Bürgergeld: Darf das Jobcenter zur Psychotherapie verpflichten?

Viele Leistungsberechtigte im Bürgergeld haben psychische Beschwerden, und psychiatrische Diagnosen sind unter Beziehern dieser Sozialleistungen deutlich häufiger als im Durchschnitt der Bevölkerung. Leser von gegen-hartz.de fragen uns, ob Mitarbeiter des Jobcenters berechtigt sind, von ihnen zu verlangen, eine Psychotherapie durchzuführen.

Jobcenter darf nicht zur Therapie verpflichten

Jobcenter-Mitarbeiter überschreiten immer wieder ihre Befugnisse, aus Anmaßung oder aus Inkompetenz. Gegenüber Leistungsberechtigten verhalten die entsprechenden Mitarbeiter sich dann häufig übergriffig und verletzen deren persönlichen Rechte. Wiederum ist dies manchen Jobcenter-Mitarbeitern egal, und sie tun es bewusst, andere wiederum kennen nicht einmal die Rechtslage.

Die ist in diesem Fall allerdings eindeutig. Der zuständige Mitarbeiter der Behörde darf Sie nicht zu einer Therapie verpflichten, weder wenn Sie an einer psychischen Erkrankung leiden, noch wenn Sie suchtkrank sind.

Keine Pflicht zur Gesundung

Eine Pflicht zur Therapie darf weder zur Eingliederungsvereinbarung (Kooperationsvereinigung) noch zum Verwaltungsakt zur Eingliederung des Jobcenters gehören. Eine allgemeine Pflicht, zu gesunden oder sich gesund zu erhalten, gehört nicht in den Bereich dieser Sozialleistung, und die Mitarbeiter der Jobcenter haben sind nicht befugt, Sie zu einer Therapie zu zwingen.

Anordnung einer Psychotherapie gehört nicht zur geforderten Selbsthilfe

Das gilt auch nicht im Rahmen des Gebots der Selbsthilfe, die ansonsten tatsächlich ein Prinzip des Bürgergeldes und anderer Sozialleistungen ist. Selbsthilfe bedeutet beim Bürgergeld, dass Erwerbsfähige sich nach ihrem besten Können darum kümmern, auf der Hilfebedürftigkeit und in Arbeit zu kommen. Die Anordnung einer Psychotherapie gehört nicht dazu.

Dies stellte das Sozialgericht Schleswig 2013 mit Beschluss klar und entschied gegen ein Jobcenter, dass per Verwaltungsakt eine  Psychotherapie angeordnet hatte. (S 16 AS 158/13).

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Erwerbsfähigkeit und Kooperationsvereinbarung

Bereits in den 2000ern hatte das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (L 3 ER 175/07 AS)  eine Pflicht zur Psychotherapie in der Eingliederungsvereinbarung (heute Kooperationsplan) für unwirksam erklärt. In diesem Urteil ging es allerdings nicht um Persönlichkeitsrechte, sondern um die Voraussetzungen für den Bezug von Grundsicherung (heute Bürgergeld).

Denn, so die Richter in beiden Gerichten, der Bezug dieser Sozialleistung setzt Erwerbsfähigkeit voraus. Wenn eine Erwerbsfähigkeit jedoch erst durch eine Therapie (möglicherweise) hergestellt würde, sei diese Voraussetzung nicht gegeben.

Freiwilligkeit ist Voraussetzung

Die Richter in Schleswig nannten ein entscheidendes Kriterium, das gegen eine Therapiepflicht zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt spricht und sprachen damit aus, was jeder psychologischen / psychiatrischen Fachkraft eine Selbstverständlichkeit ist, bei psychologisch unqualifizierten Mitarbeitern der Jobcenter jedoch unbekannt: Um erfolgreich sein zu können, müssen die Betroffenen freiwillig daran teilnehmen und aktiv daran mitwirken.

Für die Jobcenter heißt das hinsichtlich einer Therapie für Leistungsberechtigte mit psychischen Leiden: Angebot ja, Verpflichtung oder Druck nein.

Was dürfen die Jobcenter?

Die Jobcenter dürfen allerdings eine Erstberatung vereinbaren. Sie dürfen also betroffene Leistungsberechtigte verpflichten, am Prozess der Erstberatung eines psychosozialen Betreuungsangebots teilzunehmen (Paragraf 16 Sozialgesetzbuch II).