Bürgergeld: Dann gilt ein Widerspruchsbescheid des Jobcenters als nicht wirksam zugestellt

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Wann gilt ein Widerspruchsbescheid des Jobcenters als nicht wirksam zugestellt? Der Zugangszeitpunkt ist nur dann von der Behörde nachzuweisen, wenn der Empfänger die Vermutung durch entsprechenden Tatsachenvortrag erschüttert.

Gefordert wird ein substantiiertes Bestreiten in der Weise, dass der Betreffende einen abweichenden Geschehensablauf schlüssig vorträgt und dadurch zumindest Zweifel begründet, weil anderenfalls die Zugangsvermutung wertlos wäre (BSG, Urteil vom 09.12.2008 – B 8/9b SO 13/07 R-).

Andererseits dürfen die Anforderungen an die Substantiierungspflicht nicht überspannt werden. Es muss deshalb (schon) ausreichen, wenn der Zugang überhaupt ausdrücklich bestritten oder ein späterer Zugang konkret behauptet wird. Die Zugangsvermutung (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X) findet – keine Anwendung, wenn der Tag der Aufgabe zur Post nicht in den Akten vermerkt ist.

Dabei genügt ein zu den Akten genommener Einlieferungsvermerk, auf dem der Tag der Aufgabe zur Post vermerkt wurde, diesen Anforderungen.

Vermerken bedeutet lediglich, dass der Vorgang in den betreffenden Akten so erwähnt wird, dass auch eine mit der Sache bisher nicht befasste Person ihn als geschehen erkennen kann. Dementsprechend reicht jeder in den Akten befindliche Hinweis, der Aufschluss über den Tag der Aufgabe des Briefes zur Post gibt.

Nicht erforderlich ist, dass der Hinweis sich aus dem Verwaltungsakt selbst ergibt bzw. ein Vermerk über die Aufgabe zur Post auf dem Verwaltungsakt angebracht ist.

Ein wie auch immer gearteter Vermerk, der den Tag der Aufgabe zur Post bezeichnet, findet sich sehr oft nicht in den Verwaltungsakten der Jobcenter

Es ist auch unerheblich, wenn das Jobcenter ausführt, die Absendung des Widerspruchsbescheids ergebe sich aus einem Eintrag im EDV-System der Behörde.

Denn dieser Eintrag wäre jedenfalls nicht zur Verwaltungsakte gelangt. Damit findet die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X hier keine Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R – ).

Praxistipp

Ein Datumsstempel auf dem Widerspruchsbescheid, der nur den Zeitpunkt der Abgabe an die innerbehördliche Poststelle dokumentiert, stellt keinen ausreichenden Nachweis für das Datum der Aufgabe zur Post i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB 10 dar.

Bei fehlendem Absendevermerk der Poststelle hat das Gericht den tatsächlichen Zeitpunkt der Aufgabe zur Post nicht zu ermitteln. In diesem Fall bestehen Zweifel i.S.v. § 37 Abs. 3 2. Halbsatz SGB 10 mit der Folge, dass die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hat ( Sächsisches LSG, Urteil vom 7. Dezember 2022 – L 6 AS 353/21 – ).

Dazu auch Rechtsanwalt Andreas Köper

“Ohne Abgangsvermerk in der Verwaltungsakte gilt die 3-Tages-Fiktion nicht. Ist in der Verwaltungsakte ein Abgangsvermerk vorhanden, gilt zwar die 3-Tages-Fiktion, es genügt jedoch nach wie vor ein einfaches (auch unsubstantiiertes) Bestreiten des Zugangs.

Denn der Nachweis der Absendung ersetzt im Bestreitensfall nicht den Beweis des Zugangs. Behauptet der Empfänger, das Schreiben später als 3 Tage nach Aufgabe zur Post erhalten, muss er substantiiert vortragen, wann genau und unter welchen Umständen er das Schreiben erhalten hat. Beispiel von RA Andreas Köper:

Person X:
Als ich im Jahr 2018 arbeitslos gemeldet war, habe ich mindestens zweimal Bescheide vom Jobcenter bekommen, bei denen das Datum des Poststempels um mehrere Tage nach dem Bescheid lag, dementsprechend war auch der Zugang des Bescheids verspätet. Ein Schelm, wer da eine Masche zum Nachteil der “Kunden” vermutet.

Dazu RA A. Köper:
“Das habe ich bei Mandantendokumenten vom Jobcenter auch schon sehr oft festgestellt, teilweise Poststempel, die über eine Woche älter sind, als das Datum des Bescheides. Dies führt dazu, dass die 1-monatige Widerspruchsfrist scheinbar verkürzt wird. Man ist daher beim Jobcenter gut beraten, Originalumschläge aufzubewahren (sofern daraus noch ein Datum zu ersehen ist) und den Eingang zu notieren!”