Mit einer Reform der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) soll die bisherige, befristete Bestandsschutzregelung neu gefasst werden. Künftig sollen tatsächliche Unterkunftskosten für Bürgergeld-Bezieher nicht mehr unbegrenzt in der Einführungsphase übernommen werden, sondern auf das 1,5-Fache der örtlichen Mietobergrenze gedeckelt sein. Diese Angemessenheitsgrenze soll – und das ist wesentlich – ausdrücklich auch für die sogenannte KdU-Karenzzeit gelten.
Die bisherige Rechtslage: Karenzzeit und befristeter Bestandsschutz
Seit Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023 gilt im SGB II eine Karenzzeit von einem Jahr: Innerhalb dieses Zeitraums werden die tatsächlichen Kosten der Unterkunft grundsätzlich anerkannt, ohne dass sofort die Angemessenheit geprüft wird.
Ziel war es, Menschen beim Einstieg in den Leistungsbezug zu stabilisieren und Umzugsdruck zu vermeiden. Diese Karenz galt neben der klassischen Angemessenheitsprüfung nach Ablauf des Jahres und flankierte den befristeten Bestandsschutz bei bereits bestehenden, teils überhöhten Mieten.
Deckel bei 150 Prozent der Mietobergrenze
Der neue Ansatz setzt eine klare Obergrenze: Auch in der Karenzzeit sollen die KdU höchstens bis zum 1,5-Fachen der örtlichen Mietobergrenze anerkannt werden. Damit endet die bislang mögliche Konstellation, dass sehr hohe Mieten während der Karenzzeit vollständig getragen werden, selbst wenn sie erheblich oberhalb der regionalen Richtwerte liegen.
In der Begründung der Reform wird argumentiert, dies diene der Vermeidung extremer Ausreißer und setze Fehlanreizen enge Grenzen.
Geltung auch in der Karenzzeit: Zäsur mit Signalwirkung
Besonders einschneidend ist, dass die Deckelung von Beginn des Leistungsbezugs an greifen soll. Die Karenzzeit bleibt als Stabilisierungselement erhalten, verliert aber den Charakter eines „Blankoschecks“.
Wer in einer Wohnung mit sehr hoher Miete lebt oder neu anmietet, kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass die tatsächlichen Kosten im ersten Jahr uneingeschränkt übernommen werden. Auch in Aussagen aus der Praxis wird darauf hingewiesen, dass die Begrenzung bereits in der Karenzzeit wirken soll.
Ausnahmen bei unabweisbar höheren Aufwendungen
Vorgesehen ist zugleich eine Härtefallklausel: In begründeten Einzelfällen können während der Karenzzeit unabweisbar höhere Unterkunftskosten als Bedarf anerkannt werden.
Dies betrifft etwa Situationen, in denen kurzfristig keine angemessene Wohnung verfügbar ist oder besondere Lebensumstände die höhere Miete erzwingen. Die Schwelle ist hoch; verlangt werden substantielle Gründe und in der Regel eine enge Einzelfallprüfung.
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Bescheid prüfenWas „örtliche Mietobergrenze“ bedeutet – und warum sie so umstritten ist
Die örtliche Mietobergrenze wird auf Basis eines „schlüssigen Konzepts“ ermittelt. Kommunen und Jobcenter werten hierfür den regionalen Wohnungsmarkt aus, definieren angemessene Wohnungsgrößen, beziehen Kaltmiete und kalte Betriebskosten ein und leiten daraus Richtwerte ab.
Diese Konzepte unterscheiden sich regional; sie müssen methodischen Mindestanforderungen genügen und regelmäßig fortgeschrieben werden. Kritiker bemängeln seit Jahren, dass Obergrenzen in angespannten Märkten zu niedrig ausfallen und das verfügbare Angebot unterschätzen. Befürworter verweisen auf Haushaltsklarheit und Rechtsgleichheit.
Konkrete Auswirkungen für Leistungsberechtigte
Für Betroffene bedeutet die 150-Prozent-Grenze eine frühzeitige Weichenstellung. Liegt die Miete mehr als die Hälfte über der örtlichen Mietobergrenze, werden die Kosten auch im ersten Jahr nur bis zu diesem Deckel übernommen; die Differenz bleibt grundsätzlich selbst zu tragen. Wer neu anmieten will, wird stärker auf die Obergrenzen achten müssen.
Nach Ablauf der Karenzzeit bleibt es bei der bekannten Logik: Überhöhte KdU müssen auf das angemessene Maß gesenkt werden; üblich sind Mitwirkungs- und Fristenkonstellationen bis hin zu Umzugsaufforderungen, sofern Senkungen nicht anders erreichbar sind.
Aber was heißt das konkret?
Veranschaulicht wird die Systematik durch eine einfache Rechnung: Beträgt die örtliche Mietobergrenze für einen Ein-Personen-Haushalt 500 Euro (Kaltmiete plus kalte Nebenkosten), läge der 150-Prozent-Deckel bei 750 Euro.
Eine Miete von 820 Euro würde in der Karenzzeit nur bis 750 Euro anerkannt; die Differenz müssten Leistungsbeziehende grundsätzlich anderweitig tragen – es sei denn, ein anerkannter Härtefall greift.
Die Heizkosten werden weiterhin eigenständig im Rahmen der Angemessenheit geprüft; die Reform adressiert hier vor allem die Unterkunftskomponente. Die Berechnung illustriert die Logik, ersetzt aber nicht die individuelle Prüfung durch das zuständige Jobcenter.
Übergänge, Unterbrechungen und Neuanfänge im Leistungsbezug
Unverändert bleibt die Grundarchitektur der Karenzzeit: Sie läuft über zwölf Monate, verlängert sich bei Unterbrechungen um die unterbrochene Zeit und beginnt grundsätzlich erst nach drei Jahren Leistungsfreiheit erneut. Diese bleibt auch in der neuen Konstellation relevant, weil sie bestimmt, ob und wann der 150-Prozent-Deckel erneut in einer Karenzphase greift.
Hinweis: Der Beitrag beruht auf dem derzeitigen Diskussions- und Entwurfsstand, der im weiteren Verfahren noch angepasst werden kann. Maßgeblich ist stets die letztlich beschlossene und veröffentlichte Gesetzesfassung.




