Bürgergeld: Jobcenter ignoriert den Freibetrag bei Bürgergeld-Bezieher – Urteil

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Bei einem Vorschuss des zukünftigen Arbeitgebers muss das Jobcenter den Freibetrag auf das Erwerbseinkommen beim Bürgergeld berücksichtigen, und zwar in dem Monat, in dem der Betrag zugeflossen ist. So urteilte das Bundessozialgericht.

Jobcenter ignoriert die Freibeträge

Der Betroffene im Bürgergeld-Bezug fing ein neues Arbeitsverhältnis an und meldete dieses dem Jobcenter. Laut Arbeitsvertrag erhielt er zum 15. März den ersten Lohn. Jedoch zahlte ihm der Arbeitgeber einen Vorschuss von 355,00 Euro.

Das Jobcenter rechnete die volle Summe als Einkommen an und zog lediglich die Versicherungspauschale von 30,00 Euro ab. Der Betroffene sollte als 325,00 Euro an das Jobcenter zurückzahlen. Freibeträge spielten für die Behörde in diesem Fall keine Rolle.

Wie hoch sind die Freibeträge

Beim Bürgergeld werden 100,00 Euro eines Erwerbseinkommens nicht auf die Leistung angerechnet. Bei einem Bruttoeinkommen zwischen 100,00 und 520,00 Euro bleiben 20 Prozent frei, bei einem Verdienst zwischen 520,00 und 1000,00 Euro 30 Prozent und zwischen 1.000,00 und 1.200,00 Euro weitere zehn Prozent.

Kläger argumentiert mit Freibetrag

Beim Bürgergeld gibt es einen Grundfreibetrag für Erwerbseinkommen pro Monat von 100,00 Euro, der nicht auf die Sozialleistung angerechnet wird. Weitere 20 Prozent der Zahlung wären laut Paragraf 11 des Sozialgesetzbuches II ebenfalls nicht angerechnet worden.

Hätte sich das Jobcenter an diese Regelung bei dem Vorschuss gehalten, dann wären 151,00 Euro von den 355,00 Euro anrechnungsfrei geblieben. In der Summe hätte der Betroffene nur 204,00 Euro erstatten müssen und nicht 325,00 Euro.

So argumentierte der Betroffene bei seiner Klage vor dem Sozialgericht Lübeck und bekam dort Recht. (S 40 AS 658/16)

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Landessozialgericht sieht die Lohnabrechnung als entscheidend an

Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein sah in der Berufung jedoch den Monat der ersten Lohnabrechnung als entscheidend an und erklärte, die Freibeträge seien erst im März gültig. (L 3 AS 133/18).

Der Betroffene blieb dabei, dass laut dem Sozialgesetzbuch II das Monatsprinzip für Einkommen gelte, und zwar in dem Monat, in dem sie zufließen. Und das gelte bei Freibeträgen für den Monat in dem das Arbeitseinkommen zuflösse, was bei diesem Vorschuss vor dem März gewesen sei.

Vorschuss ist Arbeitseinkommen

Es ging in die dritte Instanz, vor das Bundessozialgericht, und dieses gab dem Leistungsbezieher Recht. Beträge müssten in dem Monat abgezogen werden, in dem sie zuflössen. (B 4 AS 24/21 R)

Solche Absetzbeträge bei Erwerbstätigkeit hätten strikt dem Monatsprinzip zu folgen, und dies auch
dann, wenn ihre Abrechnung erst im Folgemonat erfolgt.

Es geht um Arbeitsanreize

Das Bundessozialgericht stellte grundlegend klar, warum dieses Monatsprinzip so wichtig ist. Erst einmal dienten die Freibeträge dazu, die Verwaltung zu vereinfachen.

Zudem sollten sie Arbeitsanreize bieten. Wörtlich heißt es: „Dieser Freibetrag soll zudem, ebenso wie der besondere Erwerbstätigenfreibetrag, einen finanziellen Anreiz zur Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit schaffen, auch wenn diese nicht bedarfsdeckend ist.“

Auch Vorabzahlungen durch den Arbeitgeber dienten diesem Ziel, denn sie böten einen Anreiz zu arbeiten, und auch deswegen seien hier Freibeträge zu berücksichtigen.