Das Landessozialgericht Hamburg entschied über eine Klage, in der ein Mann, der zuvor Arbeitslosengeld bezogen hatte einen Gründungszuschuss beantragte und die Agentur für Arbeit diesen ablehnte. (L 2 AL 14/23 D)
Die Ausführungen des Gerichts, warum die Behörde richtig lag, sehen wir uns genauer an, denn sie geben hilfreiche Informationen für Menschen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden.
Inhaltsverzeichnis
Der Antrag für den Gründungszuschuss
Zuerst einmal zur Geschichte. Der Kläger ist gelernter Diplom-Kaufmann, arbeitete 2017 bis 2018 in einer Autovermietung, meldete sich danach arbeitslos und bezog bis Juni 2019 Arbeitslosengeld (ALG).
Die Behörde händigte ihm im Juni 2019 ein Antragsformular aus für einen Gründungszuschuss. Er gab dieses am 31. Juli 2019 schriftlich zurück und erklärte, er würde die nötigen Unterlagen nachreichen.
Er schrieb, er sei ab dem 1. August 2019 selbstständig und zwar im Hauptberuf als Immobiliendarlehensvermittler sowie selbständiger Bausparkassen-/ Versicherungsvertreter. Die Arbeitsagentur zahlte deshalb kein Arbeitslosengeld mehr (mit Bescheid vom 15. August 2019).
Gewerbe zwei Monate nach Ende des Arbeitslosengeldes
Er meldete dies als Gewerbe an (am 11. September 2019) und erhielt am 12. Dezember 2019 die Erlaubnis als Immobilienmakler / Darlehensvermittler zu arbeiten. Offiziell registriert im Register der Versicherungsvermittlung war er erst im März 2020.
Kläger reicht Unterlagen spät ein
Erst am 20. März 2020 reichte er die Unterlagen ein für den Antrag zum Gründungszuschuss bei der Agentur für Arbeit und notierte, die Tätigkeit hätte am 9. September 2019 begonnen.
Die Behörde lehnt den Antrag ab
Die Agentur für Arbeit lehnte den Antrag ab und begründete dies erstens damit, dass ein Nachweis fehle dafür, dass das Unterfangen dauerhaft tragfähig sei. Er hätte die Gründung 2019 vollzogen.
Die Stellungsnahme sei erst von 2020 und zudem von seiner Auftraggeberin, also nicht neutral. Zweitens hätte er das Unternehmen nicht nahtlos im Anschluss an die Arbeitslosigkeit gegründet.
Es geht vor das Sozialgericht
Der Widerspruch des Kaufmanns blieb erfolglos. Die Begründung dafür, ihn abzulehnen waren die “geschäftlichen Verflechtungen”, die “erhebliche Zweifel an der Aussagekraft” der Stelungnahme zur Tragfähigkeit weckten.
Tragfähigkeit bedeute, dass der Gründer sich nach Ablauf der ersten Förderphase aus den selbstständigen Einnahmen den Lebensunterhalt finanzieren könnte. Der vom Kläger vorgelegte Einnahmensüberschussplan zeige jedoch, dass dies vermutlich bis 2022 nicht der Fall sein würde.
Die erste Förderphase hätte im März 2020 geendet. Noch für die folgenden vier Monate seien Verluste angegeben. Dadurch ließe sich der Lebensunterhalt nicht decken.
Das Sozialgericht lehnte die Klage des Gründers ab und folgte dabei weitgehend der Ablehnung des Widerspruchs. Der Einnahmeüberschussplan zeige, dass der Lebensunterhalt nicht gedeckt sei. Zudem habe der Kläger sein tatsächliches Einkommen verschwiegen, und das gehe zu seinen Lasten.
Was sind die Voraussetzungen für den Zuschuss?
Das Landessozialgericht klärte ausführlich die Rechtslage, nach der Arbeitnehmer, die ihre Arbeitslosigkeit durch eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit beenden, einen Gründungszuschuss nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten. Dies dient dazu, den Lebensunterhalt und die soziale Sicherung in der Phase nach der Existenzgründung zu sichern.
Die Voraussetzungen seien, dass erstens der Gründer in spe “bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt”, dass der Antragsteller “der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist”, und dass der Betroffene “Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.”
“Kein Anspruch auf den Gründungszuschuss”
Der Kläger hatte deshalb keinen Anspruch auf diesen Zuschuss, so das Landessozialgericht. Denn er hätte im besten Fall bis zum 15. August 2019 Arbeitslosengeld bezogen.
Zwischen dem Ende der Arbeitslosigkeit und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit müsse ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen. Dieser betrage nicht mehr als einen Monat. Dies sei bei dem Kläger nicht so gewesen, es sei jedenfalls weder ersichtlich, noch hätte der Betroffene dies vorgetragen.
Er hätte alle wichtigen Unterlagen erst mehr als ein halbes Jahr eingereicht, nachdem er den Antrag gestellt hätte. In den Dokumenten sei erst im Dezember eine Einnahme von 200 Euro notiert.
Das Gewerbe hätte er zwar im September 2019 angemeldet. Diese Anmeldung allein sei aber nur einer von mehreren Schritten, die erfüllt sein müssten, um eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen.
Er hätte auch die fachkundige Stellungnahme nicht rechtzeitig eingereicht, sondern erst, nachdem er bereits seine selbstständige Tätigkeit aufgenommen hätte. Da sei es zu spät gewesen.
Die Prognose steht vor der Entscheidung
Ein Nachweis darüber, ob das Projekt sich tragen könnte, müsste vor der Entscheidung darüber stehen, ob der Antrag gewährt wird. Die Stellungnahme der fachkundigen Stelle sei sogar die Grundlage der Prognose.
Das Merkblatt, das der Kläger erhalten hätte, definiere ausdrücklich den Zweck des Zuschusses “zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung.“
Dieser Zweck sei nicht erfüllt, wenn der Kläger die Unterlagen erst nach Ablauf der ersten Förderphase abgebe.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.