Wenn die Pflegekasse den Pflegegrad falsch einstuft, dann hat das Folgen, denn ohne Pflegegrad gibt es kein Pflegegeld und keine Pflegesachleistungen, und bei einem zu niedrig eingestuften Pflegegrad reichen die bewilligten Leistungen nicht aus.
Wie Sie diesen Fehleinstufungen vorbeugen können, erklären wir in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Risiko bereits im Vorfeld verringern
Sie können bereits im Vorfeld das Risiko verringern, dass Ihr Pflegegrad falsch eingestuft wird, indem Sie sich gut vorbereiten.
Der Gutachter hat einen Fragenkatalog zu sechs Modulen. Mit diesem entscheidet er über die Einstufung. Sie können im Internet einen kostenlosen Rechner nutzen, um zu sehen, was die Module sind und welche Fragen möglich sind unter.
Führen Sie ein Pflegetagebuch
Notieren Sie im Detail alles, was mit Pflege und Betreuung des Betroffenen zusammen hängt – je ausführlicher, desto besser. Dazu gehört auch die Anleitung und Aufsicht bei Tätigkeiten, die die zu Pflegenden selbst verrichten.
Beziehen Sie den Pflegestützpunkt ein
Suchen Sie im Vorfeld des Besuchs des Medizinischen Dienstes einen Pflegestützpunkt auf. Die dortigen Mitarbeiter beraten Sie unabhängig zu allen Fragen rund um die Pflege, wissen, worauf der Medizinische Dienst sein Auge richtet und geben Ihnen Tipps, worauf Sie in der speziellen Situation zu achten haben. Optimal ist es, wenn ein Mitarbeiter des Pflegestützpunktes dabei ist, wenn der Medizinische Dienst sein Gutachten stellt.
Die Stiftung ZQP bietet eine Suche nach Pflegestützpunkten und Beratungsstellen.
Vollständige Unterlagen sind entscheidend
Sammeln Sie alle relevanten medizinischen Unterlagen zu Ihrer Erkrankung und eventuellen Vorerkrankungen. Dazu gehören unter anderem Medikamentenpläne, ärztliche Berichte, Atteste und Gutachten. Ergänzen Sie die Sammlung um eine Liste der bisherigen Therapien, Entlassungsberichte aus Kliniken und Reha, sowie MRT- und Röntgenbilder.
Auch ein Allergiepass, der Schwerbehindertenausweis und Verträge mit Pflegediensten sollten einbezogen werden. Kurz gesagt, legen Sie alles zusammen, was mit Ihrer Erkrankung und Ihrer Pflegestufe in Verbindung steht. Übergeben Sie diese Unterlagen dem Medizinischen Dienst in Form von Kopien.
Wenn der Medizinische Dienst vor der Tür steht
Wenn der Tag X gekommen ist und der Gutachter klingelt, können Sie diverse Fehler machen oder vermeiden, die dazu führen, dass Ihr Pflegegrad richtig oder falsch eingestuft wird. Der Gutachter ist nur kurz bei dem Pflegenden und muss in dieser Zeit sein Urteil fällen, er kann also nur eine Momentaufnahme geben.
Egal, ob Sie selbst der zu Pflegende sind oder dessen Vertrauter, die Grundregel lautet: Der Patient sollte nie mit dem Gutachter alleine sein. Auch Mitarbeiter von Sozialdiensten, die den Patienten kennen, sind eine wertvolle Hilfe.
Reden Sie nichts schön
Viele erkrankte Menschen schildern ihren Zustand in einem anderen Licht, als es der Wirklichkeit entspricht, aus zahlreichen Gründen. Sie wollen Angehörigen nicht zur Last fallen, nicht als jemand gelten, der “immer nur jammert”, sie wollen Freunde nicht beunruhigen, oder sie wollen sich selbst nicht eingestehen, dass viele Dinge nicht mehr möglich sind.
Dem Medizinischen Dienst gegenüber ist ein solches Verhalten grundfalsch, denn es kann dazu führen, dass der Gutachter ihren Zustand als besser einschätzt, als er in Wirklichkeit ist, und das kostet sie dann ihre Pflegestufe.
Verteidigen Sie nicht Ihre Selbstständigkeit
Niemand ist gerne auf andere angewiesen. Doch ein “ich kann das schon”, ohne dass dies stimmt, ist gegenüber dem Gutachter fatal. Wenn der zu Pflegende Hilfe benötigt, um zur Toilette zu gehen, beim Anziehen, beim Essen oder Trinken, dann ist das erheblich für die Pflegestufe.
Das heißt übrigens nicht, dass man etwas gar nicht mehr bewältigen kann. Sich unter großer Anstrengung die Treppen hochzukämpfen, dabei Schmerzen zu haben und völlig außer Atem in die Wohnung zu gelangen, zählt nicht als “ohne fremde Hilfe”. Die Einschränkungen sind trotzdem vorhanden.
Generell gilt: Je weniger Hilfe ein Mensch durch Dritte benötigt, umso niedriger ist der Pflegegrad. Je mehr Unterstützung er benötigt, umso höher ist die Pflegestufe.
Bleiben Sie ehrlich und realistisch
Es ist jedoch wichtig, nicht ins andere Extrem zu verfallen, indem Sie Beschwerden übertreiben oder gar erfinden. Gutachter sind erfahrene Fachleute, und ihre Module, Tests und Fragen sind darauf ausgelegt, ein möglichst realistisches Gesamtbild zu erstellen.
Wenn ein Gutachter bemerkt oder vermutet, dass Sie etwas übertreiben oder hinzudichten, könnte dies dazu führen, dass er tatsächliche Einschränkungen weniger ernst nimmt.
Gut vorbereitet auf den Besuch des Gutachters
Bereiten Sie sich auf den Besuch des Gutachters nicht wie auf ein Bewerbungsgespräch vor, bei dem es darum geht, einen “guten Eindruck” zu hinterlassen. Wenn Ihnen beim Essen etwas im Gesicht kleben bleibt, Sie sich ungewöhnlich verhalten, trotzig wirken oder unter Blasenschwäche leiden, sollten Sie keinesfalls versuchen, diese Dinge zu verbergen.
Solche Beobachtungen sind entscheidend und werden bei der Festlegung der Pflegestufe berücksichtigt.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.