Bürgergeld: Auch bei zweckwidriger Verwendung der Miete muss das Jobcenter Nebenkostennachzahlung zahlen

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Auch wenn im Zeitraum, auf den sich die Nebenkostenabrechnung bezieht, die vom Leistungsträger gezahlten Leistungen nicht an den Vermieter weitergeleitet wurden, ist die volle Nachforderung im Grundsatz übernahmefähig.

Der zweckwidrigen Verwendung kann nicht im Rahmen einer Bedarfsberechnung Rechnung getragen werden (Leitsatz Gericht). Dieses brisante Urteil erging von der 55. Kammer des SG Aurich Az. S 55 AS 189/13.

Das Gericht begründet seine Entscheidung, in welcher die Berufung zugelassen wurde, wie folgt:

Entstehung eines Bedarfs unbeachtlich

In Anbetracht des Grundrechtes auf Sicherung des Existenzminimums ist im Regelfall der Grund für die Entstehung eines Bedarfs unbeachtlich.

Grundrecht auf bedarfsgerechtes Wohnen

Nur durch Berücksichtigung der vollen Nebenkostennachforderung kann dem Grundrecht auf bedarfsgerechtes Wohnen Rechnung getragen werden.

Zweckwidrige Verwendung der Mietkosten ist im SGB II unbeachtlich – dafür gibt es den Ersatzanspruch nach § 34 SGB II

Die 55. Kammer stellt in der umgekehrten Konstellation eines geringer ausgefallenen Nebenkostenguthabens aufgrund zweckwidriger Verwendung der Zahlungen des JobCenters fest, dass das Bundessozialgericht bereits entschieden hat, dass dieser Aspekt nicht zu beachten ist und nicht etwa ein fiktiv höheres Guthaben anzusetzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 159/11 – ).

Das Jobcenter möchte nur einen Teil der Nebenkostennachforderung übernehmen – bei zweckwidriger Verwendung der Miete sei die Übernahme der Betriebskostennachzahlung in voller Höhe nicht gerecht fertigt.

Dem folgte das SG Aurich 55. Kammer, Urteil vom 21.02.2017 – S 55 AS 189/13 – nicht

Denn:

1. Der zweckwidrigen Verwendung kann nicht im Rahmen einer Bedarfsberechnung Rechnung getragen werden.

2. Das Gerichte stellte im Gegensatz zum JobCenter fest, dass aufgrund des § 34 SGB II ( Ersatzanspruch ) die volle Übernahme der Nachforderung auch bei zweckwidriger Verwendung eventueller Leistungen des Jobcenters sich als systemgerecht darstellt.

3. Zur Vermeidung solchen Verhaltens hätte das Jobcenter auch die Möglichkeit der Direktüberweisung der Miete an den Vermieter § 22 Abs. 7 S. 2 SGB II.

Anmerkung Redakteur Detlef Brock

Eine sehr zu begrüßende Entscheidung, denn aus Erfahrung weiß ich, das es viele solcher Fälle gibt, da wurde die Miete zum Bsp. für den Kauf von dringenden Medikamenten eingesetzt oder wichtige Schulden wurden beglichen.

Natürlich gibt es immer schwarze Schafe. Dafür hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass die Miete direkt an den Vermieter gezahlt wird.

Wissenswertes zu zweckwidriger Verwendung der Kosten der Unterkunft – recherchiert vom Redakteur Detlef Brock

Bereits der 14. Senat des BSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung aus dem Mietvertrag und die sich daraus ergebenden tatsächlichen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II nicht deckungsgleich mit den zu zahlenden Beträgen sein muss (BSG Urteil vom 24.2.2011 – B 14 AS 52/09 R – RdNr 21).

Maßgebend für die Berechnung der KdU sind und bleiben die geschuldeten Beträge ( BSG, Urt. v. 16.05.2012 – B 4 AS 159/11 R -Rz. 20 ).

Rechtstipp von Detlef Brock – gleicher Auffassung wie das SG Aurich

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.07. 2013 – L 19 AS 1120/13 B – rechtskräftig –

Der Bedarf an einer Übernahme der Betriebs- und Heizkostennachforderung ist nicht entfallen, wenn der Hilfebedürftige die Vorauszahlungen zweckwidrig verwendet hat.

Soweit eine Nachforderung von Betriebs- oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen.

Keine Verrechnung von Zweckwidrig verwandten Vorauszahlungen mit dem Nachforderungsbetrag

Zweckwidrig verwandte Vorauszahlungen können mit dem Nachforderungsbetrag nicht verrechnet werden.

§ 34a Ersatzansprüche für rechtswidrig erbrachte Leistungen

Insoweit kann der Leistungsträger gfl. einen Erstattungsanspruch nach § 34a SGB II gegenüber dem Leistungsempfänger geltend machen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 33/12 R -).

Was kann man als Betroffener tun bei Nicht – Übernahme der Betriebskostennachzahlung wegen zweckwidriger Verwendung?

Für einen juristischen Laien erst mal ganz schwierig. Sollte das Jobcenter denn nur teilweise die Nachzahlung übernommen haben, erst mal Widerspruch einlegen, fruchtet dieser nicht, sollte man unbedingt professionelle Hilfe suchen, denn der Vermieter wartet ja in der Regel nicht auf sein Geld.

Auf jeden Fall beim Widerspruch darauf berufen:

Keine Verrechnung von Zweckwidrig verwandten Vorauszahlungen mit dem Nachforderungsbetrag für Betriebskosten, denn Maßgebend für die Berechnung der KdU sind und bleiben die geschuldeten Beträge ( BSG, Urt. v. 16.05.2012 – B 4 AS 159/11 R – ). Bei Ablehnung bleibt nur der Weg zum Sozialgericht.