Bezahlkarte für Flüchtlinge rechtswidrig – Urteil

Lesedauer 3 Minuten

Das Sozialgericht Hamburg hält eine pauschale Bargeldobergrenze auf der „Bezahlkarte“ für Flüchtlinge für rechtswidrig.

Die Regelung, wonach erwachsene Geflüchtete mit der Bezahlkarte nur maximal 50 Euro pro Monat bar abheben können, berücksichtige nicht die persönlichen und örtlichen Umstände, die einen höheren Bedarf begründen können, entschied das Sozialgericht im Eilverfahren in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 18. Juli 2024.

Bezahlkarte für Flüchtlinge

Bis auf Bayern und Mecklenburg-Vorpommern haben sich die Bundesländer auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Juni 2024 auf die einheitliche Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge geeinigt.

Inwieweit die Bezahlkarte genutzt wird, ist Ländersache. Die zuständigen Behörden können dabei selbst entscheiden, wann der Einsatz der Bezahlkarte zweckmäßig erscheint.

Hauptzweck der Bezahlkarte ist, dass der darauf befindliche Betrag nur im Inland ausgegeben werden kann. Gelder für Schlepper oder Überweisungen an Angehörige im Herkunftsland sind damit nicht möglich.

Hamburg startete als erstes Bundesland bereits im Februar 2024 mit der Bezahlkarte.

Um was ging es?

Im aktuellen Verfahren ging es um eine in einer Hamburger Erstaufnahmeeinrichtung lebende Flüchtlingsfamilie. Die Eltern erhielten eine Bezahlkarte, die sogenannte SocialCard, mit der sie jeweils 50 Euro in bar monatlich abheben konnten.

Dem minderjährigen Kind stand ein Barbetrag von zehn Euro monatlich zu. Die Familie wandte ein, dass sie mit den insgesamt 110 Euro monatlich nicht ihre nötigen lebensnotwendigen Einkäufe erledigen könnten, zumal die Frau schwanger sei und einen höheren Bedarf habe.

Bezahlkarte für Flüchtlinge deckt Mehrbedarfe nicht ab

Das Sozialgericht gab ihnen im Eilverfahren vorerst weitgehend recht.

Asylbewerberleistungen könnten aber durchaus in Form von Bezahlkarten, Wertgutscheinen oder anderen unbaren Abrechnungen erbracht werden.

Dies sei nicht diskriminierend, da es einen allgemeinen gesellschaftlichen Trend gebe, „Bedarfe durch Kartenzahlung statt durch Bargeld zu decken“.

Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, wie die starre Obergrenze von 50 Euro Bargeld pro Monat und Erwachsenen den „individuellen Bedürfnissen und Umständen vor Ort gerecht werden kann“.

Lesen Sie auch:
Asylrecht: Syrien laut Gericht “ausreichend sicher”

Sozialgericht Hamburg rügt pauschale Bargeldobergrenze

Es sei daher „geboten wie auch praktikabel“, die besonderen Mehrbedarfe der Flüchtlingsfamilie zu berücksichtigen. Ihnen stehe daher bis zum Abschluss des Hauptverfahrens ein höherer Barbetrag von insgesamt knapp 270 Euro monatlich zu.

Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl sieht in der Bezahlkarte eine verfassungswidrige Unterversorgung von Flüchtlingen.

„Die Bezahlkarte in Hamburg erschwert den Alltag der Betroffenen massiv. Geflüchtete können sich kaum angemessen versorgen. Günstige Onlineeinkäufe oder private Gebrauchtwareneinkäufe sind mit der Bezahlkarte ebenso wenig möglich wie der Abschluss eines Handyvertrages oder die Anmeldung im Sportverein; auch akzeptiert nicht jeder Laden die Bezahlkarte“ sagte Judith.

LSG Hamburg, Beschluss v. 24.07.2024 – L 4 AY 8/24 B ER –

Es fehlte in diesem Verfahren bereits an einem Anordnungsgrund – Gericht hat keine Bedenken gegen die Bezahlkarte

Denn das Gericht hält es nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller wesentliche Nachteile drohen, wenn er vorläufig für die Zeit seines Aufenthalts in der Aufnahmeeinrichtung, in der der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gewährt wird, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache die ihm bewilligten Leistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nach dem AsylbLG auf eine Bezahlkarte erhält, für die eine Bargeldbeschränkung in Höhe von 50 Euro gilt.

Verfassungsrechtlich ist es grundsätzlich zulässig, das Existenzminimum durch Geld- aber auch durch Sach- oder Dienstleistungen zu gewähren (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –

Die Bezahlkarte ermöglicht es den Hilfesuchenden, einen Teil der Leistungen für den persönlichen Bedarf in bar abzuheben und mit dem restlichen Teil für Waren und Dienstleistungen überall dort zu bezahlen, wo eine Zahlung mit einer Visakreditkarte möglich ist.

Damit verbleiben dem Antragsteller ausreichend Wahlmöglichkeiten, seinen notwendigen persönlichen Bedarf zu decken.

Gericht hat Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt

Weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.