Ein Mann hatte Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten. Mehr als eineinhalb Jahre nach Ende des Bezugs reichte er vor dem Sozialgericht Osnabrück eine Untätigkeitsklage gegen das Jobcenter ein. Er forderte darin von der Behörde genaue Angaben zu einem Mehrbedarf für Behinderung, der ihm zugestanden hatte und verlangte Wiedergutmachung, weil das Jobcenter ihn nicht über diesen Anspruch informiert hatte. Das Sozialgericht wies die Klage ab.(S 22 AS 63/20)
Inhaltsverzeichnis
13 Jahre Leistungen bezogen
Der Mann hatte 13 Jahre lang Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten (damals Hartz IV, heute Bürgergeld). Zuständig dafür ist das Jobcenter. Nach dem Ende seiner Leistung klagte er wegen Untätigkeit.
Die Untätigkeitsklage
Rechtlich greift diese Klage, wenn eine Behörde eine Entscheidung nicht trifft, die sie treffen müsste. Eine solche Klage stellt gewöhnlich jemand, der vergeblich auf die Reaktion einer Behörde wartet, gegenüber der er einen Anspruch einfordert.
Beim Jobcenter betrifft dies in der Regel Anträge auf Bürgergeld, Kostenübernahme bei Miete oder Heizung, Mehrbedarf oder auch ein Darlehen. Wenn die Behörde in sechs Monaten einem solchen Antrag nicht entweder zustimmt oder ihn ablehnt, kann das Gericht sie wegen Untätigkeit verurteilen und verpflichten, umgehend die Entscheidung zu treffen.
Was wollte der Kläger
Der Betroffene schilderte detailiert, dass in seinen Augen das Jobcenter über viele Jahre hinweg seine Pflicht zur Information nicht erfüllt hätte. Dazu sind Behörden nach dem Sozialgesetzbuch I tatsächlich verpflichtet.
Konkret kritisierte er, dass er einen Mehrbedarf über Behinderungen gehabt hätte, über den ihm das Jobcenter aber keine Auskunft gegeben hätte.
Er hat einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G für eine erhebliche Gehbehinderung und vertrat den Standpunkt, er hätte dafür 17 Prozent mehr Regelsatz bekommen müssen.
Keine Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Er behauptete, seine diesbezüglichen Anfragen gegenüber dem Jobcenter seien stets unbeantwortet geblieben und bezeichnete dies als “unredlich”. Außerdem hätte das Jobcenter ihm keine Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben vorgeschlagen, die Menschen mit Behinderungen helfen sollen, wieder in Erwerbsbeschäftigung zu kommen oder ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten.
Weiterhin hätte das Jobcenter überprüfen lassen müssen, ob bei ihm eine Erwerbsminderung vorliegt und hätte dies unterlassen.
In der Klage verlangte er darüber hinaus, seine Anfragen an die ztuständige Stelle weiterzuleiten, falls diese nicht in den Bereich des Jobcenters fielen.
Kein Anspruch auf Mehrbedarf
Das Jobcenter beantragte, die Klage abzuweisen. Die Behörde begründete dies damit, dass der Grund für die Klage unklar sei. Ein Mehrbedarf für Behinderte bestehe nur dann, wenn die Betroffenen an Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben oder zur Eingliederung teilnähmen. Dieser Mehrbedarf betrage dann alerdings 25 Prozent und nicht 17 Prozent.
Da er an einer solchen Maßnahme nicht teilgenommen hätte, bestehe auch kein Anspruch auf einen solchen Mehrbedarf.
Zudem seien die Leistungen des Betroffenen eingestellt. Insofern käme ein Überprüfungsantrag, um einen frühere behördliche Entscheidung nachträglich noch einmal auf seine Richtigkeit abzuklopfen, nicht mehr in Frage.
Das Sozialgericht weist die Klage ab
Das Sozialgericht hielt die Klage nicht einmal für zulässig, weil sie die formalen Voraussetzungen nicht erfüllte. Die Zuschreibung eines “unredlichen Verhaltens” des Jobcenters sei für eine Klage zu allgemein gehalten.
Es ließe sich nicht erkennen, auf welche konkreten Verwaltungsakte, Handlungen oder Unterlassungen des Jobcenters die Klage sich beziehe.
Außerdem hätte der Betroffene zum Zeitpunkt der Klage seit fast zwei Jahren keine Leistungen mehr vom Jobcenter erhalten. Das hätte die Bedeutung eines klaren Ansatzpunktes der Klage noch einmal verstärkt. Denn es gab keine laufenden Ansprüche oder aktuellen Konflikte mit dem Jobcenter.
Es geht nicht darum, ob die Vorwürfe berechtigt waren
Die Richter entschieden nicht darüber, ob der Anspruch auf Mehrbedarf berechtigt war. Zu diesem Punkt kamen sie garnicht, weil die fehlende Bestimmtheit der Klage ohne konkreten Antrag die Voraussetzungen für den Prozess nicht erfüllte.
Ein “bestimmter Antrag” ist laut Paragraf 92 Absatz 1 SGG notwendig, damit eine Klageschrift zulässig ist. Sie müssen also in einer Klage präzise schreiben, was sie vom Beklagten fordern und worüber die Richter entscheiden sollen.
In diesem Fall hätte das bedeutet, dass ein konkreter Verwaltungsakt des Jobcenters geändert werden, aufgehoben oder erlassen werden sollte. Oder auch in der Untätigkeitsklage, dass das Jobcenter zu einer bestimmten Handlung verurteilt werden sollte.
Das Sozialgericht wies die Klage also wegen formaler Mängel ab.