Behinderung: Krankenkasse muss besseres und teureres Hörgerät zahlen – Urteil

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Ist das Sprachverständnis hörbehinderter Menschen mit einem Hörgerät um fünf Prozent besser als mit zuzahlungsfreien Geräten, kann die Krankenkasse zur Kostenübernahme verpflichtet sein.

Das messbar bessere Sprachverständnis im Alltag, auch bei störenden Umgebungsgeräuschen, stellt dann einen „wesentlichen Gebrauchsvorteil“ dar, so dass die Krankenkasse das Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich gewähren muss, entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Az.: L 14 KR 129/22).

Aber: Die Potsdamer Richter ließen allerdings die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.

Kläger beantragte Hörgerät „KINDuro 3410“

Die hörbehinderte Klägerin hatte bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit dem Hörsystem „KINDuro 3410“ zum Preis von 3.320 Euro beantragt.

Eine Hörgerätetestung hatte ergeben, dass die Frau mit den beidseitigen Hörgeräten im Vergleich zu zuzahlungsfreien Geräten ein um fünf Prozent besseres Sprachverständnis und bei Störschall ein um 2,5 Prozent besseres Sprachverständnis erreicht.

Die Krankenkasse lehnte die Versorgung mit dem Hörsystem ab. Ausreichend seien zuzahlungsfreie Hörgeräte zum Festbetrag von 1.483 Euro. Wolle die Klägerin dennoch das gewünschte Hörgerät, müsse sie den Restbetrag von 1.816 Euro selbst tragen.

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Kasse verweigerte besseres Hörgerät und verwies auf zuzahlungsfreie Geräte

Die Krankenkasse begründete ihre Entscheidung damit, dass die Verbesserung des Sprachverständnisses gegenüber den zuzahlungsfreien Geräten nur sehr gering sei und im Rahmen von Messtoleranzen des normierten Freiburger Sprachtest liege. Ein „wesentlicher Gebrauchsvorteil“ durch das begehrte Hörsystem sei nicht gegeben.

Das LSG sah dies anders und verpflichtete die Krankenkasse, auch den Restbetrag zu zahlen. Grundsätzlich seien Krankenkassen verpflichtet, Behinderungen – hier das Hören – auszugleichen.

Es gelte „das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts“, so das Gericht.

Ziel sei ein möglichst vollständiger Behinderungsausgleich, um hörbehinderten Menschen das Hören und Verstehen auch in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu ermöglichen.

LSG Potsdam beanstandet Verweis auf zuzahlungsfreie Geräte

Der Anspruch auf ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich sei „nicht von vornherein auf einen Basisausgleich im Sinne einer Minimalversorgung beschränkt“. Das Hilfsmittel müsse ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfe das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

Diese Voraussetzungen erfülle die Krankenkasse grundsätzlich mit der Zahlung des Festbetrags. Wenn ein über den Festbetrag hinausgehendes Hörgerät im Alltag aber einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber den preiswerteren Geräten biete, könne die Krankenkasse auch dafür leistungspflichtig sein.

Komfortfunktionen oder ein subjektiv besserer Höreindruck begründeten jedoch noch keinen Versorgungsanspruch.

Hörgerät über Festbetrag hinaus bei etwas besserem Sprachverstehen

Anders sehe es bei einem messbar besseren Sprachverständnis aus. Ein „wesentlicher Gebrauchsvorteil“ liege bereits bei einem um fünf Prozent besseren Sprachverständnis vor.

Es sei hier willkürlich, wenn die Krankenkasse wegen vorgebrachter Messungenauigkeiten das getestete Hörgerät mit den zuzahlungsfreien Hörgeräten gleichsetze. Es sei ebenso möglich, dass das mit dem gewünschten Gerät gemessene Sprachverständnis von 5 Prozent tatsächlich höher sei. fle

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