Eine junge Frau verliert ihren Job, weil sie zu früh zur Arbeit kam. Was zunächst absurd klingt, entpuppt sich als handfeste arbeitsrechtliche Frage. Das Sozialgericht in Spanien bestätigte die fristlose Kündigung – und löste damit eine Debatte aus, die auch für Deutschland hochrelevant ist.
Fast zwanzigmal vor Arbeitsbeginn am Arbeitsplatz
Die 22-jährige Logistikmitarbeiterin erschien 19-mal zwischen 06:45 und 07:00 Uhr, obwohl der Arbeitsbeginn im Vertrag unmissverständlich auf 07:30 Uhr festgelegt war. Sie erhielt mündliche Ermahnungen, schriftliche Abmahnungen und klare Anweisungen, dies zu unterlassen. Laut Gericht reichte das, um die Entlassung zu rechtfertigen.
Die Mitarbeiterin sollte täglich die Routen des Vortags prüfen – eine Aufgabe, die vor 07:30 Uhr schlicht nicht existierte. Deshalb wies die Firma sie an, das Gelände erst zum Arbeitsbeginn zu betreten. Doch die Beschäftigte ignorierte diese Vorgabe immer wieder – und loggte sich zusätzlich per App ein, während sie kilometerweit entfernt war.
Verkauf ohne Genehmigung
Zu diesem kam ein weiterer Vorfall: Die junge Frau soll einmal eine gebrauchte Firmenbatterie ohne Genehmigung verkauft haben. Für die Unternehmensleitung war die Grenze überschritten: Sie sprach von einem „schweren Fehlverhalten“ und kündigte fristlos.
Die Angestellte wehrte sich und argumentierte, niemand könne sie bestrafen, weil sie „zu pünktlich“ sei und nur ihr Arbeitspensum im Blick habe. Doch das Gericht stellte klar: Das war keine Pünktlichkeit, sondern beharrliche Missachtung betrieblicher Regeln.
Gericht wertet Verhalten als Vertrauensbruch
Die Richter beschrieben das Verhalten als „schweren Fehler aufgrund von Ungehorsam, Illoyalität und Vertrauensmissbrauch“. Nach Artikel 54 Absatz 2 des spanischen Arbeitnehmerstatuts gilt: Wiederholte Pflichtverstöße – auch im Bereich Pünktlichkeit und Gehorsam – rechtfertigen eine fristlose Kündigung.
Die Frage lautete: Kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, wenn eine Beschäftigte wiederholt früher erscheint als erlaubt – trotz Abmahnungen und klarer Verbote?
Es geht um Störung des Betriebs
Ja, entschied das Gericht. Frühzeitiges Erscheinen kann als Pflichtverletzung gelten, wenn dadurch betriebliche Abläufe gestört werden, die Unternehmensordnung verletzt wird oder ein klarer Weisungsverstoß vorliegt. Es geht also nicht um Pünktlichkeit, sondern um Regeltreue.
Vergleich zu Deutschland: Wäre so ein Urteil hier möglich?
In Deutschland gibt es kaum Fälle, in denen ein Gericht eine Kündigung wegen „zu frühem Erscheinen“ bestätigte – aber es gibt Urteile zu Regelungen am Arbeitsplatz, die einschätzen lassen, wohin die Reise geht.
Klare und wiederholte Weisungsverstöße und nein konkretes Stören betrieblicher Abläufe sind auch in Deutschland Kündigungsgründe, da der Arbeitnehmer damit seine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt.
Wenn in Deutschland Zutrittszeiten eindeutig geregelt wären und ein Beschäftigter diese trotz Abmahnungen systematisch missachtet, könnte auch hier eine Kündigung wirksam sein – egal ob wegen Zuspätkommen oder „Zu-früh-Kommen“.
Infrage käme eine verhaltensbedingte Kündigung
Im strittigen Fall wäre die Frage hierzulande, ob eine verhaltensbedingte Kündigung angemessen ist. Dabei ist meist eine vorherige Abmahnung nötig, und zudem muss die Kündigung verhältnismäßig sein. Ob dies zutrifft, entscheiden Gerichte im Einzelfall.
Warum der Fall Betroffene wachrüttelt
Das Urteil stellt ein verbreitetes Missverständnis auf den Kopf: Überpünktlichkeit schützt nicht automatisch – sie kann zum Risiko werden. Für Arbeitnehmer heißt das: Wer „extra engagiert“ startet, sollte klären, ob der Betrieb das überhaupt möchte. Regeln gelten auch dann, wenn sie unlogisch wirken.
Für Arbeitgeber bedeutet es: Nur klar formulierte Arbeitszeit- und Zutrittsregeln, kombiniert mit Abmahnungen, schaffen Rechtssicherheit.
Bis zur möglichen Berufung beim Obersten Gerichtshof von Valencia bleibt das Urteil gültig – und sendet ein deutliches Signal über Landesgrenzen hinaus.
FAQ: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Kann frühes Erscheinen wirklich zur Kündigung führen?
Ja – wenn es ausdrücklich untersagt ist und Beschäftigte sich trotz Abmahnung nicht daran halten.
Warum ist frühes Erscheinen überhaupt ein Problem?
Weil es betriebliche Abläufe stören, Ressourcen binden oder Sicherheitsvorgaben verletzen kann.
Braucht es vor einer Kündigung immer eine Abmahnung?
In der Regel ja. Ohne Abmahnung ist eine fristlose Kündigung nur in Ausnahmefällen zulässig.
Gibt es solche Fälle in Deutschland?
Nicht identisch, aber Gerichte bestätigten Kündigungen bei Störungen des Betriebsablaufs.
Würde ein deutsches Gericht genauso entscheiden?
Wenn Zutrittsregeln eindeutig sind und der Beschäftigte sie hartnäckig ignoriert: sehr wahrscheinlich ja.
Fazit
Der Fall aus Alicante zeigt: Arbeitsrecht belohnt nicht guten Willen, sondern Verlässlichkeit und Regeltreue. Wer wiederholt gegen klare Vorgaben verstößt, riskiert seine Stelle — ,auch wenn der Verstoß zunächst banal wirkt. Für Beschäftigte bedeutet das: lieber einmal mehr nachfragen, bevor aus vermeintlicher Motivation ein Kündigungsgrund wird.




