Alleinerziehend – das klingt nach „ich mache alles allein“. Doch was ist, wenn der Kindesvater gelegentlich die Kinder abholt und unter Aufsicht der Mutter betreut? Genau diesen Fall schildert eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die sich von dem Kindsvater wegen dessen Drogensucht getrennt hat.
Sie musste beim Jobcenter angeben, keine Bedarfsgemeinschaft mit ihm zu bilden – und das wurde durch einen Außendienstbesuch bestätigt. Nun droht jedoch eine Meldung durch ihre eigene Familie: Der Vater habe die Kinder abgeholt – heißt das, sie verliert den Anspruch auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende?
Worum geht es hier überhaupt?
Es geht in erster Linie um zwei sozialrechtliche Fragen: Zum einen geht es darum, ob zwischen der Mutter und dem Kindesvater eine Bedarfsgemeinschaft besteht. Würden beide in einem gemeinsamen Haushalt leben oder wirtschaftlich füreinander einstehen, hätte dies direkte Auswirkungen auf die Höhe der Leistungen – denn in einer Bedarfsgemeinschaft reduziert sich der individuelle Regelsatz entsprechend.
Zum anderen stellt sich die Frage, ob der Mutter ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zusteht. Dabei gilt: Nach der geltenden Rechtsprechung bedeutet „alleinerziehend“ nicht zwingend, dass kein Kontakt zum anderen Elternteil besteht.
Entscheidend ist vielmehr, ob die Betreuung und Erziehung der Kinder überwiegend – also zu mehr als 60 Prozent – allein durch einen Elternteil erfolgt. Ist das der Fall, kann ein Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 21 Absatz 3 SGB II bestehen.
Im konkreten Fall hat das Jobcenter durch einen Hausbesuch festgestellt, dass der Kindesvater nicht mit im Haushalt der Mutter lebt. Damit liegt keine Bedarfsgemeinschaft vor. Auch wenn der Vater gelegentlich die Kinder von der Kita abholt – in diesem Fall unter Aufsicht der Mutter – ergibt sich daraus weder eine gemeinsame Haushaltsführung noch eine wirtschaftliche Verbindung.
Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass der Anspruch der Mutter auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende weiterhin besteht.
Bedarfsgemeinschaft – warum in diesem Fall nicht vorhanden
Damit eine Bedarfsgemeinschaft entsteht, müssten typischerweise folgende Merkmale erfüllt sein: gemeinsame Wohnung, gegenseitige wirtschaftliche Unterstützung, gemeinsame Haushaltsführung, ggf. gemeinsames Vermögen oder gemeinsame Kostenübernahme.
Im vorliegenden Fall sind die Verhältnisse eindeutig: Der Kindesvater lebt weder mit der Mutter noch mit den Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Zwischen beiden besteht keine wirtschaftliche Verbindung – sie haben weder ein gemeinsames Einkommen noch tragen sie gemeinsame Ausgaben oder übernehmen gegenseitige finanzielle Verantwortung.
Auch dass der Vater gelegentlich die Kinder von der Kita abholt, begründet kein Wohnverhältnis im Sinne einer Bedarfsgemeinschaft. Dies wurde sogar vom Außendienst des Jobcenters im Rahmen eines Hausbesuchs bestätigt.
Das Ergebnis ist klar: Es liegt keine Bedarfsgemeinschaft vor. Damit bleibt der Regelsatz für die Mutter und ihre Kinder vollständig erhalten, und auch der Anspruch auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende wird durch die gelegentliche Unterstützung des Vaters bei der Kinderbetreuung nicht berührt.
Mehrbedarf für Alleinerziehende – ein Blick auf die Rechtslage
Den Mehrbedarf für Alleinerziehende kann beanspruchen, wer überwiegend für die Betreuung und Erziehung der Kinder zuständig ist (häufig ausgelegt mit über 60 % der Erziehungs‑ und Betreuungsleistung). Auch wenn das Gesetz den Begriff nicht exakt definiert, gehen die Verwaltungswirklichkeit und die Rechtsprechung davon aus:
Die Mutter trägt die Hauptlast der Betreuung – nicht zwingend allein, aber dominiert.
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Bescheid prüfenIst der Vater lediglich im Sinne eines Umgangs‑ oder Besuchsrechtes tätig, ohne dass er in den Haushalt eingebunden ist oder wirtschaftlich beteiligt, bleibt die Alleinerziehendstellung bestehen.
