Bürgergeld: Behörde verweigerte barrierefreie Kommunikation – Jobcenter bekam Urteil

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Wir hatten berichtet, dass ein Sehbinderter Leistungsbeziehender Sanktionsandrohungen erhalten hatte, weil Anträge, Bescheide und Briefe werden nicht in Blindenschrift (Braille) angeboten oder verschickt wurden. Das Jobcenter verweigerte aus Haftungs- und Datenschutzgründen. Doch das Sozialgericht verpflichtete nun die Behörde.

Wir erinnern uns

Wir erinnern uns: Die Initiative “Sanktionsfrei e.V.” berichtete von einem Fall. “T. ist blind. Eine Freundin schreibt von T. Das Jobcenter weigert sich, ihm seine Post barrierefrei zukommen zu lassen und droht immer wieder mit Sanktionen, wenn er Termine nicht wahrnimmt, von denen er teilweise gar nichts weiß, weil er seine Post ja nicht lesen kann.”

Das Jobcenter wurde auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Zudem wusste der zuständige Sachbearbeiter eigentlich von der Sehbehinderung seines “Kunden”. In einem Schreiben der Behörde, das dem Verein vorliegt, heißt es lediglich: “Leider ist es dem Jobcenter noch nicht möglich, Unterlagen in Blindenschrift zu versenden”.

Kläger verlangte dass Jobcenter-Post digital zugestellt wird

Der Betroffene erhob Klage vor dem Sozialgericht Hamburg (Az.: S 39 AS 517/23) und verlangte, dass die Übersendung seiner Bescheide und aller das gegenseitige Sozialrechtsverhältnis betreffenden Vordrucke durch das Jobcenter auch in barrierefreier Form, also als PDF-Dokument per unverschlüsselter E-Mail, erfolgt.

Bereits im Jahr 2019 hatte der Betroffene gegenüber dem Geschäftsführer des Jobcenters “Team.Arbeit.Hamburg” geltend gemacht, dass er für die laufende Kommunikation mit der Behörde auf eine barrierefreie Kommunikation angewiesen sei, da es ihm aufgrund einer Sehbehinderung kaum möglich sei, Schriftstücke in Papierform zu lesen. Würde er jedoch digitale Dokumente im .docx- oder .pdf-Format erhalten, könnte ihm ein spezielles Vorlesegerät für Blinde die Dokumente vorlesen.

Datenschutz und Hafttungsgründe wurden vorgeschoben

Das Kundenreaktionsmanagement der Behörde lehnte den Antrag jedoch “aus datenschutzrechtlichen Gründen” ab, da E-Mails nur “verschlüsselt versendet werden” könnten. Dies wiederum sei nur möglich, wenn der Empfänger über ein E-Mail-Programm verfüge, das eine verschlüsselte E-Mail-Kommunikation (S/MIME-basierte E-Mail-Verschlüsselung) ermögliche.

Eine Installation des Programms bei dem Betroffenen kann ebenfalls nicht erfolgen, da dies “aus haftungsrechtlichen Gründen nicht durchführbar” sei, so die Behörde.

Datenschutz kein Grund für Verweigerung des barrierefreien Zugangs

Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Der Datenschutz sei kein ausreichender Grund, um blinden Beziehern von Bürgergeld den barrierefreien Zugang zu verweigern.

Das Gericht betonte, dass der Kläger sogar seine Einwilligung zur Verarbeitung seiner Daten zu diesem Zweck gegenüber dem Jobcenter gegeben hatte und dass die Anforderungen des Datenschutzes nicht “über das Recht auf Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen gestellt werden dürfen”.

Die Entscheidung unterstreicht, dass technische Anforderungen an die Barrierefreiheit keine unüberwindbaren Hürden darstellen dürfen. Die Behörde hatte argumentiert, dass eine E-Mail-Verschlüsselung notwendig sei, “um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten”. Das Gericht entschied jedoch, dass der Kläger “bewusst auf den Schutz seiner Daten verzichten” könne, um “sein Recht auf barrierefreie Kommunikation zu gewährleisten”.

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