Trinkgeld wird bis zu einer bestimmten Grenze beim Bürgergeld nicht als Einkommen berechnet. Leistungsberechtigte kennen es nur zu gut. Alles, was über den 100,00 Euro Freibetrag liegt, wird als Einkommen berechnet und von den Leistungen des Jobcenters abgezogen. Der Grundfreibetrag von 100 Euro gilt nur für Erwerbseinkommen (§ 11b Abs. 2 SGB II). Trinkgeld ist laut BSG bis 10 % kein Einkommen. (B 7/14 AS 75/20 R).
Bürgergeld-Bezieher erhält regelmäßig Trinkgeld
Die Betroffene arbeitete in der Gastronomie und bezog ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Von den Kunden erhielt sie außer ihrem Erwerbseinkommen auch Trinkgeld, und zwar in Höhe von 25 Euro pro Monat.
Jobcenter und Sozialgericht halten Trinkgeld für Erwerbseinkommen
Das Jobcenter bewertete das Trinkgeld als Einkommen und rechnete es auf den Regelbedarf an. Die Frau akzeptierte diese Entscheidung nicht, legte Widerspruch ein, und die Behörde wies diesen zurück. Daraufhin klagte sie vor dem Sozialgericht, doch dieses stellte sich hinter die Entscheidung des Jobcenters.
Sie legte Berufung vor dem Landessozialgericht ein, und auch diese blieb ohne Erfolg für die Leistungsberechtigte.
Schließlich wurde die Angelegenheit vor der höchsten Instanz der Sozialgerichte verhandelt. Das Bundessozialgericht kam zu einem anderen Ergebnis als das Jobcenter und die Vorinstanzen.
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Wie ist die gesetzliche Grundlage?
Paragraf 11 des Sozialgesetzbuches II definiert: (1) Als Einkommen zu berücksichtigen, sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. (…)“
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Bescheid prüfenAuf diese gesetzliche Grundlage bezogen sich Jobcenter, Sozialgericht und Landessozialgericht.
Kein Erwerbseinkommen, sondern eine Zuwendung
Ohne Zweifel ist Trinkgeld Geld. Warum sah das Bundessozialgericht dieses Geld jetzt nicht als zu berücksichtigendes Einkommen, also als Einnahme an? Die oberste Instanz schätzte Trinkgeld grundsätzlich anders ein als die vorigen Instanzen. Es handelt sich nicht um Erwerbseinkommen. Vielmehr sei Trinkgeld eine Zuwendung, die Dritte erbrächten, ohne dazu rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein.
Dazu steht im Paragraf 11 a des Sozialgesetzbuches II über nicht zu berücksichtigendes Einkommen: „(5) Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit
- ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder
- sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.(…)”
Trinkgeld wird nur dann berechnet, wenn es die Leistungen infrage stellt
Das Gericht berücksichtigte erstens den Charakter des Trinkgeldes als Zuwendung, und zweitens die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Diese dürfen nämlich nur gewährt werden, wenn Betroffene hilfebedürftig sind, also aus eigenen Mitteln ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren können.
Trinkgeld sei deshalb nur dann bei der Berechnung der Leistungen nach dem Sozialgeld II zu berücksichtigen, wenn seine Höhe die Leistungen nicht mehr rechtfertige. Die Grenze dafür legte das Bundessozialgericht mit zehn Prozent des Regelbedarfs fest.
Was bedeutet für Sie als Betroffene?
Die Höhe des Regelsatzes für Alleinstehende liegt beim Bürgergeld derzeit bei 563,00 Euro pro Monat. Sie dürfen also bis zu 56,30 Euro Trinkgeld pro Monat erhalten, ohne dass das Jobcenter Ihnen dies als Einkommen anrechnen darf. Die 10 %-Schwelle ist jeweils an den individuellen Regelbedarf gekoppelt. Pflichtbedienungsentgelte oder vom Arbeitgeber pauschal verteilte “Tip-Outs” gelten als Arbeitslohn und unterliegen nicht der BSG-Sonderregel.
Da Bürgergeld das Existenzminimum bedeutet, kann dieses zusätzliche Geld Erleichterung bringen. Oft ist es gerade die Summe, die in der letzten Woche des Monats fehlt, um eine warme Mahlzeit auf dem Tisch zu haben.