In diesem Fall: Die Mutter betreut drei Kinder, darunter ein pflegebedürftiges Kind, war morgens mit diesem in Frühförderung. Der Vater hat die zwei älteren Kinder nachmittags abgeholt – eine Unterstützung, aber keine Hälfte der Betreuung übernommen. Damit spricht einiges dafür, dass überwiegend sie das Sagen hat und sich damit der Mehrbedarf erhalten bleibt.
Was kann das Jobcenter tun? – und was bedeutet das für die Mutter?
Auch wenn die Faktenlage klar ist, kann das Jobcenter erneut eine Prüfung ansetzen, insbesondere wenn neue Hinweise (z. B. durch Dritte) vorliegen und es der Behörde nicht anders möglich erscheint, den Sachverhalt zu klären. Formal kann ein erneuter Außendienstbesuch oder eine erneute Rückfrage folgen.
Grundsätzlich gilt: Die Beweislast dafür, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt, trägt das Jobcenter. Gleichzeitig ist die Mutter verpflichtet, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht aktiv zur Klärung des Sachverhalts beizutragen. Wird sie beispielsweise aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen oder Angaben zu ihren Wohnverhältnissen zu machen, muss sie dem nachkommen – andernfalls drohen Leistungskürzungen.
In der Praxis bedeutet das: Die Mutter sollte von sich aus das Gespräch mit ihrer zuständigen Sachbearbeitung beim Jobcenter suchen, die aktuelle Situation offen schildern und die Trennung vom Kindesvater nachvollziehbar dokumentieren.
Hilfreich wäre es zudem, eine Meldebescheinigung oder zumindest eine aktuelle Wohnadresse des Vaters beizubringen, verbunden mit einer kurzen schriftlichen Erklärung seinerseits, dass er nicht im Haushalt der Mutter lebt, keine Kosten trägt und sein Kontakt zu den Kindern ausschließlich im Rahmen seines Umgangsrechts stattfindet.
Zusätzlich kann die Mutter schriftlich festhalten, dass sie die Erziehung und Betreuung der Kinder – insbesondere des pflegebedürftigen Sohnes – überwiegend allein übernimmt.
Mit diesem Vorgehen schafft sie gegenüber dem Jobcenter Transparenz und reduziert das Risiko, erneut mit unangekündigten Prüfmaßnahmen oder einem Hausbesuch konfrontiert zu werden.
Und wenn doch falsche Verdächtigungen durch die Familie kommen?
Wenn Dritte (z. B. Familienmitglieder) gegenüber dem Jobcenter behaupten, die Trennung sei vorgetäuscht bzw. die Eltern lebten doch gemeinsam – dann droht der Mutter zusätzliche Belastung. Mögliche Schritte:
Dokumentieren, was gesagt wurde (Datum, Inhalt, Beteiligte).
Eine schriftliche Stellungnahme gegenüber dem Jobcenter abgeben.
Ggf. anwaltlichen Rat einholen: Wenn jemand wissentlich falsche Tatsachen behauptet, könnte ein Straftatbestand wie § 178 StGB (Verleumdung) oder § 187 StGB (Üble Nachrede) vorliegen.
Allerdings: Die private Äußerung der Familie ist zunächst noch keine Straftat – entscheidend ist, ob eine öffentlich‑ wahrnehmbare Behauptung gegenüber Behörden erfolgt und diese erweislich unwahr ist → dann kann sie relevant werden.
Fazit & Ausblick
Die Mutter befindet sich in einer starken Ausgangslage: Das Jobcenter bestätigte die Nicht‑BG‑Situation, der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist im Sinne der Rechtsprechung gewahrt – trotz gelegentlicher Abholung durch den Vater.
Dennoch darf sie sich nicht zurücklehnen: Sie sollte proaktiv gegenüber dem Jobcenter auftreten und die Fakten transparent machen, damit eine erneute Prüfung oder Belastung wirkungslos bleibt.
In Zeiten wachsender Prüf‑ und Rückforderungsrisiken ist es klug, vorbereitet zu sein. Ein einzelner Hinweis Dritter darf nicht automatisch zu einer neuen Prüfung führen – die Fakten zählen. Und sie sprechen klar für die Mutter. Diese Klarheit sollten sie nutzen und mit dem Jobcenter partnerschaftlich kommunizieren.




