Bürgergeld: Geldgeschenk für Führerscheinerwerb ist kein Einkommen

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Jobcenter: Geldgeschenk der Mutter zum Führerscheinerwerb ist eine zweckbestimmte Einnahme und kein Einkommen

1. Auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen können zweckbestimmt sein, wenn ihnen eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen wird.

2. Es muss aber objektiv erkennbar sein, dass die Leistung für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll (BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 47/08 R – ).

3. Die Zuwendung der Mutter in Höhe von 3400,00 € für den Führerscheinerwerb stellt für ihre hilfebedürftige Tochter kein anrechenbares Einkommen dar.

Begründung des Gerichts

Die Alleinerziehende und ihr Sohn bezogen beide ALG 2. Die Tochter bekam von ihrer Mutter ein Geldgeschenk i.H.v. 3.400,00 EUR .

Geldgeschenk war für den Führerscheinerwerb des Sohnes gedacht

Das Jobcenter rechnete den Geldbetrag beim ALG II der Mutter an.

Gegen die Zweckbestimmung spreche der Umstand, dass das Geld an die Antragstellerin überwiesen wurde, so das Jobcenter

Die Antragstellerin stellte klar, dass ihre Mutter ihr das Geld auf ihr Konto überwiesen habe, um den Sohn zu überraschen.

Die Vorinstanz lehnte den Antrag der Mutter ab, auch Prozesskostenhilfe wurde nicht gewährt.

Die Mutter kämpfte weiter und bekam Recht vom Landessozialgericht

Sie bekam Prozesskostenhilfe, denn sie war hilfebedürftig

Geldgeschenk eine zweckbestimmte Einnahme?

Es ist nicht fernliegend, dass die Schenkung die Lage der Antragstellerin nicht so günstig beeinflusst hat, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt gewesen wären.

Das Geldgeschenk der Mutter war nur zu einem Zweck: Führerscheinerwerb

Es war nicht der Wille ihrer Mutter, das Geldgeschenk für denselben Zweck einzusetzen, für den das ALG II bestimmt ist

Die Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfassen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilhabe am kulturellen Leben.

Der Erwerb eines LKW-Führerscheins fällt demnach nicht unter die Regelleistungen

Das LSG Sachsen war hier sehr zuversichtlich, dass das Geldgeschenk der Mutter für ihre Tochter zur Finanzierung des Führerscheinerwerbs gedacht war und daher kein anrechenbares Einkommen darstelle, denn es war zweckbestimmt.

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

Zweckbestimmt ist eine Leistung dann, wenn ihr eine bestimmte Zweckrichtung innewohnt, die für den Fall der Anrechnung als Einkommen nach dem SGB II vereitelt würde.

In der Rechtsprechung wird vertreten, dass nicht erforderlich ist, die Leistungen nur zu dem bestimmten Zweck verwenden zu dürfen.

Es soll vielmehr genügen, dass die Leistung nur unter einer bestimmten Erwartung gegeben wird und der Empfänger sie für den bestimmten Zweck erhalten soll, ohne jedoch zur zweckbestimmten Mittelverwendung gezwungen werden zu können (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. November 2009 – L 5 AS 221/09 -).

Dieser Beschluss des LSG Sachsen erging zu Hartz IV Zeiten, hat aber seine Gültigkeit nicht verloren.

Hinweis:

Beim heutigem Bürgergeld wäre das Geldgeschenk der Mutter an die Tochter zur Finanzierung des Führerscheins kein anrechenbares Einkommen, weil das Geldgeschenk nicht zu einer Verbesserung der finanziellen Lage des Leistungsempfängerin geführt hat – 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II ( vgl. dazu BSG, Urt. v. 17.07.2024 – B 7 AS 10/23 R – ).

Beim Bürgergeld ist die Freistellung von Einnahmen von der Berücksichtigung ist in § 11a SGB II geregelt. Ergänzt wird die gesetzliche Aufzählung durch § 1 Bürgergeld-V.

Was wäre wenn ( also mal angenommen heißt das auf deutsch )

Einen Leistungsempfänger im Sinne des SGB II, in eine Ausbildung zu vermitteln, wie zum Bsp. den Sohn hier von der Mutter, denn wäre es auch kein Einkommen, denn das Jobcenter müsste denn wahrscheinlich die Kosten für den Führerscheinerwerb aus dem Vermittlungsbudget erbringen – § 16 SGB II i.V.m. § 44 SGB III ( SG Mainz, Urt. v. 14.03.2017 – S 14 AS 1063/15 – ).

Wann ist ein Geldgeschenk – Zuwendung nicht zweckbestimmt – mithin also anrechenbares Einkommen

Beispiel Zur Schenkung eines Pkw während des SGB II-Leistungsbezugs

Ein von Familienangehörigen während des SGB II-Leistungsbezugs geschenkter Sachwert (hier: Pkw im Wert von 22.000 EUR) ist Einkommen iSv § 11 Abs 1 SGB II.

Ist für diese Zuwendung kein besonderer Verwendungszweck vereinbart, sondern wird sie (auch) für die allgemeine Lebensführung des SGB II-Beziehers verwandt, handelt es sich nicht um eine zweckbestimmte Einnahme iSv § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II aF.

Die Zuwendung ist als einmalige Einnahme gemäß § 11 Abs 3 SGB II zu berücksichtigen ( LSG Sachsen L 4 AS 83/14 – rechtskräftig –

Wann liegt eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II – nicht vor – wäre also anrechenbares Einkommen?

Beispiel:

Zur Schenkung von 5000, 00 € in Bar für die Beschaffung eines KFZ während des SGB II-Leistungsbezugs

Eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II liegt nicht vor in einem Fall, in dem die Mutter eines SGB-II-Leistungsbeziehers ihrem 61-jährigen Sohn, ohne hierzu rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein, einen Betrag in Höhe von 5000 € in bar für die Beschaffung eines Kfz zuwendet ( LSG Mecklenburg – Vorpommern L 8 AS 9/13 B ER )

Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.