Fall: Es existieren bereits Bescheide des Jobcenters – etwa Bewilligungen, Änderungsbescheide oder Ablehnungen – und diese Bescheide waren von Beginn an rechtlich oder rechnerisch falsch.
In solchen Fällen kann ein Überprüfungsantrag dazu führen, dass der Bescheid aufgehoben oder geändert wird und der Leistungsanspruch für vergangene Zeiträume neu festgesetzt wird. Die sich daraus ergebenden Nachzahlungen sind dann jedoch zeitlich begrenzt: Sie werden nur für das laufende Jahr und das vorherige Kalenderjahr gewährt.
Bis wann sind Nachzahlungen für 2024 noch möglich?
Entscheidend ist stets der Zeitpunkt, zu dem der Überprüfungsantrag beim Jobcenter eingeht – nicht das Datum, an dem er verfasst oder in den Briefkasten geworfen wurde. Die Frist ist an das Kalenderjahr gekoppelt.
Wer im Jahr 2025 einen Überprüfungsantrag stellt, kann das gesamte Jahr 2024 noch erfassen, solange der Antrag nachweislich spätestens am 31. Dezember 2025 beim Jobcenter eingeht.
Geht der Antrag erst im Januar 2026 ein, verschiebt sich die rückwirkende Wirkung auf den 1. Januar 2025. Leistungen für 2024 können dann nicht mehr nachgefordert werden, selbst wenn der ursprüngliche Bescheid eindeutig fehlerhaft war. Genau deshalb sprechen Beratungsstellen und Fachportale von einer „letzten Chance“ für Nachzahlungen aus dem Jahr 2024.
Besonders problematisch sind Konstellationen, in denen das Jobcenter spät, etwa erst Ende 2025, einen abschließenden Bescheid über schwankende Einkommen oder Betriebseinnahmen erlässt. In solchen Fällen kann nur ein kurzer Zeitraum bleiben, um mit einem Überprüfungsantrag die Nachzahlung für 2024 abzusichern.
Wer überhaupt realistische Chancen auf eine Nachzahlung hat
Nicht jede Person, die 2024 Bürgergeld bezogen hat, kann damit rechnen, noch Geld zu bekommen. Es braucht einen konkreten, rechtlich relevanten Fehler im Bescheid oder im Berechnungsweg. Typische Konstellationen sind zum Beispiel:
Ein Jobcenter berücksichtigt eine gestiegene Miete oder Nebenkosten verspätet oder nur teilweise, obwohl die tatsächlichen Unterkunftskosten nach den örtlichen Angemessenheitsgrenzen höher hätten übernommen werden müssen.
Ein Anspruch auf Mehrbedarf – etwa wegen Alleinerziehung, kostenaufwändiger Ernährung, Behinderung oder Schwangerschaft – wurde übersehen oder unvollständig berücksichtigt.
Einkommen wurde fehlerhaft angerechnet, etwa weil Freibeträge nicht oder falsch abgezogen wurden oder weil einmalige Einnahmen nicht korrekt auf mehrere Monate verteilt worden sind, wodurch das laufende Bürgergeld zu niedrig ausfiel.
Auch bei abgelehnten Anträgen oder zu früh beendeten Bewilligungszeiträumen kann sich eine Überprüfung lohnen, wenn die rechtliche Begründung zweifelhaft war.
Wichtig ist aber: Wer im Jahr 2024 nie einen Antrag gestellt hat und keinen Verwaltungsakt des Jobcenters für diese Zeiträume besitzt, kann in aller Regel keine Nachzahlung für 2024 beanspruchen. Ohne damaligen Antrag gibt es keinen Bescheid, der überprüft werden könnte. Nur in seltenen Ausnahmen, etwa bei nachweislich verlorenen oder unbearbeiteten Anträgen, kann etwas anderes gelten.
Überprüfungsantrag: Wie das Verfahren grundsätzlich abläuft
Der Überprüfungsantrag ist grundsätzlich formfrei, sollte aber inhaltlich klar strukturiert sein. Das Schreiben muss erkennen lassen, welche Bescheide und welche Zeiträume überprüft werden sollen und weshalb der alte Bescheid für rechtswidrig gehalten wird.
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Bescheid prüfenIn der Praxis empfiehlt es sich, den Bescheid genau zu bezeichnen (Datum, Aktenzeichen), den Zeitraum zu benennen (etwa „Bewilligungszeitraum Januar bis Juni 2024“) und den vermuteten Fehler möglichst konkret zu schildern, beispielsweise eine nicht vollständig berücksichtigte Miete oder einen nicht gewährten Mehrbedarf.
Das Jobcenter muss den Antrag prüfen und – sofern ein Fehler vorliegt – den alten Bescheid aufheben oder ändern und einen neuen Bescheid erlassen. Ergibt sich daraus eine höhere Leistungsberechtigung für Zeiträume des Jahres 2024, sind die Differenzbeträge nachzuzahlen, soweit die Nachzahlungsfrist dies erlaubt.
Allerdings kann ein Überprüfungsantrag auch zu Ungunsten der antragstellenden Person ausgehen. Stellt das Jobcenter bei der erneuten Prüfung fest, dass in der Vergangenheit zu hohe Leistungen bewilligt worden sind, können Rückforderungen entstehen. Eine sorgfältige Abwägung, idealerweise mit fachkundiger Beratung, ist daher sinnvoll.
Widerspruch, verlängerte Fristen und das Jahr 2024
Neben der besonderen Nachzahlungsregel spielt auch die Widerspruchsfrist eine wichtige Rolle. Grundsätzlich gilt: Gegen einen neuen Bescheid kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden.
Für zahlreiche Bescheide ab 2024 wurde allerdings diskutiert, ob fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrungen zu einer Verlängerung der Widerspruchsfrist führen. Wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung missverständlich oder unvollständig ist, kann sich die Frist auf bis zu ein Jahr verlängern. Das wurde insbesondere im Zusammenhang mit Hinweisen zur elektronischen Einlegung von Widersprüchen thematisiert.
Für die Nachzahlung von Leistungen aus 2024 ist das zweischneidig.
Solange noch wirksam Widerspruch eingelegt werden kann, ist der Überprüfungsantrag nicht unbedingt das naheliegende Mittel; häufig ist der direkte Widerspruch einfacher und rechtlich günstiger.
Sind jedoch sowohl die reguläre als auch eine verlängerte Widerspruchsfrist abgelaufen, bleibt für bereits bestandskräftige Bescheide nur noch der Überprüfungsantrag – und damit wiederum die an das Kalenderjahr geknüpfte Nachzahlungsgrenze.
Was Betroffene vor einem Antrag klären sollten
Vor der Einreichung eines Überprüfungsantrags sollten Betroffene ihre Situation so nüchtern wie möglich analysieren. Entscheidend ist die Frage, ob es konkrete Anhaltspunkte für Fehler gibt oder ob lediglich Unzufriedenheit mit der Höhe der bewilligten Leistungen besteht. Letzteres reicht nicht aus; erforderlich ist ein greifbarer Ansatzpunkt für eine falsche Rechtsanwendung oder eine fehlerhafte Tatsachengrundlage.
Sinnvoll ist es, alle Bescheide des Jobcenters aus dem Jahr 2024 zusammenzutragen – inklusive Änderungsbescheiden, Anhörungen und Berechnungsbögen – und diese mit Mietvertrag, Nebenkostenabrechnungen, Einkommensnachweisen und Kontoauszügen abzugleichen. Beratungsstellen berichten seit Jahren, dass gerade bei Unterkunftskosten, Mehrbedarfen sowie schwankenden Erwerbseinkommen immer wieder Fehler vorkommen.
Wer sich unsicher ist, ob sich der Aufwand eines Überprüfungsantrags lohnt, kann auf spezialisierte Sozialberatungsstellen, Erwerbsloseninitiativen, Verbraucherzentralen oder Fachanwältinnen und Fachanwälte für Sozialrecht zurückgreifen. Oft gibt es eine erste Einschätzung kostengünstig oder sogar kostenlos. Daneben existieren digitale Angebote, die Bescheide prüfen und sich im Erfolgsfall über einen Teil einer möglichen Nachzahlung finanzieren.
Form und Nachweis: Warum der Zugang beim Jobcenter so wichtig ist
Für die Wahrung der Frist ist entscheidend, dass der Überprüfungsantrag rechtzeitig beim Jobcenter eingeht und dies im Zweifel nachgewiesen werden kann. Fachleute empfehlen daher, die Übermittlung immer so zu gestalten, dass ein Zustellnachweis vorliegt – etwa durch Einwurf-Einschreiben, Fax mit Sendebericht oder persönliche Abgabe gegen schriftliche Empfangsbestätigung.
Viele sozialrechtliche Fristen knüpfen an den tatsächlichen Zugang eines Schreibens bei der Behörde an. Kommt ein Antrag verspätet an, weil er zum Beispiel über die Feiertage in der Post stecken bleibt, kann dies dazu führen, dass Nachzahlungen für 2024 endgültig ausgeschlossen sind.
Fällt der 31. Dezember auf ein Wochenende oder einen Feiertag, verschiebt sich das Fristende nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts auf den nächsten Werktag. Trotzdem raten Beratungsstellen dazu, nicht bis zum letzten Tag zu warten, sondern ausreichend Zeitpuffer einzuplanen.
Ausblick: Was sich nach Ablauf der Frist ändert
Ist die Frist verstrichen, sind Nachzahlungen für 2024 – abgesehen von wenigen Ausnahmefällen – nicht mehr durchsetzbar. Ein Überprüfungsantrag kann zwar weiterhin gestellt werden, aber die Rückwirkung beschränkt sich dann auf das jeweils zulässige Zeitfenster, also das laufende Jahr und das unmittelbar vorangegangene Jahr. Für das Jahr 2026 bedeutet dies etwa: Nachzahlungen sind nur noch für Zeiträume ab Januar 2025 möglich, nicht mehr für 2024.
Für Menschen, deren Leistungsanspruch im Jahr 2024 zu niedrig festgesetzt wurde, markiert der Jahreswechsel 2025/2026 damit eine klare Zäsur. Wer bis dahin keinen Überprüfungsantrag gestellt hat, lässt mögliche Ansprüche auf diesem Weg verfallen.
Gleichzeitig bleibt wichtig: Auch künftig sollten neue Bescheide möglichst zeitnah geprüft werden. Wer Fehler früh erkennt und innerhalb der Widerspruchsfrist reagiert, muss sich später nicht auf den engeren Korridor der Überprüfungsanträge verlassen.
Beispiel für einen Überprüfungsantrag
Vorname Nachname
Straße Hausnummer
PLZ Ort
Jobcenter [Name des Jobcenters]
Straße Hausnummer
PLZ Ort
Ort, Datum
Betreff: Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom [Datum] gemäß § 44 SGB X i. V. m. § 40 SGB II (Bürgergeld)
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich die Überprüfung des folgenden Bescheides:
Bescheid vom [Datum des Bescheides], Geschäftszeichen: [Aktenzeichen, soweit bekannt],
betreffend den Bewilligungszeitraum [zum Beispiel: 01.01.2024 bis 30.06.2024].
Ich bin der Auffassung, dass der oben genannte Bescheid von Anfang an rechtswidrig war und mir im genannten Zeitraum zu geringe Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) bewilligt wurden.
Nach meiner Einschätzung liegt insbesondere folgender Fehler vor:
Im Bescheid wurden meine tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung nicht vollständig berücksichtigt.
Meine monatliche Bruttokaltmiete beträgt [Betrag] Euro, die monatlichen Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten betragen [Betrag] Euro. Insgesamt ergeben sich somit Kosten der Unterkunft von [Betrag] Euro monatlich.
Im Berechnungsbogen zum Bescheid werden jedoch nur [Betrag] Euro als anerkannte Kosten der Unterkunft angesetzt. Eine nachvollziehbare Begründung für die Abweichung ist dem Bescheid nicht zu entnehmen.
Ich bitte daher, den Bescheid vom [Datum] gemäß § 44 SGB X zu überprüfen und die Höhe der mir zustehenden Leistungen für den Zeitraum [zum Beispiel: 01.01.2024 bis 30.06.2024] neu festzusetzen.
Sollte sich im Rahmen der Überprüfung ergeben, dass mir höhere Leistungen zustehen, beantrage ich die Nachzahlung der zu wenig bewilligten Beträge für den genannten Zeitraum.
Bitte lassen Sie mir einen schriftlichen, begründeten Bescheid über das Ergebnis der Überprüfung zukommen. Für Rückfragen oder die Übersendung weiterer Unterlagen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift handschriftlich, falls per Post]
Vorname Nachname
Fazit
Die Nachzahlung von Bürgergeld für das Jahr 2024 ist keine Kulanzfrage, sondern Folge klarer gesetzlicher Regelungen. Die Kombination aus Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X und der Nachzahlungsbegrenzung in § 40 SGB II führt dazu, dass Ende 2025 faktisch die letzte Gelegenheit besteht, Ansprüche auf zusätzliche Leistungen aus dem Jahr 2024 geltend zu machen.
Wer den Verdacht hat, im Jahr 2024 zu wenig Bürgergeld erhalten zu haben, sollte die Frist bis zum 31. Dezember 2025 ernst nehmen und nicht ungenutzt verstreichen lassen. Ein Überprüfungsantrag ist zwar kein Selbstläufer, kann aber bei nachweisbaren Fehlern zu spürbaren Nachzahlungen führen – insbesondere im Bereich der Kosten der Unterkunft, der Mehrbedarfe und der Einkommensanrechnung. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass bei der Überprüfung auch Überzahlungen entdeckt und zurückgefordert werden können.
Eine sorgfältige Durchsicht der Unterlagen, idealerweise begleitet von fachkundiger Unterstützung, ist daher der sinnvollste Weg, um die eigene Position realistisch einzuschätzen und diese letzte Chance auf Bürgergeld-Nachzahlungen für 2024 gegebenenfalls zu nutzen.
Quellen
Gesetzestexte und amtliche Begründungen zum Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie zum Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), insbesondere §§ 37, 40 SGB II und § 44 SGB X.




